Nachdem wir uns Nova Luna und Pictures bereits gewidmet haben, kommt heute natürlich noch ein Artikel zu My City, denn am kommenden Montag steigt ja auch schon die Verleihung zum »Spiel des Jahres 2020«. Für diese Auszeichnung ist das »innovative Städtepuzzle«, wie die Jury das Werk von Erfolgsautor Reiner Knizia nennt, neben den beiden genannten Spielen nämlich nominiert.

Zehn weitere Spiele von Erfolgsautor Reiner Knizia haben wir am Anfang der Corona-Krise bereits vorgestellt.

Damit steht erstmals ein familientaugliches Legacy-Spiel auf der Shortlist für den wichtigsten Brettspiel-Preis der Welt. Zur Erinnerung: Legacy-Spiele entwickeln sich von Partie zu Partie. Ereignisse werden »gespeichert«. Neue Materialien und Regeln kommen hinzu und oft entstehen individuelle Spielbretter, die eigene Geschichten erzählen. Bei My City – damit verrate ich bestimmt nicht zu viel – bauen die Spieler nach immer neuen Regeln und mit immer mehr Spielmaterial ihre eigenen Städte auf.

Das Spiel ist so konzipiert, dass jeweils drei Partien ein Kapitel bilden und in jedem dieser Kapitel ein bestimmtes neues Element im Mittelpunkt steht. Wie bei allen (mir bekannten) Legacy-Spielen kommen die Neuerungen über verschlossene Umschläge ins Spiel, sodass man wirklich immer überrascht wird. Da es acht Kapitel (und somit acht Umschläge) gibt, läuft das Legacy-Spiel über 24 Partien. Dankenswerterweise kann man My City aber auch danach gut weiterspielen auf permanenten Spielbrettern. Dieses sogenannte »Ewige Spiel« ist sogar erstaunlich gut und ich kann mir durchaus vorstellen, dass es auch nach Abschluss der Kampagne in vielen Gruppen noch gespielt wird, gerade auch als echtes Familienspiel mit jüngeren Kindern.

My City ist ein Legespiel mit Polyominos (»Tetris-Teilen«), die unterschiedliche Gebäude darstellen und von den Spielern auf individuellen Brettern zu einer Stadt zusammengepuzzelt werden. Dieser Grundmechanismus bleibt bestehen und entwickelt sich im Laufe der Zeit weiter, wird komplexer, ohne zu überfordern. Die Entwicklungsschritte sind gut gewählt, es gibt eigentlich keinen Moment, an dem man innehält und denkt: »Jetzt wirds aber kompliziert«. Es ist eher so wie bei Computerspielen, die behutsam immer neue Elemente einführen. Das ist richtig gut gelöst.

Verpackung (My City)

Da Karten umgedreht werden, die für alle Spieler vorgeben, welches Puzzleteil gelegt werden muss, besitzt jeder ein identisches Set an Teilen. Diese liegen immer vor einem aus, sodass man auch zu jeder Zeit weiß, welche Polyominos noch kommen und was wo passen könnte – noch so eine schöne Idee, die das Spiel sehr vereinfacht. Man muss keine »Teile zählen«, um optimal zu puzzeln.

Viel mehr möchte ich an dieser Stelle auch gar nicht weiter zum Ablauf des Spiels schreiben, um niemandem den Spaß zu nehmen. Denn Spaß bereitet dieses Legacy-Abenteuer auf jeden Fall. Anderswo kann man lesen, dass My City geradezu süchtig mache. Ganz so weit würde ich nicht gehen, aber meine Mitspielerin und ich haben auch schon viele Legacy-Spiele (und noch viel mehr Lege-Spiele!) gesehen. Als erste Begegnung mit dem Genre ist My City eine dicke Empfehlung, einfach weil es so gut funktioniert – viel besser als das chaotische Familienspiel Machi Koro Legacy und viel erwachsener als Zombie Kidz Evolution.

Andere Spielerunden haben berichtet, dass in der allgemeinen Punktewertung Führende kaum einzuholen gewesen seien. Das haben wir so nicht erlebt. Allerdings muss man dazu auch klar sagen, dass ich das Spiel nur einmal durchgespielt habe und Corona-bedingt auch nur zu zweit. Das war eine rasend schnelle Erfahrung. Wir haben jedes Kapitel (à drei Partien) in unter eineinhalb Stunden geschafft. Grob gerechnet hat man mit My City also Legacy-Material für acht Abende. Mir reicht das vollkommen aus.

Knizia ist der erste Autor, dem es überzeugend gelungen ist, ein Legacy-Spiel auf Familienniveau herunterzubrechen.

Fazit: Am Montag wird also das »Spiel des Jahres 2020« gekürt. Ich würde My City auszeichnen. Knizia ist der erste Autor, dem es überzeugend gelungen ist, ein Legacy-Spiel auf Familienniveau herunterzubrechen. Hinzu kommt, dass My City als Produkt einfach super funktioniert, Emotionen weckt, ansprechend aussieht und auch die Spielanleitung keine Fragen offen lässt.

Die beiden Mitnominierten fallen im Vergleich etwas ab. Nova Luna ist mir zu ruhig und Pictures hat einfach redaktionelle Mängel. Außerdem soll das »Spiel des Jahres« ja auch abbilden, was es so an innovativen Entwicklungen in der Branche gibt, da ist es vielleicht mal an der Zeit, einem Legacy-Spiel die größtmögliche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

My City von Reiner Knizia, Kosmos Verlag, 2–4 Spieler ab 10 Jahren, ca. 34 Euro.