Ein Videospiel, das euch in die Haut eines bayerischen Künstlergesellen schlüpfen lässt, der im 16. Jahrhundert in eine Mordserie verwickelt wird? Wie kommt man denn auf so eine abgefahrene Idee?
Wahrscheinlich kann niemand diese Frage besser beantworten als Josh Sawyer, der bei der Entwicklung von Pentiment federführend und ein echtes Urgestein der Branche ist. Als Obsidians Design Director war er unter anderem für die preisgekrönten Kultspiele Fallout: New Vegas und Pillars of Eternity verantwortlich.
Josh bezeichnet Pentiment (zu Deutsch: Buße) als ein narratives Adventure, das sich über 25 Jahre erstreckt und eine Mordserie in dem Kloster Kiersau nahe der Kleinstadt Tassing thematisiert. Um die Verdächtigen zu ermitteln und das Geheimnis hinter den Morden zu lösen, muss Künstlergeselle Andreas seinen Verstand und Instinkt einsetzen.
Andreas wurde als Protagonist ausgewählt, weil er, obwohl er für die Abtei arbeitet, wie ein einfacher Bürger in der Stadt lebt. Er ist ein Außenseiter in beiden Welten: der religiösen und der weltlichen. Das macht ihn als Helden so spannend.
Die Kunst der Videospiele
Aufgrund der Thematik hat Obsidian einen ungewöhnlichen Grafikstil gewählt, der die Epoche perfekt widerspiegelt. Das Design von Pentiment erinnert an antike Holzschnitte und Buchillustrationen. In einer Zeit, in der die meisten Studios versuchen, einander mit immer realistischeren Grafiken zu übertreffen, wirkt Pentiment geradezu anachronistisch.
Nicht der finanzielle Erfolg steht hier im Mittelpunkt, sondern das Streben, bedeutende Videospielkunst zu erschaffen.
Daher könnte man meinen, dass es äußerst schwierig war, dem Mutterkonzern Microsoft ein derart ausgefallenes Konzept schmackhaft zu machen. Tatsächlich war aber das Gegenteil der Fall:
»Glücklicherweise war das Spiel intern weit genug fortgeschritten und wir konnten bereits etwas Substanzielles präsentieren. Die künstlerische Leitung, Hannah Kennedy, hat den einzigartigen Look so gut umgesetzt, dass unsere kreative Vision auf den ersten Blick erkennbar war. Anstatt ihnen also nur zu sagen, was wir tun, haben wir ihnen gezeigt, was wir tun.«
Pentiment lässt sich am ehesten mit Spielen wie Night in the Woods, Oxenfree und Mutazione vergleichen. Ihr spaziert durch eine wunderschöne Welt, sprecht mit Leuten, trefft Entscheidungen und werdet mit den Konsequenzen eures Tuns konfrontiert.
Es ist definitiv kein Spiel für die breite Masse und deshalb finden wir es umso schöner, dass Microsoft den Entwicklern den Rücken stärkt. Nicht der finanzielle Erfolg steht hier im Mittelpunkt, sondern das Streben, bedeutende Videospielkunst zu erschaffen.
Spannend finden wir, dass man die Morde in Pentiment auch »falsch« aufklären kann. Ihr sammelt Hinweise, unterhaltet euch mit Zeugen und bezichtigt letztlich die Person, die ihr für schuldig haltet. Wenn aufgrund eurer Fehler die falsche Person hingerichtet wird, läuft die Geschichte natürlich anders weiter, als wenn ihr den wahren Schuldigen aufs Schafott schickt.
Back to the Roots
Übrigens ist es kein Zufall, dass Bajuwaren-Kloster des 16. Jahrhunderts als Schauplätze dienen. Josh Sawyer hat in seiner eigenen Familiengeschichte gebuddelt, denn seine Großmutter väterlicherseits wurde in der Nähe von Kempten geboren und der Rest seiner Familie kam ebenfalls aus Deutschland in die USA.
»Am weitesten zurückverfolgen konnte ich einen Ahnen namens Michael Sayer, der 1590 in Wien geboren wurde. Seine Familie ließ sich um 1610 in Baden-Württemberg nieder. Wenn ihr also irgendwelche Sayers in dieser Gegend kennt, sind wir wahrscheinlich verwandt«, verrät uns Josh.
Pentiment erscheint vorerst nur digital, aber da draußen gibt es viele Spieler, die sich über eine physische Sonder-Edition mit kunstvollen Extras freuen würden. Joshs Antwort darauf:
»Wir haben viele Anfragen für eine physische Version erhalten und angesichts des künstlerischen Schwerpunkts des Spiels ist das auch naheliegend. Ich würde eine physische Version für die Zukunft also nicht ausschließen.«
Pentiment erscheint im November für Xbox und PC und ist ab dem ersten Tag mit Game Pass verfügbar.