Key Art (Assassin’s Creed Mirage)

Assassin’s Creed Valhalla war ein kolossales Epos, das die Grenzen der Serie bis in die Unkenntlichkeit auslotete. Mit Altaïrs Meuchel-Abenteuer von 2007 hatte das umfangreiche Wikinger-Open-World-Action-RPG kaum noch etwas gemein.

Versteht mich nicht falsch; ich mochte das Spiel, aber es war einfach kein Assassin’s Creed mehr. Für Ubisoft entpuppte sich Valhalla dennoch als mega-erfolgreiches Projekt, das sogar die sagenhafte Milliarden-Dollar-Schallmauer durchbrach.

Aktuell arbeitet Ubisoft mehrgleisig, um das Franchise in alle Richtungen zu erweitern. Am 16. November tauchen wir mit Assassin’s Creed Nexus VR in die virtuelle Realität ein, ein brandneues Mobile-Game befindet sich ebenfalls in der Pipeline und sogar ein Ausflug ins feudale Japan ist geplant. Hoffen wir, dass sich Ubisoft mit dieser ehrgeizigen Produktdiversifikation nicht übernimmt.

Kurz und knackig

Anstatt dieses Jahr Valhalla 2.0 auf den Markt zu werfen, beschert uns Ubisoft mit Assassin’s Creed Mirage ein Destillat der ursprünglichen Formel. Es ist ein pures Stealth-Action-Erlebnis, das eher mit Hitman als mit Valhalla verwandt ist.

Ubisoft hat nicht nur die Spielwelt verkleinert und den Sammel- und Waffenüberfluss reduziert, sondern auch das Gameplay eingedampft. Es ist, als hätte man tief im Code verschollene Überreste der Serie gefunden und diese wiederbelebt.

Alamuth (Assassin’s Creed Mirage)

Das Abenteuer ist im Bagdad des neunten Jahrhunderts angesiedelt und versetzt euch in die Rolle des Basim Ibn Ishaq, der in Valhalla als Nebendarsteller aktiv war. Er wird von mysteriösen Träumen heimgesucht und schließt sich den Assassinen an – mehr sei zur Handlung nicht verraten. Die Erzählung aber ist relativ simpel, vermutlich, um auch Neulinge abzuholen, die Valhalla nicht gespielt haben.

Aufs Wesentliche reduziert

Bagdad ist ein wahres Kletterparadies, das zwar nicht die architektonische Raffinesse der großen Vorgänger erreicht, aber dennoch eine authentische Stimmung zaubert. In vielen Vierteln pulsiert das Leben, und jeder Stadtteil hat seinen ganz eigenen Charakter, sowohl optisch als auch akustisch. Im staubigen Armenviertel taucht ihr in ein Kaleidoskop aus Stimmen und Chaos ein, das in starkem Kontrast zur Eleganz des prunkvollen Stadtzentrums steht.

Zwischen den Gebäuden sind häufig Seile oder Planen gespannt, an vielen Wänden findet ihr Vorrichtungen, die euch von der Straße aufs Dach katapultieren. Perfekte Voraussetzungen, um mit Basims akrobatischen Fähigkeiten schnell von A nach B zu kommen.

Und natürlich bleibt die Option der Schnellreise zu bereits entdeckten Verstecken und Aussichtstürmen. Euch stehen außerdem Pferde und Kamele als Reittiere zur Verfügung, aber die benötigt man eigentlich nur für gelegentliche Ausritte in die karge Wüste außerhalb der Stadt.

Heimlichkeit über alles

Wie bereits erwähnt, setzt Assassin’s Creed Mirage den Fokus ganz klar auf Stealth. Von hinten anschleichen, leise ausschalten und die Leiche im nächsten Gebüsch oder Heuhaufen verstecken.

Bagdad (Assassin’s Creed Mirage)

Oder ihr greift elegant aus der Ferne an, mit einem modifizierten Wurfmesser, das die Leiche mittels Chemikalien auflöst und somit eure Spuren verwischt. Wer unbemerkt vorgehen möchte, darf sich über mannigfaltige Optionen freuen, zumal sich Waffen und Ausrüstung verstärken und modifizieren lassen.

