Cover Art (Pandemic)
© Z-Man Games/Asmodee

Ein »Kennerspiel des Jahres« richtet sich an erfahrene Spielerinnen und Spieler, die nach einem Spielerlebnis suchen, welches etwas intensiver und involvierter ist als bei einem familientauglichen »Spiel des Jahres« wie MicroMacro: Crime City (2021) oder Pictures (2020).

Die Regeln dürfen bei einem solchen Erlebnis für Kennerinnen und Kenner dann auch gerne mal ein wenig komplexer sein, ohne allerdings ins unnötig Komplizierte abzudriften. Das kooperative Steinzeit-Abenteuer Paleo hat diesen Spagat zwischen herausforderndem Spiel und genügend Leichtigkeit perfekt hinbekommen, auch für uns war es im vergangenen Jahr 2021 ein würdiger Preisträger.

Habt ihr Paleo ebenfalls rauf und runter gespielt, alle Module kombiniert und ausgetestet und mit eurem Stamm gefühlt alles gesehen, was die Steinzeit zu bieten hat? Dann ist es jetzt vielleicht an der Zeit für ein neues kooperativen Abenteuer.

Es gibt in diesem Genre noch so viel zu entdecken jenseits kinderfreundlicher, aber für Erwachsene irgendwie auch unbefriedigende Spiele wie Zombie Teenz Evolution oder Die Abenteuer des Robin Hood.

Für euren nächsten Spieleabend möchten wir euch fünf kooperative Spiele ans Herz legen, die sich hervorragend für Erwachsenen-Runden eignen oder für das Spiel mit Teenagern und älteren Kindern. Vom modernen Klassiker über einen erzählerischen Trendsetter bis zum narrativen Krimi-Meisterwerk ist für jeden Geschmack etwas dabei.

Pandemic

Früher hieß Pandemic hierzulande noch Pandemie, somit passt das Spiel natürlich perfekt in unsere Zeit. Allerdings sind auch schon alle Witze zu dem Thema gemacht, sodass wir uns auf das Spiel an sich konzentrieren können.

Denn auch ohne Covid-19 wäre Pandemic auf jeder Liste der besten kooperativen Spiele gelandet. Es handelt sich immerhin um ein Spiel, welches neben Catan, Carcassonne, Zug um Zug und ganz wenigen anderen Titeln zu den modernen Klassikern des Hobbys zählt.

Die Spielerinnen und Spieler sind in Pandemic als Angehörige einer Spezialeinheit für Seuchenbekämpfung auf dem ganzen Globus unterwegs. Es gilt, sehr eng und gut koordiniert zusammenzuarbeiten, um die Infektionsgefahren einzudämmen und rechtzeitig Gegenmittel zu erfinden.

Karten (Pandemic)
© Z-Man Games/Asmodee

Arzt, Forscherin und Logistiker haben jeweils unterschiedliche Stärken und werden nur gemeinsam erfolgreich sein. Die offensichtliche Ironie, dass zumindest im realen Leben nicht sofort alles besser wird, sobald Gegenmittel, also etwa Impfstoffe, zur Verfügung stehen, sorgt natürlich für eine unterhaltsame Metaebene beim Spielen und viele fragwürdige Kalauer.

Kaum ein Spiel ist thematisch so überzeugend wie Pandemic und zieht eigentlich jede Spielgruppe in seinen Bann. Wer es noch etwas intensiver, allerdings auch regelintensiver, mag, kann nach ein paar Partien Pandemic auf diverse Pandemic Legacy-Spiele umsteigen. Nötig ist das aber nicht, Pandemic überzeugt auch nach fast 14 Jahren noch vollumfänglich.

Pandemic von Matt Leacock, Z-Man Games/Asmodee, für 2-4 Personen ab 8 Jahren.

Die Crew

Die Crew ist ein schöner Titel für ein kooperatives Spiel, insbesondere wenn es darum geht, gemeinsam ins Weltall beziehungsweise in die Tiefen des Ozeans zu reisen. Doch so ganz harmonisch, wie man vermuten könnte, verlaufen Die Crew: Reist gemeinsam zum 9. Planeten und der Nachfolger Die Crew: Mission Tiefsee nicht immer.

