Key Art (Dying Light 2)

Erinnert ihr euch noch an die ersten Bewegtbilder von Dying Light 2? Die frühen Einblicke waren genauso aufregend und immersiv, wie wir es uns erhofft hatten. Für einige Minuten entführte uns Techland in eine überzeugende Spielwelt, die einen glaubhaften Eindruck von der schrecklichen Situation ihrer Bewohner vermittelt. Die Verzweiflung der Überlebenden einer Zombie-Apokalypse war in jedem Moment spürbar.

Zudem demonstrierten die Entwickler, dass die Entscheidungen der Spieler ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen, die den Verlauf der Geschichte und auch die Spielwelt selbst verändern. Leider ist von alledem im fertigen Spiel kaum etwas zu spüren.

Euch erwartet eine typische Open-World-Kulisse, die als Akrobatik-Spielplatz für den Protagonisten Aiden dient. Die Story ist 15 Jahre nach Teil 1 angesiedelt, in der Stadt Villedor, welche quasi die letzte Bastion der Menschheit bildet. Drei Fraktionen kämpfen hier um die Kontrolle und natürlich geratet ihr schnell zwischen die Fronten.

Unterstützt ihr die Survivors, Peacekeepers oder Renegades? Durch diese Wahl lassen sich ein paar Story-Weichen stellen und unterschiedliche Quest-Reihen aktivieren, aber drastische Konsequenzen bleiben aus. Im Großen und Ganzen bestimmt euer Umgang mit den Fraktionen, welche Upgrades in der Umgebung freigeschaltet werden. Dazu gehören etwa Sprunghilfen oder Umgebungsfallen. Kurz: Antwort A bringt ein wenig mehr hiervon und Antwort B ein bisschen mehr davon.

Enttäuschend, aber trotzdem gut

Techland hat im Vorfeld das Blaue vom Himmel versprochen, unsere Vorfreude in ungeahnte Höhen katapultiert und daran gemessen ist Dying Light 2 eine herbe Enttäuschung. Das Spiel macht aber dennoch Laune, vor allem, wenn man den Vorgänger mochte.

Der spaßige Kern der Zombie-FPS-Akrobatik wurde konsequent erweitert. Man bewegt sich wie ein professioneller Akrobat auf Koks, klettert an Gebäuden empor, springt über Häuserschluchten, rennt Wände entlang und so weiter.

Hammer (Dying Light 2)

Das Parkour-System erinnert an eine Mischung aus Assassin’s Creed und Mirror’s Edge. Es ist intuitiv, spielt sich flüssig und bleib dennoch anspruchsvoll, weil man über einen Skill-Tree regelmäßig neue Fähigkeiten freischaltet. Genau wie das Kampfsystem erfordert das Gehüpfe ein gutes Timing und flinke Finger.

Allerdings wirken manche Mechaniken unglaubwürdig und erzwungen. Beispiel: Ihr springt schon zu Beginn wie ein Superathlet von Dach zu Dach, flitzt mit einem Affenzahn an blutrünstigen Zombiehorden vorbei, doch sobald ihr eine Leiter oder eine Hauswand erklimmt, geht euch schnell die Puste aus.

Damit möchten die Entwickler das Gefühl der Progression unterstreichen, damit unser Held mit zunehmender Spieldauer immer höher, weiter und schneller unterwegs ist. Gut gemeint, aber seltsam. Genauso komisch fühlt es sich an, wenn Überlebende entspannt Unkraut jäten, während drei Meter weiter menschenfleischfressende Untote umher schlurfen.

Ganz oben auf der WTF-Liste steht die sogenannte Immunität, die neben Gesundheit und Ausdauer das dritte Attribut bildet. Aidens Immunität nimmt in der Dunkelheit ab, sodass er nachts oder innerhalb von Gebäuden nur eine bestimmte Zeit lang überleben kann.

Um die Immunität wieder zu erhöhen, muss er sich neben einer Lichtquelle aufhalten oder Zauberpilze beziehungsweise Medikamente konsumieren. Natürlich sollte man von einem Zombie-Metzel-Game mit Parkour-Schwerpunkt keinen großen Realismus erwarten, aber ein gewisses Maß an Glaubwürdigkeit sollte das Szenario schon vermitteln.

Waffen ohne Durchhaltevermögen

Für sich allein ist das Immunitätssystem nicht so schlimm, doch in Kombination mit den kurzlebigen Waffen entsteht ordentliches Frustpotenzial. Wenn ich in einem verseuchten Gebäude voller Zombies und Mutanten unterwegs bin, mein Immunitätswert gen Null tendiert und dann auch noch meine einzige Waffe zerbricht, hat das nichts mehr mit Spielspaß zu tun.

