Key Art (The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom)

Ich bin seit etwa 40 Jahren Gamer und The Legend of Zelda: Breath of the Wild gehört definitiv zu den Titeln, die mich am meisten begeistert haben. Ich habe es weit über 600 Stunden lang gespielt und sogar überteuerten Amiibo-Plastikmüll gekauft, weil man damit exklusive Boni im Spiel freischalten kann.

Dass man die Switch-Konsole mit ins Bett nehmen kann, war im Fall von BOTW verheerend für mich. Wochenlang war ich wie gerädert, weil ich regelmäßig bis in die frühen Morgenstunden in Hyrule unterwegs war.

Doch die Veröffentlichung von Breath of the Wild liegt bereits fünf Jahre zurück, und schon damals war Nintendos Meisterwerk nicht der hübscheste Titel. Als bekennende Grafikhure konnte ich die niedrig aufgelöste Matschoptik nur auf dem kleinen Switch-Display ertragen. Erst 2020 habe ich Breath of the Wild auf dem großen TV-Bildschirm genossen, und zwar über einen Emulator in 4K.

Und genau deswegen wollte ich The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom erst einmal liegen lassen. Im Jahr 2023 kann man doch keine Titel mehr spielen, die dem grafischen Standard zehn Jahre alter Handyspiele entsprechen!

Zumal ich mir sicher bin, dass ein 4K-Remaster von Tears of the Kingdom erscheint, sobald Nintendo seine neue Konsole auf dem Markt bringt. Gerüchten zufolge wird der Switch-Nachfolger noch im Sommer vorgestellt und spätestens im Frühjahr 2024 veröffentlicht. Ich habe fünf Jahre auf Tears of the Kingdom gewartet, da kommt es auf ein paar Monate mehr oder weniger auch nicht mehr an.

Doch dann lag das Spiel plötzlich im Briefkasten und ich wurde schwach.

Optische Katastrophe

Nach dem Start war ich regelrecht geschockt und das ist keine Übertreibung. Stellt euch vor, der weltweit beste Sternekoch bereitet euch das köstlichste Gericht aller Zeiten zu, das leider aussieht wie eine vollgeschissene Windel. Es schmeckt unglaublich lecker, aber bei seinem Anblick möchte man kotzen.

Fallen (The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom)

Genauso fühlt es sich an, The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom zu zocken. Die Grafik ist eine Katastrophe und erinnert an ein altes PS4-Spiel, das nicht mit dem Laden der Texturen hinterherkommt. Ist man unter freiem Himmel in der Natur unterwegs, ruckelt und flimmert das Ganze außerdem fröhlich vor sich hin.

Ich dachte zunächst, meine Switch sei defekt, da die Vegetation manchmal Grafikfehlern ähnelt und das Spiel trotzdem keine stabilen 30 fps auf die Reihe bekommt. Bei neuen PlayStation- und Xbox-Titeln darf man in der Regel wählen, ob man die Auflösung einer höheren Bildrate opfern möchte.

In Tears of the Kingdom kann man sich jedoch nicht für das kleinere Übel entscheiden, da sowohl die Auflösung als auch die Bildrate beschissen sind. Ich bin mir sicher: Hätte nicht Nintendo, sondern Electronic Arts Tears of the Kingdom entwickelt, wäre es sofort nach seiner Veröffentlichung in einer gigantischen Welle von Shitstorms untergegangen.

Spielerische Offenbarung

Warum man sich das Spiel trotzdem geben sollte? Ganz einfach: So schlecht die Grafik auch ist, so genial ist das Spiel selbst. Ich hätte nie erwartet, dass Nintendo in der Lage sein würde, den brillanten Vorgänger zu übertreffen, aber sie haben es geschafft.

The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom legt wirklich in allen Bereichen eine Schippe zu. Was das Team um Eiji Aonuma, Hidemaro Fujibayashi und Takuhiro Dohta hier abliefert, ist viel mehr als nur Breath of the Wild 2.

Was Vorgänger und Nachfolger grundsätzlich voneinander unterscheidet, ist die Vertikalität der Spielwelt. In Breath of the Wild konnte man bereits fast jedes Objekt erklimmen und mit einem Gleitschirm fliegen, aber durch die schwebenden Inseln in Tears of the Kingdom erreicht die Bewegungsfreiheit völlig neue Dimensionen. Außerdem gibt es geniale Spezialfähigkeiten, die das Gameplay besser und abwechslungsreicher machen.

Link, der Baumeister

Link erhält gleich zu Beginn die Telekinese-Fähigkeit und kann mit der Kraft seiner Gedanken nicht nur Gegenstände bewegen, sondern diese auch miteinander verbinden. Allein diese Fähigkeit eröffnet so viele Möglichkeiten bei der Lösung von Herausforderungen, dass es den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, alle aufzuzählen.

Aufstieg (The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom)

Beispiel: Link muss von einer schwebenden Insel zur nächsten gelangen, doch die Entfernung beträgt locker 150 Meter. Die Himmelskörper sind nur durch eine Schiene miteinander verbunden. Am Boden liegen Holzbretter und große Haken. Link könnte eines der Bretter mit zwei Haken verbinden und damit eine Art Gondel bauen.

Oder er könnte seinen Schild benutzen, um die Schienen per Railgrind zu überqueren. Er könnte aber auch einen Ventilator auf eine schwebende Steinplattform kleben und darauf zur anderen Insel gleiten.

Link stehen diverse Bauteile zur Verfügung, die nicht nur in der Botanik herumliegen, sondern auch erworben werden können. Unter anderem Ventilatoren, Raketen, Flammenwerfer, Räder, Kanonen und so weiter.

