Key Art (Starfield)

Da sitze ich in der kuscheligen Kapitänskabine meines Raumschiffs, den Finger zögernd über dem »Landen«-Knopf schwebend. Vor mir ein unscheinbarer Planet, der nach Angaben meines Scanners wertvolle Rohstoffe enthält. Lohnt es sich zu landen oder muss ich wieder zig Kilometer durch eine Wüstenlandschaft trotten, um drei popelige Bleibrocken zu ernten?

Plötzlich klingelt das intergalaktische Telefon – ein SOS-Ruf! Es ist ein Generationsschiff voller Kolonisten, die sich nach einem 200-jährigen Trip durch den Kosmos ein neues Leben auf dem Planeten starten möchten. Blöderweise ist dieser Planet mittlerweile Eigentum eines Konzerns, der dort Luxusurlaube anbietet. Die Kolonisten bitten mich, in ihrem Namen mit den führenden Köpfen des Unternehmens zu verhandeln.

Also düse ich direkt zu ihrem Hauptquartier, wo ich auf den schmierigen CEO Oliver Campbell treffe. Nach einem Gespräch mit dem wandelnden Haargelspender stehen mir ein paar interessante Optionen offen:

Option 1: Ich sage den Kolonisten, sie dürfen landen, müssen aber als Lohnsklaven in der Ferienanlage schuften.

Option 2: Ich organisiere einen Gravitationsantrieb für ihr antiquiertes Schiff, damit sie sich eine neue Heimat in einem anderen Sonnensystem suchen können.

Option 3: Ich entfessele meine innere Darth Vader und hacke mich in den Schiffsreaktor ein, um eine explosive Kettenreaktion auszulösen.

Weil ich zumindest virtuell ein mieses Schwein bin, entscheide ich mich für die dritte Option. Das kann doch nicht so schwer sein, schließlich lassen mich die vertrauensseligen Kolonisten in den heiligen Hallen ihres Schiffes frei herumlaufen. Zielstrebig steuere ich den Maschinenraum an, nur um festzustellen, dass das Reaktor-Terminal einen Key erfordert.

Cockpit (Starfield)

Nach einem kurzen Plausch mit den Crewmitgliedern identifiziere ich den Chefingenieur als Schlüsselmeister. Ich nutze die erste Gelegenheit, schleiche mich an ihn heran und stibitze das Ding aus seiner Tasche. Endlich kann ich das Terminal hacken und meinen finsteren Plan in die Tat umsetzen.

Es gibt immer einen Haken

Ein unerwartetes Problem taucht auf: Der Befehl muss vom Kapitänspult aus bestätigt werden, welches sich mitten auf der von Offizieren wimmelnden Brücke befindet. Wie soll ich da unbemerkt mein finsteres Werk vollenden? Heimlichkeit wird mich nicht weiterbringen.

Ich begebe mich ungeniert zur Brücke und nehme dreist den Computer des Captains in Beschlag, um den Befehl zu bestätigen. Der Alarm schrillt los und die Offiziere eröffnen sofort das Feuer. Jetzt zählt jede Sekunde. Ich schlucke Med-Packs wie Tic Tacs, um meine Wunden zu heilen, während ich wie Usain Bolt zur Luftschleuse eile.

Mir gelingt tatsächlich die Flucht, bevor der wütende Mob mich in Weltraumkonfetti verwandeln kann. Während ich mit meinem Schiff das Weite suche, vergeht der Kolonistendampfer in einem pyrotechnischen Meisterwerk.

Jetzt muss ich nur noch meine Belohnung abholen! Vielleicht kann ich ja ein paar zusätzliche Credits aus dem CEO kitzeln, indem ich ihn erpresse? Ein Massenmord-Skandal könnte sich äußerst negativ auf die TripAdvisor-Bewertungen auswirken. Zu meinem Bedauern platzt mein ausgeklügelter Plan wie eine Seifenblase.

Der skrupellose CEO verweigert nicht nur die Extraportion Credits, sondern stellt gleich den gesamten Geldfluss ein. Vielleicht war mein Plan doch nicht so wasserdicht wie gedacht. Ich könnte den fiesen Sack gar nicht verpfeifen, ohne mich selbst zu belasten.

