Key Art (Vampire: The Masquerade – Swansong)

Die altehrwürdige Tabletop-Vorlage habe ich nie kennengelernt, weil mir das Gefummel mit Würfeln, Regelwerk und Notizengekritzel schon immer zu nerdig war. Ich halte Pen-&-Paper-Fans für die Beamtenspießer unter den Rollenspielern und scheue mich nicht, dies öffentlich zu machen!

Meine Aufmerksamkeit erregte Vampire: Die Maskerade deshalb erst mit dem Release des PC-Spiels Vampire: The Masquerade – Redemption im Jahr 2000. Ein ganz okayes Third-Person-Action-RPG, aber nicht der erhoffte große Wurf.

Umso geiler fand ich das 2004 veröffentlichte Vampire: The Masquerade – Bloodlines. Es war mein erstes Vampir-RPG-Erlebnis aus der Egoperspektive und ließ sogar die von mir geliebte Legacy of Kain-Reihe weit hinter sich. Noch heute erinnere ich mich an viele geniale Momente aus dem Meisterwerk von Troika Games.

Das Studio wurde übrigens von Leonard Boyarsky, Jason Anderson und Tim Cain gegründet, die unter anderem an der Geburt der Fallout-Serie beteiligt waren. Leider lag Bloodlines damals wie Blei in den Regalen, da es zum Verkaufsstart nicht nur extrem buggy war, sondern auch zeitgleich mit Half-Life 2, Halo 2, and Metal Gear Solid 3: Snake Eater erschien.

Ich halte Bloodlines für ein unterschätztes Meisterwerk und warte seit 18 Jahren auf einen Nachfolger, der von Paradox Interactive bedauerlicherweise regelmäßig verschoben wird. Noch schlimmer finde ich aber, dass die bereits gezeigten Spielszenen ziemlich mittelmäßig wirken und deshalb kam mir Vampire: The Masquerade – Swansong von Big Bad Wolf Studio gerade recht.

Team (Vampire: The Masquerade – Swansong)

Es unterscheidet sich spielerisch stark von Bloodlines 2, das im Bereich der Open-World-Action-Rollenspiele angesiedelt ist, während Swansong den Spieler durch klar abgesteckte Areale schickt, wo Rätsel gelöst, Unterhaltungen geführt und Informationen gesammelt werden müssen.

Der Sprung ins kalte Wasser

Der Spieleinstieg ist etwas verwirrend, wenn man kein Kenner der Materie ist. Die Welt von Vampire: The Masquerade hat eine reichhaltige Historie mit unzähligen Eigenheiten, die mir natürlich völlig fremd sind. Ein Bekannter von mir, der Fan des Pen-&-Paper-Originals ist, empfand das völlig anders und war begeistert über die vielen Referenzen.

Trotzdem hat er einiges nicht verstanden, da es nur englische Sprachausgabe gibt und er mit dem Lesen der deutschen Untertitel nicht hinterherkam. Zudem werden während der langen Dialogsequenzen immer wieder Hinweise eingeblendet, welche ebenfalls Aufmerksamkeit erfordern.

Das Fiese ist, dass man gezwungen ist, die langatmigen Dialoge zu ertragen, denn ihr könnt Geschwafel nur skippen, wenn ihr es bereits durchlitten habt. Kurz: Jedes neue Gespräch zwingt euch dazu, vor dem Bildschirm auszuharren und die altbackenen Gesichtsanimationen zu bewundern. Dazu kommt noch, dass es unterschiedliche Dialogoptionen und entsprechende Skills gibt, die den Verlauf beeinflussen.

Zur Sache, Schätzchen

Jetzt habe ich euch bereits mit tonnenweise Text bombardiert, ohne die Spielbarkeit zu beleuchten. Kommen wir also zum Eingemachten! Vampire: The Masquerade – Swansong spielt in Boston, wo eine Zusammenkunft in einem unfreiwilligen Blutbad endet und dafür verantwortlich ist de … okay, das werde ich aus Spoilergründen lieber nicht verraten.

