Key Art (Horizon Forbidden West)

Horizon Forbidden West ist eine verdammt gute Fortsetzung geworden. Zwar bietet Aloys Ausflug in den verbotenen Westen keine revolutionären Neuerungen, aber so ziemlich jeder Aspekt des Vorgängers wurde erweitert oder verbessert.

Zu Beginn fühlte ich mich von der Fülle an Möglichkeiten erschlagen, ganz zu schweigen von der fast fotorealistischen Wildnis und ihren verschwenderischen Details. Immer wieder saß ich mit offenem Mund vor der Glotze, denn was hier auf dem Screen abgeht, spottet jeder Beschreibung.

In keinem anderen Spiel habe ich eine derart geile Sammlung von Lichtstimmungen erlebt und die Robo-Tiere können in puncto Komplexität locker mit Michael Bays CGI-Transformern mithalten. Häufig fiel es mir schwer zu entscheiden, ob ich die Viecher bewundern oder zerlegen soll.

Immer wieder saß ich mit offenem Mund vor der Glotze, denn was hier auf dem Screen abgeht, spottet jeder Beschreibung.

Zur Story verrate ich nur so viel: Die Heldin Aloy sucht nach dem Ursprung einer rätselhaften Seuche, die sich wie ein tödlicher Teppich über das Land legt. Neben Maschinen und verfeindeten Stämmen hat sie es dabei auch mit rätselhaften Gegnern zu tun, die ganz eigene Interessen verfolgen.

Das Ganze ist routiniert erzählt, aber im Vorgänger gab es mehr Aha-Momente. Ich finde die Hauptgeschichte von Forbidden West ganz okay, aber nicht überragend. Dafür sind die deutschen Dialoge sehr gut vertont und die detailreiche Mimik der Darsteller haucht allen Szenen mehr Leben ein.

Das Spiel ist ein grafischer Leckerbissen, zumindest, wenn es auf einer PS5 im Quality-Mode läuft. Ich habe die zähen 30 fps mit der Zwischenbildberechnung des TVs ausgeglichen, um einen Kompromiss zwischen flüssiger Bildrate und erträglichem Input-Lag zu finden.

Reduziert man in den Spieloptionen die Auflösung zugunsten der Framerate, läuft das Spiel zwar mit flüssigen 60 fps, aber dafür wird der Look verwaschen und unruhig. Wäre schön, wenn Sony da noch einen Patch nachreicht, um den »flüssigen« Modus etwas knackiger aussehen zu lassen.

Was mich sehr positiv überrascht, ist die hervorragende PS4-Performance, denn auf Sonys schwachbrüstiger Last-Gen-Konsole macht das Spiel eine wirklich gute Figur. Wer noch keine PlayStation 5 ergattern konnte, darf also bedenkenlos zugreifen, zumal sich die PS4-Variante des Spiels kostenlos upgraden lässt.

Kampf (Horizon Forbidden West)

Deluxe-Open-World

Ich bemerke gerade, dass mein kompletter Einstieg wie ein positives Schlussfazit klingt, aber das Spiel hat mich einfach geflasht. Man fühlt sich wie in einem Gemälde, denn nicht nur die Grafik ist überragend, sondern auch das Art-Design.

Die Welt von Horizon Forbidden West präsentiert eine Mischung aus Urzeit und Endzeit, aber mit einer ordentlichen Prise Futurismus. Klingt widersprüchlich, funktioniert in der Praxis aber perfekt.

Gerade noch spaziert Aloy durch eine altertümliche Baumhaussiedlung und keine zehn Minuten später entdeckt sie einen unterirdischen Zugang zu einer verwinkelten Roboterfabrik. Den Mix aus Wildnis und Hightech gab es schon im Vorgänger, doch Horizon Forbidden West legt in dieser Hinsicht eine ganz große Schippe drauf.

Der verbotene Westen ist weitläufig, abwechslungsreich und vollgestopft mit Aktivitäten. Es gibt Reliktruinen mit Umgebungs- und Kletterrätseln, die angenehm herausfordernd, aber nicht zu knifflig sind.

Aloy muss etwa Objekte verschieben, Wände durchbrechen oder die Umgebung nach Hinweisen scannen, um Tür-Codes zu ergattern. Als Belohnung winken wertvolle Gegenstände und Erfahrungspunkte.

Apropos: Aloy findet wieder diverse Brutstätten – automatisierte Fabriken, in denen maschinelles Leben entsteht. Auch hier werden Aloys graue Zellen und akrobatische Fähigkeiten gefordert. Mit den Langhälsen, die wie wandelnde Aussichtstürme durch die Gegend stampfen und nach ihrer Eroberung interessante Punkte auf der Karte markieren, gibt es ebenfalls ein Wiedersehen.

Es geht aber nicht nur hoch hinaus, sondern auch runter, denn die Unterwasserwelt spielt in Horizon Forbidden West eine deutlich größere Rolle. Es klingt abgedroschen, aber im Endeffekt bietet Horizon Forbidden West dasselbe wie der Vorgänger, nur umfangreicher, besser und hübscher.

Ein beträchtlicher Brocken

Ich habe etwa 40 Stunden benötigt, um die Main Quest durchzuspielen, wobei ich natürlich auch ein paar Nebenmissionen erledigt und die ein oder andere Runde »Maschinenstreit« gespielt habe.

Reiten (Horizon Forbidden West)

Dabei handelt es sich um ein taktisches Brettspiel, das erfreulich komplex ist. Die dafür benötigten Spielfiguren könnt ihr erspielen oder bei Händlern kaufen, sodass »Maschinenstreit« nicht nur den Spieltrieb, sondern auch den Sammeltrieb befriedigt.

