Verpackung (Pictures)

Ist Pictures eigentlich ein Partyspiel? Was fürs Partygenre spricht: Die Spielanleitung nimmt gerade einmal eine Seite ein und erklären kann man das Spiel in zwei Minuten. Man könnte Pictures auch komplett ohne Wertung spielen und hat trotzdem noch Spaß. Man kann während des gesamten Spiels über quatschen, was trinken und knabbern und verdirbt niemandem den Spielspaß, da man nicht großartig konzentriert sein muss.

Gegen die These, es handele sich hier um ein Partyspiel, spricht eigentlich nur die Tatsache, dass Pictures nur für drei bis fünf Spieler ausgelegt ist und man es auch nicht in größeren Gruppen spielen kann. Die perfekte Runde ist also eine Mini-Corona-Hausparty.

Was bei Pictures passiert, ist schnell erklärt. 16 Foto-Karten liegen in einem vier mal vier großen Raster aus. In jeder Spielrunde versuchen die Spieler, ein nur ihnen bekanntes Foto mit dem ihnen zugeteilten Material-Set darzustellen. Da es fünf Material-Sets gibt, werden fünf Runden gespielt, sodass jeder Spieler jedes Set einmal benutzt. Folgende Sets gibt es: Bauklötze, Stöcke und Steine, Schnürsenkel, Symbol-Karten und Farbwürfel, die man in einem Mini-Bilderrahmen anordnen kann. Punkte bekommen die Spieler jeweils, wenn ihr Bild erraten wird oder sie das Bild eines anderen richtig bestimmen.

Gut ist, dass alle gleichzeitig künstlerisch aktiv sind und auch gleichzeitig ihre Tipps auf den Spielzetteln eintragen. So sind alle immer dran und niemand kann sich ausklinken und zu sehr auf die Knabbereien konzentrieren.

Man konnte sich – wie so oft – fragen, warum eigentlich noch niemand auf diese Spielidee gekommen war.

Pictures wurde nach der Veröffentlichung im vergangenen Herbst vielfach überaus positiv besprochen. Die Leute hatten großen Spaß bei der kreativen Foto-Nachstellerei und man konnte sich – wie so oft – fragen, warum eigentlich noch niemand auf diese Spielidee gekommen war. Gut ist sie nämlich auf jeden Fall. Die Frage ist halt: Ist sie gut genug, um das »Spiel des Jahres 2020« zu werden? Denn dafür ist Pictures ja neben Nova Luna und My City nominiert. Und die nächste Frage lautet: Wie wurde die gute Spielidee redaktionell umgesetzt und verpackt?

Die Antworten hierauf sind weniger eindeutig. Im Gegensatz zu Codenames und Just One, den anderen großen Party-Kommunikationsspiele unter den »Spielen des Jahres« der letzten Zeit, lässt die Gestaltung von Pictures zu wünschen übrig. Die Schachtel mitsamt Schriftzug sieht altbacken und wenig attraktiv aus. Was selbstverständlich durch ein perfektes Spielerlebnis locker wettgemacht werden könnte. Doch auch da gibt es Probleme, wie ich finde.

Zum einen hat man sich auf den entscheidenden Karten für Stockfotos entschieden, die ebenfalls nicht sonderlich frisch aussehen, dazu teilweise überfrachtet sind. Sind Landschaftsaufnahmen mit vielen Details wirklich das richtige für ein solches Spiel? Warum sind einige Bilder hochkant, andere vertikal?

Und warum tauscht man laut Spielregeln die Fotos während einer Partie nicht mal aus? Es kommt sonst immer wieder zu Dopplungen, also dazu, dass mehrere Spieler dieselben Bilder nachstellen, teilweise sogar mit denselben Materialien. Das trübt den Spielspaß. Gerade in größeren Runden hat man sehr schnell das Gefühl, alles gesehen zu haben. Sehr gute kostenlose Stockfotos, die man ganz legal für solche Spiele verwenden dürfte, gibt es im Internet nun wirklich zur Genüge.

Nichts von den hier vorgebrachten Punkten zerstört das Spiel oder macht die ersten Partien weniger unterhaltsam, doch den länger anhaltenden Spielspaß tangiert die Kritik durchaus. Ich kann mir bei diesem Produkt nicht vorstellen, dass wir einen kommenden Klassiker wie Codenames oder Just One vor uns haben. Dazu fehlt mir trotz der 91 Foto-Karten die Abwechslung. Diese kommt dann eher durch unterschiedliche Spieler hinzu, die Pictures neu entdecken.

Was hätte wohl ein hipper französischer, belgischer oder – soll ich’s wirklich schreiben – gar cooler amerikanischer Verlag aus dieser Idee herausgeholt?

Aber dass eine Runde ständig Lust auf dieses Spiel hat, kann ich mir nicht vorstellen. Natürlich könnte man Pictures auch mit Karten aus anderen Spielen zocken, nur, Hand aufs Herz, macht das niemand. Da lässt man das Spiel lieber im Schrank und holt eines der anderen genannten heraus. Passend dazu habe ich in den vergangenen Monaten auch nicht mehr viel von Pictures gehört.

So sehr mir Pictures immer noch gefällt, drängt sich mir ein Gedanken auf: Was hätte wohl ein hipper französischer, belgischer oder – soll ich’s wirklich schreiben – gar cooler amerikanischer Verlag aus dieser Idee herausgeholt? Viel mehr als das, was uns im Moment vorliegt, da bin ich mir ziemlich sicher.

Fazit: Was sagt uns das jetzt alles? Es ist gut möglich, dass Pictures trotz meines Gemeckers »Spiel des Jahres 2020« wird. Die Mitnominierten haben durchaus ebenfalls ihre Macken. Zudem muss nicht jedes »Spiel des Jahres« ein Klassiker werden (Hallo, Colt Express da hinten auf dem Grabbeltisch!). 2020 ist ja nun ein Jahr zum Vergessen, da passt ein »Spiel des Jahres«, das uns für den Moment gut unterhält, aber dann doch wieder in der Versenkung verschwindet, vielleicht doch ganz gut.

Pictures von Daniela und Christian Stöhr, PD-Verlag, 3–5 Spieler ab 8 Jahren, ca. 38 Euro.