Zähne (Vampire: The Masquerade – Swansong)

Jedenfalls wird das Helden-Trio, bestehend aus Leysha, Emem und Galeb, von Prinz Iversen herbeigerufen, um der Sache detektivmäßig und mit viel Fingerspitzengefühl auf den Grund zu gehen. Schließlich gibt es unterschiedliche Kasten und Interessengruppen, denen man nicht auf die Füße treten möchte.

Ihr bewegt euch nun durch eintönige Umgebungen, sucht diese nach Hinweisen ab und löchert mehr oder weniger interessante Figuren mit euren Fragen. Gewalt ist tabu und damit wären wir schon beim großen Alleinstellungsmerkmal des Spiels: Es gibt keine Kämpfe. Okay, das stimmt nicht ganz, denn in Zwischensequenzen finden durchaus vampirische Auseinandersetzungen statt, aber ihr dürft eben nicht spielerisch daran teilnehmen.

Vampires suck

Zubeißen ist dennoch erlaubt, und zwar um Blut zu saugen, um eure Leiste für Vampirfähigkeiten zu füllen. Leider ist auch das langweilig inszeniert, weil sich eure Opfer nicht wehren und ihr einfach nur im richtigen Moment den »Trink«-Button loslassen müsst. Saugt ihr zu lang, stirbt eure wandelnde Blutbank und das Misstrauen euch gegenüber steigt.

Auch wenn das Bloodsucking-Minispiel öde ist und euch die immer selbe Animation präsentiert, müsst ihr es ständig wiederholen, schließlich benötigen eure Helden eine prall gefüllte Leiste, um problematische Gespräche zu meistern, versteckte Gegenstände zu entdecken und so weiter.

Ihr schlüpft abwechselnd in die Rollen von Leysha, Emem und Galeb, die unterschiedliche Fähigkeiten mitbringen. Emen kann an bestimmten Stellen sehr weit springen, Galeb sieht Dinge, die anderen verborgen bleiben und Leysha schlüpft wie Hitman-Agent 47 in verschiedene Rollen. Dazu gesellen sich noch Umgebungsrätsel, die stellenweise geradezu albern sind und die bereits erwähnten Schwafelmarathons.

Einbruch (Vampire: The Masquerade – Swansong)

Laber Rhabarber

Setzt ihr Fähigkeiten im Gespräch ein, kostet das Punkte und der Blutdurst steigt. So müsst ihr euer Gegenüber einschüchtern oder andere Überzeugungsarbeit leisten, um an die benötigten Informationen zu kommen.

Sinken die Zähler auf null, können bestimmte Aufgaben nicht mehr gelöst werden. Dann gilt es, das langweilige Saugespiel zu wiederholen, bis das Blutkonto wieder gefüllt ist und dann wird erneut gelabert, bis die Ohren bluten.

Wer das Pen-&-Paper-Original liebt, wird sicher auch mit Vampire: The Masquerade – Swansong viel Spaß haben.

Fazit: Wer bisher kaum Kontakt zur Welt von Vampire: The Masquerade hatte, wird sich schwertun, in die Geschichte von Swansong einzutauchen. Das Spiel gibt sich sehr wenig Mühe, Neulinge in seinen Bann zu ziehen.

Zudem habe ich null Zugang zu den drei spielbaren Charakteren gefunden. Es ist, als hätten sie keine Persönlichkeit, aber möglicherweise liegt das einfach an ihrer starren Mimik. Generell wirken Leveldesign und Animationen wie aus dem vergangenen Jahrzehnt.

Die Story soll etwa 20 Stunden Spielzeit in Anspruch nehmen, aber ich hatte bereits nach sechs Stunden keinen Bock mehr. Fans der Tabletop-Vorlage scheinen das Game aber zu mögen und deshalb gilt mehr denn je: Wer das Pen-&-Paper-Original liebt, wird sicher auch mit Vampire: The Masquerade – Swansong viel Spaß haben. Alle anderen sollten die Finger davon lassen.

Vampire: The Masquerade – Swansong ist am 19. Mai 2022 für Nintendo Switch, PC, PlayStation 4, PlayStation 5, Xbox One und Xbox Series X|S erschienen.