Diese lassen sich mit vielen Objekten in der Spielwelt kombinieren, was für das Bauen von Fahrzeugen unerlässlich ist. Fällt man Bäume, klebt die Stämme zusammen und packt einen Ventilator darauf, hat man ein Boot. Mit vier Rädern wird es zu einem Auto und selbst Fluggeräte können hergestellt werden.

Genial ist auch, dass man Links Waffen mit Umgebungsobjekten kombinieren darf. Klebt ihr einen Felsbrocken an einen Stock, wird daraus eine dicke Keule. Diese verursacht mehr Schaden und hilft dabei, brüchige Wände zu zerstören oder bestimme Physikrätsel zu lösen.

Das Crafting ist eigentlich simpel, aber ihr könnt extrem tief eintauchen und abgefahrene Dinge basteln. Dazu gehören auch bewaffnete Fahrzeuge und regelrechte Kampfmaschinen, doch dafür muss man bereits einige Zeit investiert und genügend Batterien gesammelt haben. Solche Maschinen benötigen nämlich Energie und je krasser das Gerät, desto größer sein Stromverbrauch.

So viele Möglichkeiten

Eine weitere Spezialfähigkeit, die wir lieben, heißt »Aufstieg«. Damit kann Link im wahrsten Sinn des Wortes durch die Decke gehen. Befindet sich ein Objekt, wie eine Plattform, eine Zimmerdecke oder eine schwebende Insel über euch, könnt ihr senkrecht emporschweben und das Objekt durchdringen.

Gleitschirm (The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom)

Diese Fähigkeit entpuppt sich in einer Spielwelt mit vielen vertikalen Erkundungsmöglichkeiten natürlich als Träumchen und selbstverständlich kommt sie auch bei diversen Umgebungsrätseln zum Einsatz. Dass man außerdem die Zeit zurückdrehen kann, erweitert die spielerischen Möglichkeiten zusätzlich.

Langer Rede, kurzer Sinn: Tears of the Kingdom bietet all die schönen Sachen, die bereits Breath of the Wild zu einem Meisterwerk gemacht haben und packt die coolen Features, welche ich weiter oben beschrieben habe als Sahnehäubchen obendrauf.

Nimmt den Spieler für voll

Man muss Nintendo ebenso zugutehalten, dass Tears of the Kingdom die Spieler wirklich ernst nimmt. In der riesigen Spielwelt stößt man immer wieder auf rätselhafte Spots oder subtile Unregelmäßigkeiten, die ihre Geheimnisse nur preisgeben, wenn man seine grauen Zellen anstrengt.

Dasselbe gilt für die großen Dungeons, genauer gesagt Tempel, die ihr durchqueren müsst, um die Geschichte voranzutreiben. Hier sind Rätsel noch Rätsel und nicht alles wird auf dem Silbertablett serviert. Natürlich gibt es gelegentlich simple Herausforderungen, aber sie dienen meist dazu, die Spieler auf viel komplexere Aufgaben vorzubereiten, die ähnlichen Regeln unterliegen.

The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom ist wie ein gigantisches Abenteuerland, das den Eindruck erweckt, nicht den üblichen Einschränkungen eines Videospiels zu unterliegen. Fast jedes Hindernis oder jede Herausforderung kann auf verschiedene Weise überwunden werden.

Ihr dürft eurer Kreativität freien Lauf lassen, wild herumexperimentieren und immer neue Lösungen entwickeln. Manchmal entdeckt man dabei superwertvolle Kniffe, die das Heldenleben dauerhaft vereinfachen.

Ein Beispiel dafür ist, dass die Haltbarkeit von zerbrechlichen Waffen erhöht werden kann, indem man sie mit bestimmten Gegenständen kombiniert. Wenn die Waffe zu zerbrechen droht, könnt ihr das Objekt entfernen und die Waffe hat wieder eine Haltbarkeit von 100 %.

Sonne (The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom)

The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom ist mein GOTY, auch wenn wir uns erst in der Jahresmitte befinden. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass 2023 noch ein weiterer Knaller dieses Kalibers erscheint.

Bekannte Mängel

Im Vergleich zu BOTW sind die Kämpfe abwechslungsreicher und die Boss-Battles noch epischer, aber während der spannenden Auseinandersetzungen wird ein Problem offensichtlich, dass es bereits beim Vorgänger gab: die überkomplizierte Steuerung.

Selbst nach 20 Stunden Spielzeit verdrücke ich mich immer noch im Eifer des Gefechts, weil diverse Buttons mehrfach belegt sind und für bestimmte Aktionen kombiniert werden müssen. Von einer intuitiven Steuerung kann man also auch bei Tears of the Kingdom nicht sprechen.

Viele Spieler bemängeln außerdem, dass die Story wenig kreativ ist und das ist noch höflich formuliert. ChatGPT könnte eine ähnlich interessante Geschichte in vier Sekunden aus dem Ärmel schütteln. Offen gestanden, stört mich das nicht, denn ein Spiel dieser Art benötigt keinen roten Faden, der die Geschichte zusammenhält.

Das spannende Gefühl, in einer fremden Welt unterwegs zu sein, wird durch die magere Erzählstruktur sogar noch intensiviert – ähnlich wie bei Shadow of the Colossus oder Dark Souls.

Fazit: The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom ist mein GOTY, auch wenn wir uns erst in der Jahresmitte befinden. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass 2023 noch ein weiterer Knaller dieses Kalibers erscheint.

Höchstwahrscheinlich kann dieses Meisterwerk nur von seinem eigenen Nachfolger übertroffen werden, und dessen Veröffentlichung liegt noch in weiter Ferne. Trotzdem ist TOTK kein Spiel für jedermann und wenn ihr schon mit The Breath of the Wild nichts anfangen konntet, wird euch der Nachfolger genauso kaltlassen.

The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom ist für Nintendo Switch erhältlich.