Artwork (Dune: Imperium)
© Dire Wolf Games

Den echten Oscar hat Dune ja bereits im März abgeräumt, sogar sechsmal. Damit war Denis Villeneuves Werk der erfolgreichste Film der 94. Verleihung. Gratulation!

Doch was Brettspielerinnen und Brettspieler bis zum Wochenende wirklich bewegte, war eine nerdige Frage: Kommt noch ein siebter Oscar hinzu, nämlich der »Oscar der Brettspiel-Branche«? So nennen einige Enthusiasten eine »Spiel des Jahres«- oder »Kennerspiel«-Auszeichnung halb augenzwinkernd. (Spoiler Alert: Dune: Imperium ging leer aus. Die Brettspiel-Oscars gingen an Cascadia und Living Forest.)

Trotzdem gilt: Früher hätten sich Spiele-Fans eine solche Frage gar nicht erst gestellt. Es wäre nämlich undenkbar gewesen, dass Dune: Imperium, ein Brettspiel zu einem Blockbuster-Film, zum »Kennerspiel des Jahres« nominiert wird.

Ja, früher hätte ein kurzer Blick auf die Schachtel des Spiels ausgereicht und es wäre klar gewesen: Das kann nichts und ist bloß ein weiteres Glied in der unendlich langen Vermarktungskette, die ein Film wie Dune nach sich zieht.

Doch dann kamen überzeugende und eigenständig gute Lizenzspiele wie Die Säulen der Erde oder Battlestar Galactica und das Klischee des Lizenzspiels als x-ter Monopoly- oder Risiko-Aufguss war aufgeweicht.

Mehr als nur ein Spiel zum Film

Dune: Imperium basiert selbstverständlich zunächst auf der Romanreihe von Frank Herbert, orientiert sich grafisch allerdings an Villeneuves Film. Paul Atreides ist unverkennbar Timothee Chalamet, sein Vater, der Herzog Leto, ist Oscar Isaac und so weiter.

Allerdings kommen im Spiel viele weitere Figuren und Häuser aus der Dune-Saga vor, die im Film noch gar keinen Auftritt hatten und nicht einmal im ersten Roman erwähnt werden. Dune: Imperium ist also ein viel größeres Unterfangen als ein »Spiel zum Film«.

Verpackung (Dune: Imperium)
© Dire Wolf Games

Designt wurde Dune: Imperium von Paul Dennen, der sich als Autor von Klong! und dessen diversen Ablegern einen exzellenten Ruf in der Szene erarbeitet hat. Dune: Imperium ist zunächst ein Arbeiter-Einsetz-Spiel und somit nichts Besonderes. Die hier bereits vorgestellten Die verlorenen Ruinen von Arnak und Feierabend lassen grüßen.

Dune: Imperium wird allerdings »gekonnt erweitert, indem immer eine passende Handkarte ausgespielt werden muss«, wie die Jury des »Spiel des Jahres« in ihrer Nominierungsbegründung schreibt. Zudem sei das Spiel sehr interaktiv und, obwohl es in jeder Runde zu einem Konflikt auf dem Schlachtfeld kommt, gar nicht so konfrontativ.

Weiter schreibt die Jury:

»Es ist wichtig, die Pläne der Konkurrenz zu erkennen und in die eigene Planung mit einzubeziehen. Da bereits zehn Punkte zum Sieg genügen, endet fast jede Partie in einem spannenden und nervenaufreibenden Finale, bei dem thematisch passend auch oft eine einzelne glücklich gezogene Karte den Unterschied macht.«

Ständige Hochspannung

Dass lediglich zehn Siegpunkte benötigt werden, um das Spielende einzuleiten, macht tatsächlich den ganz besonderen Reiz von Dune: Imperium aus. Alle wissen immer ziemlich genau (es gibt ein paar verdeckte Karten, die Punkte wert sein können), wie es gerade steht und wer führt.

Führende können allerdings auch immer ein paar Punkte verlieren oder noch überholt werden, sodass eigentlich niemand jemals gelassen vor sich hin spielen kann. Alle stehen ständig unter Hochspannung.

Wenn es gegen Ende des Spiels in einer Schlacht um zwei Punkte geht, ist dies häufig spielentscheidend und konfrontativer, als von der Jury behauptet. Für mich sind diese Schlachten das Salz in der Dune-Suppe.

Im Gegensatz zu vielen anderen Spielen dieses Kalibers, bei denen es am Ende zu einer kaum vorhersehbaren Massenausschüttung an Siegpunkten kommt, fühlt sich Dune: Imperium also immer auch an wie ein Wettrennen. Ein Rennen zu zehn Punkten, bei dem man sich die letzten beiden sehr oft im direkten Duell mit den anderen Adelshäuser erkämpfen muss.

Inhalt (Dune: Imperium)
© Dire Wolf Games

Negativ am Spiel fällt höchstens auf, dass es keinen Mechanismus gibt, die offene Kartenauslage zu ändern. Liegen ab Mitte der Partie viele schwache Karten aus, die eigentlich eher zu Beginn des Spiels nötig wären, gibt es keinen Weg, alles abzuräumen.

Zudem gibt es nur sehr wenige Möglichkeiten, das eigene Kartendeck zu optimieren, indem man Karten entfernt. Die Mitspielerinnen und Mitspieler waren teilweise übervorsichtig, mittelmäßig gute Karten überhaupt aufzunehmen, was das Problem noch verstärkt hat.

Auch wenn das Spiel von der Jury vor allem für drei oder vier Spielerinnen und Spieler empfohlen wird, was tatsächlich ideal ist, funktioniert Dune: Imperium zu zweit noch immer ganz gut. Es kommt eine Art Dummy-Spieler zum Einsatz, welcher Felder blockiert und erstaunlich viele Konflikte gewinnt. Glücklicherweise sammelt dieser Spieler keine Siegpunkte ein.

Ob nun mit oder ohne Auszeichnung: Das ist geradezu oscarverdächtig.

Fazit: Dune: Imperium ist trotz der kleineren Mängel ein herausragendes Spiel des aktuellen Jahrgangs. Wer Gefallen an Kennerspielen wie Flügelschlag oder Paleo gefunden hat, wird auch von Dune: Imperium nicht überfordert und lernt ein weitaus aggressiveres Spiel kennen. Lizenz und Spiel passen wie die Faust aufs Auge. Die Jury sieht das genauso:

»›Dune: Imperium‹ nutzt seine berühmte Lizenz auf eindrucksvolle Weise, um eine spielerisch überzeugende Version des Wüstenplaneten auf den Tisch zu zaubern. Auch Menschen ohne Vorkenntnisse finden an der Geschichte gefallen und können sich auf die stimmig umgesetzten Machtkämpfe der Häuser einlassen.«

Ein tolles Schlusswort zu diesem tollen Spiel. Ob nun mit oder ohne Auszeichnung: Das ist geradezu oscarverdächtig.

Dune: Imperium von Paul Dennen, Dire Wolf Games/Asmodee, 1–4 Personen ab 13 Jahren, ca. 50 Euro.