Beide Spiele haben sich als kooperative Stichspiele binnen kürzester Zeit einen guten Namen gemacht. Es geht darum, durch taktisch kluges und optimal getimtes Ablegen von Karten immer komplizierter werdende Missionen zu erfüllen.

Die Grundprinzipien klassischer Stichspiele, also so etwas wie Trumpffarben, Bedienzwang, Nullspiele etc., sollten alle am Tisch verstehen. Wer damit Probleme hat, sabotiert auch mal ganz schnell die Gruppe und zieht sich den Unmut der eben noch so netten Crewmitglieder zu.

Sind alle im Flow, geht es hinein in die unendlichen Weiten des Weltalls und die dunkelsten Tiefen unserer Meere und die Stunden Vergehen wie im Fluge beziehungsweise wie bei einer spannenden Tauchpartie.

Die Crew: Reist gemeinsam zum 9. Planeten wurde 2020 zum »Kennerspiel des Jahres« gekürt, eine Auszeichnung, die es 2008 zur Veröffentlichung von Pandemic übrigens noch gar nicht gab.

Die Crew: Mission Tiefsee erschien 2021. In Sachen Spielspaß nehmen sich die beiden Spiele nichts und zudem wären sie in Sachen Preis-Leistungs-Verhältnis die besten Spiele auf dieser Liste, … wenn es The Game nicht gäbe.

Die Crew: Reist gemeinsam zum 9. Planeten und Die Crew: Mission Tiefsee von Thomas Sing, Kosmos, für 3-5 Personen ab 10 Jahren.

The Game

The Game passt in eine dieser kleinen Kartenspielschachteln und ist meist schon für um die zehn Euro erhältlich. Ein Unboxing-Video wäre denkbar unspektakulär, befinden sich in der Schachtel doch lediglich 98 Zahlenkarten, die von zwei bis 99 durchnummeriert sind, sowie vier Karten mit Pfeilen.

Das Spielprinzip ist ebenfalls einfach: Wer dran ist, muss mindestens zwei Karten in auf- oder absteigender Reihe auf einen oder mehrere von vier Stapeln legen, Lücken dürfen entstehen.

Das Team gewinnt zusammen, wenn es gelingt, alle Zahlenkarten abzulegen, was natürlich gar nicht so leicht ist, da alle Mitspielerinnen und Mitspieler immer nur ein paar Karten auf der Hand haben und nach dem Ablegen nachziehen. Erschwerend kommt die wichtigste Regel des Spiels hinzu: Niemand darf konkrete Zahlenwerte aussprechen, wenn sich das Team abspricht und berät.

The Game
© NSV

Es geht also darum, mehr oder weniger zu erahnen, was die anderen in den kommenden Zügen planen und sicherzustellen, dass auch der oder die nächste noch Karten ablegen kann. Denn sobald eine Person »feststeckt« und keine Karten mehr loswird, ist die Gruppe gescheitert und alle haben verloren.

Mittlerweile gibt es eine Reihe an Varianten von The Game, sogar eine konfrontative namens The Game: Face to Face. Das Originalspiel ist aber weiterhin der beste Einstieg in die Spiele-Familie.

The Game von Steffen Benndorf, NSV, für 1-5 Personen ab 8 Jahren.

Die Legenden von Andor

Apropos Spiele-Familie; sucht man auf der Webseite des Kosmos Verlags nach »Andor«, werden einem ganze 26 Produkte angezeigt. Produkte wohlgemerkt, nicht bloß Spiele.

Denn neben dem »Kennerspiel des Jahres 2013« Die Legenden von Andor mitsamt diverser Erweiterungen und Ableger gibt es Bücher (für Kinder und Erwachsene), Hörbücher und – ganz neu – ein Comic. Besonders empfehlenswert ist neben dem Original übrigens noch das Kinderspiel Andor Junior.

Die Legenden von Andor
© Kosmos

Doch um Kinderspiel und Erweiterungen geht es an dieser Stelle nicht, sondern um Die Legenden von Andor, ein Spiel, welches bei seiner Veröffentlichung 2012 für Furore in der Spieleszene sorgte. So etwas hatte es hierzulande noch nicht gegeben: ein narratives Brettspiel, in dem eine Gruppe von Helden fünf Abenteuer, genannt Legenden, durchstehen muss.

