Poster (Avatar: The Way of Water)

Hat mir der erste Teil von Avatar gefallen? Sagen wir es mal so: Ich habe mir im November 2010 einen Panasonic-Fernseher gekauft, nur weil die 3D-Blu-ray von Avatar als exklusives Geschenk dabei war. Damals gab es nur die 2D-Version im freien Handel, und ich wollte den Film unbedingt noch einmal so erleben wie im Kino.

Avatar hat mich nämlich umgehauen, auch wenn die Geschichte nicht gerade neu oder besonders anspruchsvoll war. Für mich war das kein klassischer Film, sondern eher ein Großereignis, dem man beiwohnt – ähnlich wie bei einem schönen Feuerwerk oder einer Sonnenfinsternis.

Es ist wahr, dass der erfolgreichste Film aller Zeiten einfach nur die Plots von Der mit dem Wolf tanzt, FernGully und Pocahontas vermischt. Aber wen kümmert’s? Ist es nicht sogar vorteilhaft, bei einem solchen Fest der Sinne das Gehirn ausschalten zu dürfen?

Avatar 2 geht genau in die gleiche Richtung und versucht gar nicht erst, die Kritiker des ersten Films zu besänftigen. Von der ersten Minute an ist klar: Zuschauen, staunen und bloß nicht nachdenken!

Alles für die Familie

Der Ex-Marine Jake Sully befindet sich immer noch auf dem Planeten Pandora und lebt dort glücklich im Einklang mit der Natur. Als die bösen Angreifer von der Erde zurückkehren und erneut versuchen, Pandora und seine Bewohner zu unterjochen, entflammt der Kampf um die Freiheit ein weiteres Mal.

Kiri (Avatar: The Way of Water)

Doch Jake ist inzwischen Vater von vier Kindern, und um seine Familie nicht zu gefährden, beschließt er, aus dem Dschungel zu fliehen und in einem Küstendorf Asyl zu suchen.

Damit wären wir schon beim ersten WTF-Moment. Jake verlässt den Dschungel, um seine Sippe zu beschützen. Klingt nachvollziehbar. Offenbar hat er aber nicht bedacht, in welche Gefahr die Küstenbewohner geraten, wenn er sich bei ihnen versteckt, während schwer bewaffnete Invasoren nach ihm suchen.

Mehr werde ich aus Spoilergründen nicht verraten, aber die Geschichte von Avatar 2 ist gespickt mit solchen Logiklöchern. Natürlich spielt Realismus in einem Science-Fiction-Film über esoterische Öko-Blaulinge eine untergeordnete Rolle, aber wenn selbst grundlegende Handlungselemente nicht wirklich Sinn ergeben, fühlt man sich als Zuschauer etwas entkoppelt.

Im Vergleich zur Fortsetzung war Avatar 1 ziemlich einfach gestrickt. Neben der Liebesgeschichte stand die Rettung von Pandora im Vordergrund. Avatar 2 muss zusätzlich ein Familiendrama erzählen, mit weiteren Figuren jonglieren und noch mehr Metaphern für unseren schäbigen Umgang mit Mutter Erde transportieren. Langer Rede, kurzer Sinn: Diesmal ist die Geschichte nicht nur doof, sondern auch konfus.

Tulkun (Avatar: The Way of Water)

Best Eye Candy ever

Doch wie eingangs beschrieben, geht es bei Avatar nicht um die Story, sondern um die audiovisuelle Erfahrung. James Cameron hat sich für seine Fortsetzung keine 13 Jahre Zeit gelassen, um das weltweit beste Drehbuch zu verfassen, sondern um ein Spektakel auf die Leinwand zu zaubern, welches die Grenzen der Realität verschwimmen lässt.

Man sitzt vor der Leinwand und weiß, dass das Gezeigte nicht real ist und dass jede Sekunde dieses Films einem Heer von CGI-Profis graue Haare und schlaflose Nächte beschert hat. Es ist der totale Mindfuck, mehr als drei Stunden lang mit einem größtenteils computergenerierten Kunstwerk zu verbringen, das absolut real wirkt.

Während man bei Kassenschlagern wie Black Panther oder Thor: Love and Thunder genau erkennen kann, was real ist und was nicht, ist die Täuschung bei Avatar: The Way of Water perfekt. Ob eine unscheinbare Minikoralle im Hintergrund oder ein meterlanger Raubfisch, der sich der Kamera nähert und den Betrachter zu verschlingen droht – alles wirkt so echt, dass es geradezu verstörend ist.

Es würde mich nicht wundern, wenn James Cameron die vergangenen 12 Jahre rund um die Uhr vor den Bildschirmen gesessen und Bild für Bild nach entlarvenden Details abgesucht hätte, um sicherzustellen, dass jede Sekunde von Avatar 2 absolut real und nicht wie eine Videospiel-Zwischensequenz aussieht.

Lo’ak (Avatar: The Way of Water)

Das Ganze wirkt so spektakulär und bahnbrechend, dass es schwer vorstellbar ist, dass Avatar 3 die visuelle Kraft von The Way of Water erreichen oder gar übertreffen wird. Wobei ich mir wünschen würde, dass James Cameron in zukünftigen Teilen den Ethno-Kitsch-Faktor senkt, auf freundliche Wale mit Tribal-Tätowierungen verzichtet und die jüngeren Charaktere ihre Sätze nicht so oft mit »Bro!« beginnen.

Avatar: The Way of Water ist nicht nur eine einzigartige Erfahrung, sondern ein audiovisueller Triumph, der zumindest technisch jeden einzelnen Film da draußen in den Schatten stellt.

Fazit: Als ich nach 192 Minuten den Kinosaal verließ, war das wie ein Schock. Nach mehr als drei Stunden Reizüberflutung – einem verschwenderischen Rausch der Farben – wurde ich wieder mit dem tristen Grau des Alltags konfrontiert. Es war fast so, als müsste ich mein Gehirn erst einmal zurücksetzen und neu starten, um das Erlebte verarbeiten zu können.

Avatar: The Way of Water ist nicht nur eine einzigartige Erfahrung, sondern ein audiovisueller Triumph, der zumindest technisch jeden einzelnen Film da draußen in den Schatten stellt. James Cameron hat Bilder geschaffen, die jede Vorstellungskraft übersteigen und so beeindruckend sind, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt.

Ja, die Story ist hohl und die Figuren auch, aber trotzdem werde ich mir Avatar 2 noch einige Male zu Gemüte führen. Dieser Film ist wie ein Date mit einer Person, die sehr dumm, aber auch atemberaubend schön ist. Man nimmt das belanglose Geplapper gerne in Kauf, um den herrlichen Anblick genießen zu dürfen.

Avatar: The Way of Water ist seit dem 14. Dezember 2022 in deutschen Kinos zu sehen.