Speer (Dying Light 2)

Die Entwickler meinen es sicher gut und möchten mehr Druck auf die Spieler ausüben, um die Spannung zu erhöhen, aber man kann es auch übertreiben. Zumal Waffen nicht wirklich reparierbar sind. Es ist lediglich möglich, diese mit Mods auszustatten, um neben dem ausgeteilten Schaden auch die Lebensdauer geringfügig zu erhöhen.

Apropos: Es gibt (fast) keine Schusswaffen! Dying Light 2 konzentriert sich auf Stealth, Akrobatik und Nahkampf. Für Fernangriffe stehen euch lediglich Wurfmesser, Granaten, Molotows, Pfeil und Bogen zur Verfügung. In einer Mission durfte ich zwar einen Ballermann craften, aber dieser war buchstäblich Schrott.

Die Waffenauswahl finde ich generell mittelprächtig, da man zumeist auf Nahkampfwaffen wie Macheten, Äxte oder Knüppel angewiesen ist und sich diese sehr ähnlich spielen. Findet man endlich eine Waffe, die sich positiv von der Masse abhebt, ist man umso trauriger, wenn sie nach einigen Einsätzen zerbricht.

Freiheit für alle

Klingt alles nicht so prall, aber das Spiel hat auch seine Stärken. Immer, wenn sich in der Spielmechanik gewisse Abnutzungserscheinungen offenbaren, taucht plötzlich ein neues Element auf und sorgt für frischen Wind. Dazu gehören nicht nur ausgefuchste Kletterrätsel oder feindliche Camps, die erobert werden müssen, sondern auch neue Ausrüstungsgegenstände wie Greifhaken und Gleitschirm.

Beim Durchqueren der Stadt fühlt man sich irgendwann wie ein Superheld, der selbst Spider-Man alt aussehen lässt. Während man in anderen Open-World-Spielen ohne Schnellreisefunktion schnell keinen Bock mehr hätte, stellt hier die Fortbewegung selbst eine Riesengaudi dar. Der Weg ist buchstäblich das Ziel.

Auch der Nahkampf wird mit fortlaufender Spieldauer immer geiler. Ihr benutzt eure Feinde als Sprungbrett, hüpft ihnen mit beiden Füßen ins Gesicht, kickt sie von Hausdächern oder gegen tödliche Spikes. Ihr werft sie zu Boden und zertrümmert ihre Köpfe, um anschließend mit einem Dash auszuweichen und den nächsten Gegner von hinten niederzuringen.

Zur absoluten Spaßgranate wird das Ganze mit vier Freunden im Koop-Modus. Ich hatte im Testzeitraum keine Probleme damit, willige Mitspieler zu finden. Dass der Story-Fortschritt nur beim Host gespeichert wird, stört mich weniger, da Koop-Teilnehmer zumindest Erfahrungspunkte und Loot behalten dürfen.

»B« wie Bugs und Billigfilm

Trotz Day-One-Patch wurde ich beim Zocken der PC-Version mit zahlreichen Bugs konfrontiert und auch die Konsolenfassungen von Dying Light 2 sind betroffen. Kleinere Glitches und Grafikprobleme kann ich verkraften, doch ich musste mehrmals den Spielstand neu laden, weil Aiden irgendwo feststeckte oder missionskritische Ereignisse nicht getriggert wurden.

Dass sich Story und Sprachausgabe auf B-Movie-Niveau bewegen, finde ich hingegen wunderbar. Ein anspruchsvolles Drama mit geschliffenen Dialogen würde nicht zum Gameplay passen und im Erstling wurde auch schon ein Feuerwerk der Fremdscham entfacht. Wer also bereits Teil 1 nicht mochte, dürfte auch an Dying Light 2 kaum Gefallen finden.

Dying Light 2 ist kein Meilenstein, aber ein unterhaltsames Gemetzel.

Fazit: Dieses Spiel ist nicht annähernd so bahnbrechend, wie uns die Entwickler im Vorfeld weismachen wollten. Es ist eine solide Fortsetzung und hat mich etwa 50 Stunden lang wirklich gut unterhalten.

Die meisten Nebenaktivitäten habe ich ausgelassen, weil sie eher in die Kategorie »Masse statt Klasse« fallen. Wer jede kleine Ecke erkundet und an sämtlichen Aktivitäten teilnimmt, dürfte somit deutlich länger beschäftigt sein.

Dying Light 2 ist kein Meilenstein, aber ein unterhaltsames Gemetzel, das auch in optischer Hinsicht überzeugt. Mit dem Kauf würde ich an eurer Stelle aber warten, bis die oben genannten Bugs beseitigt wurden.

Dying Light 2 ist am 4. Februar 2022 für PC, PlayStation 4, PlayStation 5, Xbox One und Xbox Series X|S erschienen. Die Nintendo-Switch-Version soll Mitte des Jahres veröffentlicht werden.