Neu war zudem, dass die Helden das Spielbrett fast wie bei einem Open-World-Abenteuer nach Lust und Laune durchstreifen konnten. Es gab zwar durchnummerierte Felder, doch auf diesen konnte man sich frei bewegen. Wie gesagt, so etwas gab es vorher noch nicht, und schon gar nicht bei einem »Familienverlag« wie Kosmos.

Das Spiel ist auch heute noch spannend und anders als vor rund zehn Jahren muss man nicht jeweils ein Jahr warten, um neue Legenden spielen zu können. Es gibt ja bereits unzählige Veröffentlichungen. Wer ein Kampagnen-Spiel »Bingen« möchte, kommt hier voll auf ihre oder seine Kosten.

Spielszene (Die Legenden von Andor)
© Kosmos

Alleine, dass es so viele Andor-Produkte gibt, spricht ja für die Qualität des Spiels. Welches Brettspiel hat eine Dekade nach seinem Erscheinen schon eine Community, die selbst Comics zum Spiel kauft?

Die Legenden von Andor von Michael Menzel, Kosmos, für 2-4 Personen ab 10 Jahren.

Detective: Ein Krimi-Brettspiel

Die Legenden von Andor war in unseren Breiten das erste extrem erfolgreiche Brettspiel, welches sich nach Open World angefühlt hat und auch eine wirklich interessante Geschichte erzählte. Im Lande des »Tatorts« musste das dann ja irgendwann zu einem Krimi-Brettspiel führen.

Allerdings, das sollten wir hier unbedingt festhalten, stammt dieses letzte Spiel auf unserer Liste gar nicht aus Deutschland, sondern von unserem östlichen Nachbarn. Anscheinend haben die Polen ebenfalls einen Fimmel für Krimis!

Das Spiel wurde von Ignacy Trzewiczek und seinem Team entwickelt und hat es in sich. Fünf intensive Fälle gilt es zu lösen. Die Spielerinnen und Spieler sind als Ermittler unterwegs in Richmond, Virginia und können eigentlich machen, was sie wollen: im Hauptquartier recherchieren, im Labor Untersuchungen anstellen oder »in freier Wildbahn« ermitteln.

Allerdings haben sie nicht unbegrenzt viel Zeit. Unerbittlich tickt die Uhr herunter, allzu viele Überstunden dürfen nicht eingereicht werden und viele Spuren verlaufen im Sande. Wer clever kombiniert, auch mal etwas riskiert und sich nicht vom Hundertsten ins Tausendste verliert, hat die besten Chancen, die vertrackten Fälle zu lösen.

Detective: Ein Krimi-Brettspiel
© Pegasus Spiele/Portal Games

Detective: Ein Krimi-Brettspiel kombiniert narratives Spiel, bei dem es sehr viel vorzulesen gibt, und freies Ermitteln, bei dem es auf logisches Kombinieren ankommt, mit einer digitalen Komponente. Die Ermittler haben nämlich Zugriff auf eine Polizeidatenbank, in der Informationen lagern, DNA und Fingerabdrücke abgeglichen werden können und ohne welche die Fälle nicht gelöst werden können.

Das macht dieses Spiel besonders, allerdings auch besonders herausfordernd. Einen richtig entspannten Abend verlebt man mit Detective nicht, dafür fühlt man sich wie mitten in einem amerikanischen Krimi, der eine generationen- und länderübergreifende Geschichte erzählt.

Wie bei Pandemic, Die Crew, The Game und Die Legenden von Andor gibt es mittlerweile weitere Versionen von Detective, inklusive eines Dune-Brettspiels, welches auf dieselben Mechaniken zurückgreift.

Vom Ausflug nach Arrakis würde ich aber erst mal abraten. Bei allen fünf vorgestellten Spielen gilt nämlich: Eigentlich ist das Originalspiel immer das beste, mit den Ablegern kann man sich dann später beschäftigen, wenn man so angefixt ist, dass man nicht genug bekommen kann vom neuen Lieblings-Koop-Spiel.

Detective: Ein Krimi-Brettspiel von Ignacy Trzewiczek, Portal Games/Pegasus Spiele, für 1-5 Personen ab 16 Jahren.