Meistens geht es darum, sich unbemerkt Zugang zu einem Gebiet zu verschaffen, um Beute zu machen, auf Spurensuche zu gehen, Geiseln zu befreien oder Gegner lautlos aus dem Weg zu räumen – und dann ebenso geräuschlos das Weite zu suchen. Feinde können auf unterschiedliche Weise abgelenkt, Fallen gelegt und Alarmglocken deaktiviert werden. Ein kluger Assassine nimmt sich die Zeit, das Terrain zu sondieren, Gespräche zu belauschen und den Adlerblick zu aktivieren, um versteckte Ein- und Ausgänge aufzuspüren.

Angriff ist nicht die beste Verteidigung

Man kann es gar nicht klar genug sagen: Wer keinen Bock auf Heimlichkeit und Schleichen hat, sollte unbedingt die Finger von Assassin’s Creed Mirage lassen. Es gibt zwar Upgrades, die unter anderem präzises Parieren oder Ausweichen im Kampf belohnen, aber selbst mit voll ausgebauten Fähigkeiten und maximal aufgelevelter Ausrüstung fühlen sich Kämpfe nicht wirklich geil an.

Das Waffenarsenal ist begrenzt und das Kampfsystem zu rudimentär, um Fans von Hack & Slay dauerhaft zu fesseln. Zwar kann Basim ausweichen und kontern, aber sobald mehrere Gegner ins Spiel kommen, wird die Action unübersichtlich und nervig. Hinzu kommt eine Gegnerschaft, die nicht gerade mit Abwechslungsreichtum glänzt und offene Kämpfe auf Dauer zur monotonen Angelegenheit macht.

100 % Präzision, aber nur manchmal

Auch die ungenaue Steuerung sorgt in Kämpfen für Frustmomente. Angriffe werden über die rechte Schultertaste initiiert: Ein kurzes Antippen löst eine Schnellattacke aus, während längeres Halten der Taste einen schweren Hieb verursacht.

Dach (Assassin’s Creed Mirage)
Nacht (Assassin’s Creed Mirage)

Leider führt Basim oft einen leichten Schlag aus, obwohl man eigentlich einen mächtigen Angriff platzieren wollte. Da die Stealth-Kills ebenfalls über diese Taste gesteuert werden, passiert es nicht selten, dass man statt einer heimlichen Exekution eine laute Schwertattacke ausführt und damit ungewollt die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Der Kletterspaß wird durch die mangelnde Präzision ebenfalls getrübt. Mal springt Basim einfach vom Dach in den Tod, statt wie geplant über ein gespanntes Seil zu rennen. Oder er weigert sich, eine zehn Zentimeter hohe Stufe zu überqueren, weil diese vom Spiel als Hindernis gewertet wird, das nur mit gedrückter Klettertaste bewältigt werden kann.

Ubisoft liefert hier ein gutes, wenn auch nicht herausragendes Spiel, das für Stealth-Enthusiasten ein Muss und für alle anderen verzichtbar ist.

Fazit: Ubisoft hat mit Assassin’s Creed Mirage das Rad nicht neu erfunden, aber erfolgreich zurückgedreht. In gerade einmal 22 Stunden habe ich das Spiel abgeschlossen – inklusive diverser Nebenquests. Ist Mirage zu kurz? Keineswegs.

Die Entwickler haben den idealen Mittelweg gefunden: Fünf Stunden mehr und das Spiel hätte sich gezogen; fünf Stunden weniger und es wäre zu kurz gewesen. Ubisoft liefert hier ein gutes, wenn auch nicht herausragendes Spiel, das für Stealth-Enthusiasten ein Muss und für alle anderen verzichtbar ist.

Assassin’s Creed Mirage wurde am 5. Oktober 2023 für PC, PlayStation 4, PlayStation 5, Xbox One und Xbox Series X|S veröffentlicht.