Und angesichts der Armada von Sicherheitskräften im Gebäude wäre es reiner Wahnsinn, mit Gewalt zu antworten. Resigniert mache ich mich davon, steuere zurück zu meinem Schiff und erkunde die unzähligen anderen moralischen Dilemmata, die das Universum von Starfield für mich bereithält.

Discovery (Starfield)

No Man’s Fallout

Das da oben ist nur eine einzige von vielen abgefahrenen Nebenmissionen, die euch in diesem kosmischen Mammutwerk erwarten. Wir haben mittlerweile über 60 Stunden auf der Uhr und gefühlt nur einen Bruchteil des Spiels erkundet.

Starfield fühlt sich an wie eine Symbiose zwischen dem Endzeit-RPG Fallout 4 und dem preisgekrönten Weltraumabenteuer No Man’s Sky. Euer eigenes, individuell anpassbares Raumschiff dient als persönliche Arche durch den Kosmos, und gemäß Bethesda soll der Spielraum für eure Entdeckungsreisen über 1.000 Planeten umfassen.

Die meisten von ihnen beherbergen zwar kein Leben, doch ihr Rohstoffreichtum macht sie dennoch interessant. Anfangs erntet ihr mit einem bescheidenen, tragbaren Cutter kleinere Ressourcenbrocken. Der Fortschritt im Spiel entriegelt zunehmend ausgefeilte Technologien und Maschinen, die es euch ermöglichen, gigantische Abbaueinrichtungen zu errichten und Ressourcen im industriellen Ausmaß zu fördern.

Die Planetenoberflächen, mehrheitlich durch prozedurale Generierung erschaffen, präsentieren häufig eine karge Einöde. Simpler gesagt: Die meisten Welten sind superlangweilig. Mit den Scannern eures Raumschiffs könnt ihr aber vor der Landung interessante Orte, Siedlungen oder Rohstofflagerstätten identifizieren.

Obwohl Bethesda immer wieder das Mantra eines »endlosen, frei erkundbaren Universums« predigt, sieht die spielerische Realität etwas anders aus. Der Übergang vom Weltraum zur Planetenoberfläche ist nicht nahtlos.

Auch wird eure Erkundung am Boden regelmäßig von Ladebildschirmen unterbrochen, etwa wenn ihr Gebäude, Höhlen oder Schiffe betretet. Die Ladezeiten mögen kurz sein, dennoch unterbrechen sie die Illusion eines nahtlosen, weitläufigen Universums und vermitteln eher das Gefühl, von einem Level zum nächsten zu wechseln.

Das Weltraumthema bringt dennoch zwei große Vorteile mit sich: Raumschiffschlachten und Welten mit geringer Schwerkraft. Die Space-Battles sind wirklich geil und gefallen uns sogar besser als in No Man’s Sky, Elite Dangerous oder Eve Online.

Planets (Starfield)

Bethesda liefert die perfekte Balance zwischen Anspruch und Spaß, denn ihr könnt sehr taktisch vorgehen und sogar die Energieversorgung der einzelnen Schiffskomponenten regulieren, um euch der jeweiligen Situation anzupassen. Bei feindlichen Schiffen lassen sich bestimmte Teile gezielt anvisieren und zerstören. Das macht die Raumgefechte anspruchsvoll und abwechslungsreich, solange man nicht den einfachsten Schwierigkeitsgrad wählt.

Richtig guter Ego-Shooter

Konzentrieren wir uns nun auf das Element der Schwerkraft, das sowohl die planetare Erkundung als auch die Feuergefechte zu einem besonderen Erlebnis macht. Es empfiehlt sich dringend, zuerst in die Verbesserung des Jetpack-Skills zu investieren, da dies die Fortbewegung erheblich erleichtert.

Das zeitraubende Treppensteigen wird überflüssig, und bei geringer Schwerkraft könnt ihr sogar über Gebäude oder Berge springen. In den Schießereien fügt der Jetpack eine zusätzliche Ebene hinzu, die mehr strategische Möglichkeiten für das Flankieren von Gegnern und dergleichen bietet.

