Verpackung (MicroMacro: Crime City – Full House)
© Edition Spielwiese

MicroMacro: Crime City ist das aktuelle »Spiel des Jahres«, ausgezeichnet wurde es übrigens nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich und Bulgarien. Weitere Länder dürften folgen, das Spiel wurde ja in Rekordzeit in über dreißig Sprachen übersetzt und schon mehr als eine Millionen Mal verkauft.

Dass es sehr schnell auch weitere Versionen des Bestsellers geben würde, wurde dementsprechend früh angekündigt. Nun ist das zweite in der Verbrechens-Hauptstadt angesiedelte Spiel also draußen. Es trägt den etwas sperrigen Namen MicroMacro: Crime City – Full House. Und natürlich geht es wieder darum, anhand von Fragekarten durch genaues Hinsehen und scharfes Kombinieren Verbrechen aufzuklären.

Wenn es zu einem populären Spiel eine Erweiterung oder ein ganz neues eigenständiges Spiel gibt, lauten die Überschriften der Rezensionen häufig »Nachschub für die Fans«, und es stellt sich sogleich die Frage: Kommt da Nachschub im Sinne von »more of the same« oder wird eine erfolgreiche Idee clever weiterentwickelt?

Bei den EXIT-Spielen etwa, der erfolgreichsten Spielereihe der letzten fünf Jahre, gibt es ständig etwas Neues zu entdecken. Andere Settings, verschiedene Schwierigkeitsstufen, Bücher, Doppelspiele und neue Rätsel sowieso.

Der Vergleich mit EXIT hinkt natürlich, da es in jedem Spiel der Reihe ja nur einen abendfüllenden Fall zu lösen gilt und man danach alles Material wegschmeißt. Bei MicroMacro gibt es jeweils sechzehn Fälle pro Schachtel, und kaputtgemacht wird auch nichts.

Und wie ist Full House jetzt so? Auffällig ist schon einmal, dass Schachtel und Inhalt des Spiels nahezu gleich aussehen wie in Teil eins. Allerdings stimmt dies bei genauerer Betrachtung natürlich nicht.

Inhalt (MicroMacro: Crime City – Full House)
© Edition Spielwiese

Der Plan bildet ein anderes Viertel der Crime City ab und auch die Spielregeln sind optimiert. Sehr gut ist auch, dass Eltern nun anhand von Icons gleich erkennen können, ob die Fälle komplett familientauglich, leicht explizit oder nicht geeignet sind für jüngere Kinder, welche von den Themen wie Fremdgehen, Kidnappings oder Eifersucht etwas überfordert sein könnten.

Erziehungsberechtigte können jetzt also besser kontrollieren, was auf sie zukommt, denn die Altersangabe von »12+« auf der Schachtel dürfte sich nur auf die komplexesten der »erwachsenen« Fälle beziehen. Das sind aber nicht viele.

Das passt mir so auch ganz gut in den Kram, denn die größten MicroMacro-Fans sind noch immer meine Kinder. Selbst der Fünfjährige kann beim Rätseln helfen, etwa indem er Figuren »beschattet«, also versucht, sie auf dem Plan zu verfolgen. Dazu muss man nicht unbedingt alles verstehen, was sonst noch los ist.

Wie Full House im Detail funktioniert, will ich hier auch nicht weiter erläutern. Nämlich genauso wie der ersten Teil, und alles Wissenswerte dazu steht in unserer ausführlichen Rezension zu MicroMacro: Crime City.

»Genauso« ist allerdings das passende Stichwort. Unser zweiter Besuch in der Crime City fühlt sich genauso an wie der erste, was nicht nur daran liegt, dass der fünf Minuten lange Tutorial-Fall identisch ist. Auch die anderen Fälle spielen sich ähnlich, und weil wir nach sechzehn Verbrechen ein ganz gutes Gefühl fürs Spiel entwickelt haben, kommen wir schnell voran und finden die Lösungen.

Erstaunlicherweise überrascht uns das Spiel nicht mit tollen Weiterentwicklungen. Man verfolgt die Figuren auf dem »Wimmelbild« oder versucht, sie an verräterischen Orten zu erwischen. Nebenbei stolpert man über so viele Verbrechen und verdächtiges Verhalten, dass einige Fälle schon halb geklärt erscheinen, bevor sie überhaupt angefangen wurden. Kurzum: Alles bleibt beim Alten in der Hochburg des Verbrechens.

Verpackung und Plan (MicroMacro: Crime City – Full House)
© Edition Spielwiese

Fazit: MicroMacro: Crime City – Full House ist ein herausragend gutes Spiel – genau wie der Vorgänger. Wegen der besseren redaktionellen Aufbereitung ist Full House sogar noch empfehlenswerter als das aktuelle »Spiel des Jahres«, und hätte ich es vor einem Jahr gespielt, wäre ich mindestens genauso angefixt gewesen wie beim ersten MicroMacro.

»Leider« gibt es dieses erste MicroMacro aber schon seit zwölf Monaten. Daher ist selbst ein sehr gutes Spiel wie Full House nichts Besonderes mehr. »More of the same« in Reinform, was bei einem megastarken Original zwar noch immer zu einem guten Spiel führt, aber wie es so schön heißt: »Sein erstes Mal kann man nur einmal erleben.«

Die absolute Begeisterung der ersten Partien ist dahin. Und leider liefert Full House auch keine neuen Aha-Momente, wie man sie etwa in EXIT-Spielen ständig erlebt. Ganz im Gegenteil: Bei nicht wenigen Fällen habe ich mich in die Rolle des Moderators und Kinderbetreuers zurückgezogen, teilweise nebenbei Zeitung gelesen.

Kurzum: Alles bleibt beim Alten in der Hochburg des Verbrechens.

Es ist halt schwierig, sich motiviert an die kurzen und wenig komplexen Fälle zu machen, wenn man schon Erfahrung mit den ausufernden aus Spiel eins hat. Macht es dann überhaupt Sinn, sieben recht kurze »Einstiegsfälle« in eine Fortsetzung zu packen?

Ich weiß es auch nicht recht, aber Full House dürfte trotzdem eines der erfolgreichsten Spiele dieses Jahrgangs werden. Die Erstauflage beträgt bereits 200.000 Exemplare. Das könnte man verlagsseitig natürlich noch ein paar Spiele lang so weiter treiben. »Even more of the same« und so weiter.

Ich hoffe allerdings, dass die Autoren ihr Pulver noch nicht verschossen haben, sich ein paar innovative Kniffe ausdenken, neue Orte in frischem Design hinzukommen und das unvermeidliche MicroMacro III uns noch einmal richtig überraschen wird.

MicroMacro: Crime City – Full House von Johannes Sich, Edition Spielwiese/Pegasus, für 1–4 Personen ab 10 Jahren.