Key Art (A Plague Tale: Requiem)

A Plague Tale: Innocence bekam ja nicht nur von der Fachpresse viel Lob, aber ich muss gestehen, dass mich das Spiel nicht begeistern konnte. Warum? Viele gute Titel haben mich in den letzten Jahrzehnten mit kurzen, aber nervigen Stealth-Passagen konfrontiert.

Und das war völlig in Ordnung, denn diese Abschnitte waren in der Regel nicht lang genug, um meine Geduld überzustrapazieren. A Plague Tale 1 hingegen fühlte sich an, wie eine einzige große Schleichpassage und landete deshalb nach wenigen Stunden wieder im Regal.

Ich hatte also einige Vorbehalte gegenüber A Plague Tale: Requiem, aber nach nur 30 Minuten Spielzeit hing ich am Haken und wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Story, Setting und Spielmechanik erzeugen eine dichte und häufig auch beklemmende Stimmung, die den Spieler bis zum Finale an den Controller fesselt.

Der mittelalterliche Süden Frankreichs entpuppt sich als perfekte Kulisse, die mit allen Stimmungsfacetten spielt. Eben noch schlendert man durch eine ländliche Postkartenidylle, und keine drei Minuten später steht man knietief in verwesten Leichen, während eine lebende Wand aus Ratten auf einen zurollt.

Geschwisterliebe

Erneut schlüpfen wir in die Haut der tapferen Amicia, begleitet von ihrem kleinen Bruder Hugo, der immer noch an der mysteriösen Krankheit Macula leidet. Hugo quengelt übrigens nicht mehr so viel wie im Vorgänger, was definitiv eine Verbesserung darstellt.

Fest (A Plague Tale: Requiem)

Auf der Suche nach einem Heilmittel schleicht das Geschwisterpaar wie gehabt an Bösewichten vorbei, bahnt sich mit Feuer einen Weg durch lichtempfindliche Rattenschwärme und löst simple Rätsel. Allerdings gestalten sich diese Aktivitäten in Requiem deutlich abwechslungsreicher, weil mehr spielerische Möglichkeiten zur Verfügung stehen.

Amicia kann nicht nur mehr einstecken, sondern auch unter Tische kriechen, Gegner in Rattenschwärme stoßen und sie mit einer Armbrust oder einem Messer erledigen. Im Erstling fühlte ich mich häufig machtlos und war deshalb gefrustet, aber in A Plague Tale: Requiem darf ich ordentlich austeilen.

Dadurch verwandelt sich das Spiel aber in kein plumpes Action-Spektakel, denn der Fokus liegt weiterhin auf Stealth und der Vermeidung direkter Konfrontationen – auch, weil Ressourcen und Munition spärlich gesät sind. Diese Knappheit wiederum führt dazu, dass man jeden Winkel des Spiels nach Beute durchsuchen möchte, damit die Vorräte nicht zur Neige gehen.

Meinungsstarke Mitstreiter

Cool ist, dass Amicia von unterschiedlichen Charakteren begleitet wird, die man befehligen kann. Darunter auch ein Ritter, der sich mit seinem Schwert ins Getümmel stürzt oder eine Piratin, die Lichtquellen erzeugt und Feinde ablenkt.

Amicias Begleiter sind aber keine seelenlosen Erfüllungsgehilfen, sondern kommentieren das Geschehen regelmäßig, was der Atmosphäre sehr zuträglich ist. Lucas, der Alchemistenlehrling, zeigt sich zum Beispiel besorgt, wenn Amicia Gegner tötet, statt ihnen aus dem Weg zu gehen.

Burg (A Plague Tale: Requiem)

Auch beim Lösen von Rätseln sind die Gefährten hilfreich. Etwa wenn zwei verschiedene Kurbeln betätigt werden müssen, um einen Aufzug in Gang zu setzen, oder wenn es darum geht, in einer Fabrik Teer herzustellen und in Brand zu setzen, um eine Rattenhorde zu vertreiben.

Man wächst mit den Aufgaben

Die Spielwelt ist in viele Abschnitte aufgeteilt und meistens geht es darum, zum rettenden Ausgang zu gelangen. Der Weg dorthin ist mit Hindernissen, Fieslingen und jeder Menge der bereits erwähnten Ratten gespickt. Die Nager agieren wie eine Schwarmintelligenz und scheuen das Licht, also müsst ihr die Umgebung illuminieren, um nicht gefressen zu werden.

Anfangs könnt ihr Äste in Brand stecken und als Fackel nutzen, aber mit zunehmender Spieldauer entdeckt ihr immer neue Möglichkeiten, die Umgebung zu erhellen. Manchmal kann auch das Gegenteil hilfreich sein, z. B. wenn es darum geht, die Fackeln der Feinde zu löschen, damit sie den Ratten schutzlos ausgeliefert sind.

Allerdings wirkt die Levelarchitektur häufig etwas zu konstruiert. So als würde man sich in einem riesigen Escape-Room befinden, der nur dem Zweck dient, eine spielerische Herausforderung zu liefern. Dasselbe gilt für einige Rätsel, deren Lösungen so offensichtlich sind, dass sie zum reinen Selbstzweck verkommen.

Apropos: Manchmal genügt ein einziger Blick auf die Umgebung, um zu wissen, was als Nächstes zu tun ist, aber das Spiel zwängt dem Spieler erst einen Dialog oder eine Zwischensequenz auf, bevor man sich der offensichtlichen Lösung zuwenden darf.

Schiff (A Plague Tale: Requiem)

Ein episches Abenteuer

Keines dieser Mankos ist ein echter Motivationskiller, aber solche Details entscheiden darüber, ob man ein Spiel als Meilenstein bezeichnet oder eben nicht.

Wenn man panisch vor den Ratten flieht, während um einen herum eine gesamte Stadt in Schutt und Asche gelegt wird, möchte man am liebsten gleich das Game-of-the-Year-Banner auspacken. Dann kommt ein lahmes Rätsel oder ein blinder und tauber Wächter daher, um der Begeisterung einen Dämpfer zu verpassen.

A Plague Tale: Requiem ist trotzdem ein packendes und originelles Abenteuer, weil es die Schauwerte eines AAA-Blockbusters bietet und sich trotzdem unkonventionell anfühlt. Die Story ist spannend und aufwendig erzählt, auch wenn einige Zwischensequenzen etwas weniger Drama und Pathos vertragen hätten. Die Protagonisten werden mit so viel Bösartigkeit und Leid konfrontiert, dass man gar nicht anders kann, als mitzufühlen und mitzufiebern.

Die Wahrheit ist, dass ich von Requiem so begeistert war, dass ich dem Vorgänger jetzt eine weitere Chance gebe.

Fazit: Viele der Umgebungen sind zu konstruiert und die meisten Rätsel anspruchslos; als Gesamtpaket funktioniert das mittelalterliche Stealth-Drama jedoch wunderbar. Macht A Plague Tale: Requiem auch Spaß, wenn man den Vorgänger nicht gespielt hat? Auf jeden Fall!

Wie in der Einleitung erwähnt, habe ich den Erstling nie beendet und fühlte mich keineswegs benachteiligt. Die Wahrheit ist, dass ich von Requiem so begeistert war, dass ich dem Vorgänger jetzt eine weitere Chance gebe.

A Plague Tale: Requiem ist seit dem 18. Oktober für Nintendo Switch (Cloud Version), PC, PlayStation 5, und XBox Series X|S erhältlich.