Jedenfalls hält Horizon Forbidden West mehr Aktivitäten bereit, als ich in diesem Artikel aufzählen kann und so kommen 100-%-Abschluss-Freaks sicher auf eine Gesamtspielzeit von 100+ Stunden. Guerilla Games haben nicht gekleckert, sondern geklotzt, denn die Karte des Spiels ist mit Markierungen geradezu übersät.

Das erinnert an die berüchtigte Ubi-Formel, denn in Far Cry ist die Map ja auch mit Hinweisen gespickt und das ist für manche Spieler zu viel des Guten. Man könnte sich dazu genötigt fühlen, Punkte auf der Karte abzuarbeiten, statt die Welt frei und ungezwungen zu erkunden.

Das A und O sind mal wieder die Konfrontationen mit abwechslungsreichen Mecha-Kreaturen, welche die Wildnis dominieren. Einige sind von »echten« Tieren beeinflusst, während andere stärker an Dinosaurier erinnern. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam: Sie geben nicht kampflos auf.

Hier kommt Aloys Fokus-Fähigkeit ins Spiel, die nach einem Klick des rechten Sticks ein Augmented-Reality-Overlay über das Sichtfeld legt. Der Fokus markiert unter anderem die verwundbaren Stellen der Roboterkreaturen und klärt auch über ihre Elementschwächen auf.

Mit diesen Informationen lässt sich vor jeder Auseinandersetzung eine wirksame Strategie festlegen und genau das macht die Kämpfe in Horizon Forbidden West so geil. Natürlich kann man den Schwierigkeitsgrad auf die niedrigste Stufe stellen und gefahrlos drauflos knüppeln, aber spannend wird es erst ab »Normal«.

Taktische Scharmützel

Was die Eliminierung der Gegner betrifft, gibt es für Aloy kaum Grenzen. Sie kann die Laufwege der Feinde identifizieren, um Fallen mit hohem Schadenfreudepotenzial auszulegen. Stealth-Freunde verstecken sich im Gebüsch auf einer Anhöhe, craften die wirksamste Elementar-Munition und zerlegen Gegner mit dem Sniper-Bogen. Wer es weniger dezent mag, reitet einfach auf einem Dornrücken herbei und nutzt die großen Hauer für heftige Rammangriffe.

Für jede Spielweise gibt es die passenden Waffen und freischaltbare Fähigkeiten, ganz gleich, ob ihr Stealth, Nahkampf oder Attacken aus der Ferne bevorzugt. Dadurch bleibt selbst der hundertste Kampf gegen die Maschinen spannend, weil ihr immer neue Strategien und Skills ausprobieren könnt.

Habt ihr es mit menschlichen Gegnern zu tun, etwa beim Angriff auf ein feindliches Camp, verlieren die Auseinandersetzungen an Qualität und Übersicht. Je mehr Leute versuchen, auf Aloy einzuprügeln, desto schlimmer wird es und die Ausweichrolle (Kreistaste) ist da nur ein schwacher Trost. Die chaotische Situation wird durch das Fehlen einer Blocktaste oder einer Lock-On-Funktion noch verschlimmert.

Klettern & Skilltrees aus der Hölle

Okay, die Zwischenüberschrift ist übertrieben, aber es gibt definitiv zu viele freischaltbare Fähigkeiten. Sechs Skill-Bäume, die jeweils 20 bis 30 Fähigkeiten beinhalten? WTF?! Manchmal sind die Verbesserungen kaum spürbar und das ist ärgerlich, wenn man sauer verdiente Erfahrungspunkte investiert hat.

In 40 Stunden habe ich noch keine Möglichkeit gefunden, Punkte neu zu verteilen oder Skills zurückzusetzen. Andererseits erhält man ausreichend Erfahrungspunkte, um beim ausführlichen Durchspielen alle Fähigkeiten freizuschalten.

Für Horizon 3 dürfen die Entwickler die Zahl der freischaltbaren Skills gerne reduzieren, um sich auf Fähigkeiten zu konzentrieren, die sich stärker aufs Gameplay auswirken.

Das hakelige Klettern irritiert mich aber mehr als alles andere, denn es verwandelt das Erklimmen von Gebäuden und Bergen in eine Geduldsprobe. Ob und wie sich ein Objekt besteigen lässt, entscheidet nämlich Aloys Fokus-Fähigkeit. Mit einem Klick auf R3 offenbart sie alle Greifpunkte auf Objekten und das ist zwar gut gemeint, aber mies umgesetzt.

Es kommt immer wieder vor, dass Felsvorsprünge, Fenstersimse oder andere offensichtliche Klettermöglichkeiten nicht erkannt werden, obwohl sie sich in Reichweite befinden. Es zerstört die Immersion und sorgt für Frust, weil es so willkürlich erscheint.

In Horizon Forbidden West gibt es unglaublich viel zu tun und noch mehr zu entdecken.

Fazit: Ich habe noch gar nicht Aloys Greifhaken erwähnt oder den Gleitschirm, der die Erkundung der Spielwelt noch spaßiger macht. Gegen Ende der Story darf man sogar einen Sonnenflügel erklimmen und auf dessen Rücken durch die Spielwelt flattern. Unterschlagen habe ich auch die tropischen Strände, farbenprächtige Unterwasserwelten, lebensfeindliche Wüsten und frostige Schneegebiete.

Was ich damit sagen möchte: In Horizon Forbidden West gibt es unglaublich viel zu tun und noch mehr zu entdecken. Das meiste davon hat mir große Freude bereitet und deshalb werde ich noch viele weitere Stunden mit diesem GOTY-Anwärter verbringen.

Horizon Forbidden West ist seit dem 18. Februar 2022 für PlayStation 4 und PlayStation 5 erhältlich.