Was würdet ihr sagen, liebe Leserinnen und Leser, ist das beste deutsche Brettspiel aller Zeiten? Ein Bestseller wie Catan oder Carcassonne, ein strategischer Klassiker wie Agricola oder El Grande oder vielleicht doch etwas Seichtes, das jeder kennt?

Mensch ärgere dich nicht, Memory oder Lotti Karotti zum Beispiel? Keine leichte Frage, und ihr könnt grübeln, so viel ihr wollt, auf die richtige Antwort dürften die meisten von euch nicht kommen.

Arche was?

Das beste deutsche Brettspiel aller Zeiten ist – Trommelwirbel – Arche Nova! Auf der Rangliste von BoardGameGeek (BGG), der weltweit größten Community von Spielerinnen und Spielern, steht Arche Nova auf dem vierten Platz, über 36.000 Menschen haben das Spiel bewertet und ihm eine Durchschnittsnote von 8,53 (von 10) verpasst. Knapp vor Arche Nova auf dem Siegertreppchen rangieren übrigens Brass: Birmingham (Platz eins), Pandemic Legacy: Season 1 (zwei) und Gloomhaven (drei).

BGG-Bewertungen werden laufend aktualisiert und die Rangliste wird sich auch wieder ändern, und doch ist es erstaunlich, dass dieses 2021 erschienene Erstlingswerk von Autor Mathias Wigge so weit oben in der Gunst der weltweiten Spielerschaft steht. Immerhin werden bei BGG etwas über 100.000 Brett- und Kartenspiele gelistet.

Ein zeitgemäßer Zoo

Arche Nova ist ein gehobenes Strategiespiel, das um einiges komplizierter zu spielen ist als Everybody’s Darling Flügelschlag oder das ebenfalls sehr spannende Arrakis-Drama Dune: Imperium. Bei Arche Nova bauen die Spielerinnen und Spieler jeweils einen Zoo auf, der sowohl attraktiv für Besucher als auch möglichst art- und somit zeitgerecht sein sollte.

Natürlich muss man Gehege anlegen und Tiere ansiedeln, das gehört selbst in politisch korrekten Zeiten noch immer dazu. Allerdings sind sogenannte Verbandsarbeiten und die Kooperation mit Sponsoren ebenfalls sehr wichtig. Partnerschaften mit Zoos auf anderen Kontinenten einzugehen, ist genauso essenziell wie gemeinsam mit Unis zu forschen.

Das Auswildern von Zootieren kann mehr Punkte einbringen, als weitere Tiere auszustellen. Alles ist miteinander verzahnt und unterschiedliche Strategien können zum Sieg führen. Hochspezialisierte Tierparke, etwa mit Fokus auf Reptilien, Vögel oder besonders große Tiere, können Allround-Zoos schlagen.

»Können« wohlgemerkt, denn was in einer Partie klappt, muss in der nächsten noch lange nicht funktionieren. Arche Nova ist ein Fest für Tüftler und ein Spiel, in welchem eine erfahrene Spielerin einen Neuling in der Regel haushoch schlägt.

Jede Partie ist anders

Dass so viel Abwechslung geboten wird, liegt vor allem an einem dicken Stapel mit 212 Zookarten, von denen die einzelnen Spielerinnen und Spieler kaum mehr als ein Viertel pro Partie zu Gesicht bekommen. Da sich in diesem Stapel 128 Tiere, 64 Sponsoren und 20 Artenschutzprojekte befinden, kann man sich nie sicher sein, was in der aktuellen Partie gerade besonders wichtig werden wird, beziehungsweise auf welche Karten man überhaupt zugreifen kann.

Unflexibles Spiel und zu langes Warten, zum Beispiel auf Bären oder Streicheltiere, kann sich rächen. Es ist möglich, dass man mehrere Partien spielt, ohne überhaupt passende Wasservögel oder afrikanisches Großwild zu entdecken. Der Reiz des Spiels besteht deshalb darin, aus den vorhandenen Zookarten und bereits ausliegenden Wertungskarten eine möglichst gewinnbringende Strategie für die laufende Partie zu entwickeln.

Man hat gefühlt nie »alles gesehen« oder das Spiel dechiffriert.

Das Quäntchen Glück spielt auch eine Rolle und ein in der vorletzten Runde gespielter Afrikanischer Elefant oder der vom verdeckten Stapel gezogene Hausesel können eine Partie unter gleichstarken Kontrahenten entscheiden. Arche Nova ist halt noch immer ein Gesellschaftsspiel und keine Zoo-Simulation, die sich komplett durchrechnen ließe.

Dieses Glückselement kommt nicht bei allen Spielerinnen und Spielern gut an, sorgt aber dafür, dass Arche Nova über sehr viele Partien interessant bleibt. Man hat gefühlt nie »alles gesehen« oder das Spiel dechiffriert. Außerdem kommen weitere Elemente wie Spielertableaus mit individuellen Fähigkeiten und geheime Wertungskarten hinzu, die unterschiedliche Spielverläufe garantieren.

Den Nerv der globalen Spielerschaft getroffen

Es sind also viele Faktoren, die Arche Nova zu einem herausragenden Spiel machen, aber erklären sie auch den überraschenden weltweiten Erfolg des Werks? Eigentlich nicht, denn Spiele dieser Kategorie erscheinen durchaus häufiger.

Arche Nova hat wohl aus einer Mischung aus Glück und Können einfach den Nerv der globalen Spielerschaft getroffen, erschien zur rechten Zeit als überzeugendes Gesamtpaket bestehend aus spannenden Mechaniken und frischem Zoo-Thema. Wem das als Erklärung zu wage ist, sollte Arche Nova unbedingt einmal spielen und schauen, ob das Spiel sie oder ihn ebenfalls überzeugt.

Klasse Online-Umsetzung

Apropos spielen: Es gibt zwar (noch) keine Arche Nova-App oder Steam-Umsetzung, trotzdem kann man das Spiel online spielen: auf der Brettspiel-Plattform Board Game Arena (BGA) auf der Arche Nova seit geraumer Zeit das meistgespielte Spiel ist.

Auf dem Tisch macht Arche Nova zwar einiges her, kommt aber auch mit einem gewissen Auf- und Abbau-Aufwand, außerdem vergisst man gerne einmal Effekte und Boni. Online kann das nicht passieren. BGA bietet zwar keinen KI-Gegner, das zugbasierte Spiel gegen echte Menschen bietet einem aber die Gelegenheit, auch mal etwas länger über einen Zug nachzudenken und das Spiel tiefer zu durchdringen.

Arche Nova von Mathias Wigge, erschienen bei Feuerland Spiele, für 1–4 Personen ab 14 Jahren, Spielzeit ca. 90–150 Minuten, UVP 64,90 €.