Es gibt tonnenweise geile Waffen, die sich an Werkbänken modifizieren und für jeden Spielertypen optimieren lassen. Wer lieber stealthy unterwegs ist, fügt Schalldämpfer oder Zielfernrohre hinzu und Rambos setzen auf Explosivmunition mit maximaler Zerstörungskraft.

Raumanzüge können ebenfalls verbessert werden, um die Widerstandsfähigkeit und Mobilität zu erhöhen. In Kombination mit einem simplen, aber umfangreichen Skillsystem, bietet Starfield jedem Spieler die Möglichkeit, seinen perfekten Build zu erschaffen.

Ein Meer von Möglichkeiten

Genau wie Fallout 4 oder Skyrim ist auch Starfield mit Fraktionen, Geheimnissen und Nebenmissionen gespickt. Ihr könnt euch einer Piratenbande anschließen, als Hüter des Gesetzes auftreten oder als Weltraumkurier arbeiten. Schließt ihr euch einer Gruppierung an, bringt das Punkte bei deren Sympathisanten, aber gleichzeitig sinkt euer Ansehen bei der Opposition.

Obwohl Starfield nicht ganz die Einzigartigkeit von Fallout 4 oder Skyrim erreicht, bietet es dennoch ein ebenso unterhaltsames Spielerlebnis.

Und fast alles, was ihr in Starfield tut, kann Auswirkungen auf eine dieser Fraktionen haben. Und das bedeutet wiederum, dass jede eurer Entscheidungen auch den Spielverlauf beeinflusst.

Ship Interior (Starfield)

Manchmal sind es nur bestimmte Gesprächsoptionen, die auftauchen oder verschwinden. Es gibt auch Entscheidungen von größerer Tragweite, die darüber entscheiden, ob ihr bestimmte Quests zu Gesicht bekommt oder nicht. Mehrmaliges Durchspielen macht bei Starfield also definitiv Sinn.

Angesichts der zahlreichen Freiheiten im Spiel ist es leicht, den Überblick zu verlieren und sich plötzlich in Kaffee-Liefermissionen wiederzufinden, anstatt das Universum zu retten. Starfield ist daher weniger für Gamer geeignet, die eine straffe Erzählung bevorzugen. Wer jedoch Freude daran hat, sich in einer weitläufigen Spielwelt zu verlieren und Nebenquests zu erledigen, die länger dauern als eine gesamte Call of Duty-Kampagne, wird definitiv auf seine Kosten kommen.

Fazit: Obwohl Starfield nicht ganz die Einzigartigkeit von Fallout 4 oder Skyrim erreicht, bietet es dennoch ein ebenso unterhaltsames Spielerlebnis. Es vereint die besten Elemente der kultigen RPG-Hits und garniert das Ganze mit dynamischen Weltraumkämpfen sowie intensiver Ego-Shooter-Action.

Die unendlichen Weiten des Weltraums kann das Spiel nicht wirklich vermitteln und statt über 1.000 trostlose Planeten zu generieren, die fast alle gleich aussehen, hätte man sich lieber auf ein paar spannende, wirklich einzigartige Welten konzentrieren sollen.

Ansonsten leidet Starfield unter denselben Krankheiten wie andere Bethesda-Hits. NPCs sehen teilweise aus, als hätte das Spiel vergessen, wie man Gesichtstexturen lädt und es glitcht an allen Ecken und Enden. Bei unserem Playthrough flogen immer wieder mal Leichen oder andere Objekte davon, im Hintergrund spazierten Personen einfach zwei Meter über dem Boden oder standen im Weg herum, was das Durchqueren von Türen oder Erklimmen von Leitern zur Geduldsprobe machte.

Für ein Bethesda-Spiel erscheint Starfield aber bereits zum Launch überraschend ausgereift. Im Gegensatz dazu wirkten Skyrim und Oblivion zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung wie unfertige Betaversionen.

Starfield wurde am 6. September 2023 veröffentlicht und ist sowohl für PC als auch für Xbox Series X|S erhältlich.