Key Art (Pentiment)

Kurz zusammengefasst ist Pentiment ein interaktiver Roman, oder besser gesagt eine Art Visual Novel mit Adventure-Elementen. Man steuert zwar eine Spielfigur und interagiert mit der Umgebung, doch hauptsächlich seid ihr mit Lesen beschäftigt. Das liegt an der Inszenierung, die den Eindruck erweckt, in einem alten Buch zu blättern.

Außerdem sind die Dialoge nicht vertont, was bedeutet, dass alle Gespräche über Sprechblasen geführt werden. In der heutigen TikTok-Welt ist die Zahl der Menschen, die so etwas attraktiv finden, vermutlich sehr gering.

Um zu wissen, ob Pentiment etwas für euch ist, müsst ihr euch nur diese eine Frage stellen: »Habe ich Bock auf interaktiven Geschichtsunterricht?« Falls ihr diese Frage mit Nein beantwortet, könnt ihr euch das Spiel direkt sparen.

Das klerikal-historische Abenteuer beginnt im Bayern des 16. Jahrhunderts, wo ihr in die Rolle des Künstlergesellen Andreas Maler schlüpft, der seine liebe Not damit hat, sein Meisterstück fertigzustellen. Er arbeitet in der Abtei Kiersau, genauer gesagt in der Schreibstube des Klosters, wo Bücher noch von Hand vervielfältigt werden, obwohl der Buchdruck längst das Ende solcher Skriptorien eingeläutet hat. Als ein befreundeter Mönch des Mordes beschuldigt wird, nimmt sich Andreas vor, dessen Unschuld zu beweisen und das ist alles, was wir zur Story verraten werden.

Gedächtnispalast (Pentiment)

In jeder Hinsicht einzigartig

Spielerisch ist Pentiment recht simpel gestrickt. Es gilt, verschiedene Orte zu besuchen, Mitmenschen zu befragen und unkomplizierte Rätsel zu lösen. Sämtliche Gesprächs- und Interaktionsmöglichkeiten sind mit Symbolen markiert, sodass euch nichts entgehen kann. Man könnte auch sagen, dass Andreas einen begrenzten Handlungsspielraum hat.

Der Fokus liegt nämlich auf den zahlreichen Gesprächen, die ihr im Laufe des Abenteuers führen werdet. Häufig stehen euch mehrere Antwortmöglichkeiten zur Verfügung, die den Spielverlauf mehr oder weniger stark beeinflussen.

Und weil es einen Tagesplan gibt, bleiben zwangsläufig bestimmte Aktivitäten unerledigt. Jeder Tag endet einmal, also müsst ihr die Zeit sinnvoll nutzen und herausfinden, wer oder was die meiste Aufmerksamkeit verdient. Themen, die ihr links liegen lasst, können genauso große Auswirkungen haben wie die Dinge, die ihr in Angriff nehmt.

Je mehr Orte man besucht, desto größer wird die Menge an Informationen, die man erhält, und desto größer wird auch die Zahl der Menschen, mit denen man in Kontakt tritt. Das macht es mit der Zeit immer schwerer, die richtige Entscheidung zu treffen.

Dialog (Pentiment)

Mit Wiki-Funktion

Ein absolut geniales Feature ist die intuitive Erklärfunktion. Wenn ihr in einem Dialog die Select-Taste betätigt, erhaltet ihr sofort weitere Informationen zu Begriffen, Namen und anderen gerade erwähnten Gesprächsdetails. Fällt der Name einer Person, wird sogar das Porträt eingeblendet.

So verliert ihr trotz der vielschichtigen Erzählung nie den Faden und lernt immer wieder etwas Neues. Oder wusstet ihr bereits, dass Christine de Pízan eine der renommiertesten Autorinnen Westeuropas und Hofschriftstellerin für drei Herzöge war? Einige der frühesten Werke, die sich für die Rechte der Frauen einsetzten, stammen aus ihrer Feder und das weiß ich nur, weil ich Pentiment gespielt habe.

Pentiment hat mich völlig in seinen Bann gezogen. Brava, Obsidian Entertainment!

Fazit: Das rund zwanzigstündige Epos ist geradezu mit Geschichte durchtränkt, ohne langweilig oder belehrend zu wirken. Vor Pentiment wusste ich nicht, dass es sich beim 16. Jahrhundert um eine der aufregendsten Epochen der Menschheitsgeschichte handelt. So viele religiöse, kulturelle und politische Veränderungen fanden damals statt! Etwa der Aufstieg des Protestantismus, der Siegeszug des Buchdrucks und die blutigen Bauernaufstände.

Feuer (Pentiment)

Pentiment greift viele dieser Themen auf und schafft es, sie sogar, Idioten wie mir zu vermitteln. Das Spiel hat die erstaunliche Fähigkeit, mich mit historischen Details auf so anschauliche Weise zu konfrontieren, dass ich mich nach dem Zocken nicht nur unterhalten, sondern auch schlauer fühle.

Auch die kunstvolle Inszenierung hat mich stellenweise sprachlos gemacht. Der handgekritzelte 2D-Look ist simpel, aber extrem ausdrucksstark und er unterstreicht die Stimmung perfekt. Ich glaube, dass ich diesem Meisterwerk mit meinem Test nicht gerecht werden kann, weil mir schlicht und einfach die geistige Kapazität dafür fehlt.

Wahrscheinlich habe ich viele der Anspielungen und kulturellen Verweise gar nicht wahrgenommen. Ich weiß nur eines mit hundertprozentiger Sicherheit: Pentiment hat mich völlig in seinen Bann gezogen. Brava, Obsidian Entertainment!

Pentiment ist am 15. November für PC und Xbox erschienen.