Key Art (Scout)
© Oink Games

Mitte Juli wird der wichtigste Brettspielpreis der Welt, das »Spiel des Jahres« vergeben, mittlerweile übrigens bereits zum 44. Mal. Nominiert ist neben dem Partyspiel Top Ten und dem Plättchenlege-Abenteuer Cascadia auch ein Kartenspiel in sehr kleiner Schachtel. Scout heißt das Werk des japanischen Autors Kei Kajino.

Was zunächst überraschend klingt, ist für viele Insider gar nicht so abwegig. Immerhin erschien Scout bei Oink Games, dem Verlag von Kajinos äußerst kreativem Landsmann Jun Sasaki.

Dieser hat bereits einige hochgelobte Mikrospiele wie Tiefseeabenteuer, Insider oder A Fake Artist Goes to New York veröffentlicht. Nun steht also endlich einmal ein kleines Spiel aus dem Hause Oink im ganz großen Rampenlicht.

Nüchtern betrachtet, ist Scout ein Kartenablegespiel, bei dem es darum geht, immer bessere Zahlenkombinationen als der Vordermann oder die Vorderfrau abzulegen. Gelingt dies, bekommt man die jeweils ausliegenden, gerade überbotenen Karten, von denen am Ende der Runde jede einen Punkt wert ist.

Man kann einzelne Karten, mehrere gleichen Werts (beispielsweise 1-1-1 oder 3-3) oder als Straße (1-2 oder 4-5-6) wie beim Pokern ablegen. Dabei sind Karten mit höheren Werten immer besser als niedrigere, mehr Karten immer wertvoller als weniger und gleiche Werte immer stärker als Straßen.

Grundsätzlich klingt das sehr einfach und Scout wäre auch total unspektakulär, wenn es nicht drei oder vier äußerst clevere Regeln gäbe, welche das Spiel besonders machen.

Umdrehen oder nicht?

Erstens darf die Reihenfolge der Karten nach dem Aufnehmen nicht mehr verändert werden. Ältere kennen das vielleicht noch von Bohnanza und Spezialisten von Krass kariert, das ein indirekter Vorläufer von Scout sein dürfte.

Spielszene (Scout)
© Oink Games

Zweitens und dies ist ein wirklicher Clou, gibt es auf jeder Karte zwei Werte, oben und unten. Am Anfang darf man zwar die Reihenfolge der Kartenhand nicht verändern, wohl aber darf man entscheiden, ob man mit den oberen oder unteren Zahlen losspielen möchte. Man kann seine Kartenhand also einmal umdrehen, was eine sehr knifflige Entscheidung und eigentlich auch eine ganz neue Form des Karten-Draftings darstellt.

Drittens dürfen nur Karten, die nebeneinander gehalten werden, zusammen ausgespielt werden, und viertens gibt es ein paar Regeln, nach denen man sich bereits ausliegende Karten aus der Mitte nehmen und diese bei sich nach Belieben in die Kartenhand einsortieren darf. Diese Karten werden »gescoutet«.

Da stellt sich dann eine logische Frage: Warum nennt man das Wegnehmen hier »scouten« und hat das ganze Spiel gleich mal danach benannt?

Notgedrungen und gegen meinen Willen, weil ich Scout für komplett abstrakt halte, muss ich jetzt doch was zur Thematik des Spiels sagen: Wir Spielerinnen und Spieler betreiben jeweils einen Zirkus, die Nummernkarten sind Artisten und die Zahlenkombinationen, die wir auslegen, sind Zirkus-Vorführungen. Je mehr und bessere Karten kombiniert werden, desto bombastischer ist unsere Show.

Klingt unerwartet und ist auch vollkommen belanglos fürs Spielerlebnis, wenngleich die Jury des »Spiel des Jahres« gutmütig schreibt:

»Dass diese Bilder [der bunten Zirkuswelt] nur in unserem Kopf entstehen und auf den Zahlenkarten nicht optisch aufgegriffen werden, tut dem Spielspaß dabei keinen Abbruch.«

Wie heißt es in einem solchen Fall frei nach Helmut Schmidt? Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen! Bei mir entstehen solche Bilder im Kopf nämlich nicht und bei den Mitspielerinnen und Mitspielern auch nicht.

Aber das macht eh nichts, denn Scout hat trotz des fehlenden Themas bislang immer alle begeistert. Das Spiel ist richtig gut, ein wirkliches Highlight unter den Hunderten Kartenspielen, die jedes Jahr auf den Markt kommen.

Verpackung (Scout)
© Oink Games

Obwohl Scout recht einfache Regeln hat, ist es nicht so leicht zu durchschauen, und auch nach weit über einem Dutzend Partien kommen mir noch immer neue Gedanken.

In den ersten Runden wundert man sich noch, wie man überhaupt lange Kartenreihen fabrizieren soll. Das geht doch nur mit ganz viel Glück, oder? Später lernt man, dass dem nicht so ist, insbesondere wenn zu viert oder fünft gespielt wird.

Das Scouten ist der entscheidende Mechanismus und ein einmaliger Doppelzug (»Scout & Show«) erlaubt erstaunliche Aneinanderreihungen von Karten. Zwischendurch lernt man noch einiges übers Aussieben von störenden Karten und längeres Sammeln – alles Aspekte des Spiels, die einem erst nach ein paar Partien aufgehen. Da stimme ich dann sogar in die Jubelarie der Jury mit ein, welche schreibt:

»Die Emotionen schlagen Salto, wenn es einem gelingt, die Kartenhand geschickt vorzubereiten und im richtigen Moment die perfekte Show abzuliefern.«

Genau so ist es.

Fazit: Scout ist ein wunderbares kleines Spiel, welches es verdient, von möglichst vielen Spielerinnen und Spielern entdeckt zu werden. Außerdem sieht es erwachsener und interessanter aus als die kleinen Spiele von Amigo oder Schmidt.

Das Spiel ist richtig gut, ein wirkliches Highlight unter den Hunderten Kartenspielen, die jedes Jahr auf den Markt kommen.

Zu dritt läuft Scout schon rund, richtig gut und spannend ist es zu viert oder fünft. Einzig als Zwei-Personen-Spiel kann ich es nicht empfehlen.

Scout von Kei Kajino, Oink Games, 2–5 Personen ab 9 Jahren, ca. 20 Euro.