Key Art (Halo Infinite)

Sparen wir uns das ganze Vorgeplänkel zur Halo-Serie, den Romanen oder fremdschämigen Verfilmungen und gehen wir direkt ans Eingemachte: Wie gut ist die neue Solo-Kampagne? Wir haben die PC-Version des neuen Master-Chief-Abenteuers durchgespielt und sind grundsätzlich sehr angetan.

Halo Infinite fühlt sich wie eine Rückkehr zu den Wurzeln an und verströmt stellenweise den klassischen Vibe des zwanzig Jahre alten Xbox-Originals. Das Witzige ist, dass ich mich bereits 2001 über die abwechslungsarmen Umgebungen aufgeregt habe und deshalb auch in Halo Infinite regelmäßig die Orientierung verliere.

Zumal der Master Chief diesmal in einer offenen Spielwelt unterwegs ist, die in Sachen Größe und Abwechslung nicht ansatzweise mit Far Cry 6 oder Just Cause 4 mithalten kann. Im Endeffekt wirkt fast die gesamte Kulisse wie ein skandinavisches Bergwaldgebiet, mit hier und dort eingestreuter Alien-Architektur.

Halo Infinite fühlt sich wie eine Rückkehr zu den Wurzeln an.

Wie in Open-World-Spielen üblich, findet ihr auf der Map nicht nur Markierungen für die Hauptmissionen, sondern auch optionale Ziele. Das können gegnerische Vorposten und Stützpunkte sein, aber auch hochrangige Feinde oder gefangene UNSC-Einheiten.

Letztlich muss immer etwas zerstört oder jemand gekillt werden und manchmal gilt es auch bestimmte Gerätschaften zu aktivieren. So schaltet man nach und nach immer mehr Schnellreisepunkte frei, deckt Fundorte für besondere Ballermänner oder Upgrades auf und vergrößert den Fuhrpark sowie das Waffenarsenal.

Die meisten dieser Belohnungen erleichtern das Heldenleben, doch es winken auch kosmetische Items für den Mehrspielermodus. Neben den Schild-Upgrades lohnt sich vor allem das Aufbrezeln des Greifhakens.

Hologramm (Halo Infinite)

Ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte, dass der Greifhaken die wichtigste Komponente von Halo Infinite bildet. Er erweitert die Aktionsmöglichkeiten des Master Chief auf sinnvolle Art und fördert in Kombination mit dem stets nachvollziehbaren Physikmodell die Kreativität der Spieler.

Der Haken an der Sache

Der Greifhaken ist vielseitig einsetzbar und selbst nach zehn Stunden Spielzeit habe ich neue Einsatzmöglichkeiten entdeckt. Man kann sich damit auf höher gelegene Plattformen ziehen, Abgründe überqueren, Waffen aufsammeln, die außer Reichweite liegen und so weiter.

Trefft ihr damit einen Gegner, wird dieser elektrisiert und lässt sich durch Gedrückthalten des rechten Sticks mit einem fetten Flying-Power-Punch zerlegen. Sobald man sich an den Greifhaken gewöhnt hat, beginnt man automatisch damit zu experimentieren und neue Vorteile zu entdecken.

Beispielsweise beschleunigt er die Fortbewegung dauerhaft, wenn man sich damit über den »Boden ziehen lässt« und bei der Landung im richtigen Moment die Sprungtaste drückt. Das Zusammenspiel von Beschleunigung und Trägheitskraft sorgt dann für einen besonders weiten Sprung. Fortgeschrittene können dabei auch eine Granate werfen und wenn das Timing passt, explodiert diese direkt hinter dem Master Chief und sorgt für zusätzlichen Schub.

Hat man den Dreh erst einmal raus, lassen sich zu Fuß selbst große Strecken superschnell zurücklegen. Auf den Einsatz von Bodenfahrzeugen habe ich irgendwann verzichtet, weil man im zerklüfteten Terrain per Greifhaken schneller unterwegs ist. Allerdings muss man diesen mit Upgrade-Kernen verbessert haben, um sein volles Potenzial zu nutzen.

Ich kann es gar nicht oft genug schreiben: In keinem anderen Spiel wurde die Nutzung eines Greifhakens so perfekt und spaßfördernd implementiert. Deshalb fällt es auch nicht so negativ ins Gewicht, dass die offene Spielwelt ziemlich leblos und eintönig wirkt.

Militärstützpunkt (Halo Infinite)

Wie bereits weiter oben beschrieben, ist man meistens von Bäumen, Wiesen und Felsen umgeben, was die Orientierung nicht gerade erleichtert. Dazu kommt, dass sich auch die Vorposten und gegnerischen Stützpunkte optisch sehr ähneln. Ohne die übersichtliche Karte, die man per Knopfdruck aufruft, hätte ich mich regelmäßig verlaufen.

Ist man ausnahmsweise nicht von Bergen umzingelt, kann man sich auch an geografischen und architektonischen Wahrzeichen der Ringwelt orientieren. Apropos: Ich habe regelmäßig hohe Gipfel erklommen, um mich am sagenhaften Ausblick zu ergötzen und nach Alien-Bauwerken Ausschau zu halten.

Okay, die Spielwelt ist öde und man stellt sich die Frage, warum sich die Entwickler überhaupt für eine Open-World entschieden haben. Wahrscheinlich hatte man große Pläne und dann fehlte einfach die Zeit, um diese in die Realität umzusetzen. Wobei die Entwickler schon vor einigen Monaten über zukünftige Updates mit unterschiedlichen Biomen, Schneestürmen und einem dynamischen Wettersystem gesprochen haben.

Dasselbe gilt für den Koop-Modus, denn noch dürft ihr die Kampagne nur allein durchspielen. Ich würde mich tatsächlich über zukünftige DLC-Pakete freuen, welche die Karte mit Leben füllen und die Solo-Kampagne erweitern. Wer weiß, vielleicht wird Halo Infinite irgendwann zu genau dem Games-as-a-Service-Erlebnis, das Electronic Arts mit Anthem auf die Beine stellen wollte?

Running & Gunning vom Feinsten

Nach dem Gemecker folgt nun ein Abschnitt der maßlosen Lobhudelei, denn das herausragende Gunplay von Halo Infinite verdient ein Denkmal! Das Laufen und Schießen ist herrlich »wuchtig« und fühlt sich einfach gut an.

Man spürt das Gewicht des gepanzerten Kampfanzugs, dennoch wirkt die Steuerung überhaupt nicht träge, sondern schön fluffig und präzise. In Verbindung mit dem abwechslungsreichen Waffenarsenal entsteht eine spielerische Freiheit, für die es gar keine »Open World« gebraucht hätte.

Gun (Halo Infinite)

Die unterschiedlichen Verhaltensweisen der Gegnertypen intensivieren die spannende Atmosphäre und sorgen gerade in höheren Schwierigkeitsgraden für nervenaufreibende Gefechte, die wirklich schwer zu toppen sind. Ganz gleich, ob Call of Duty: Vanguard, Deathloop oder Outriders – nirgends ballert es sich schöner als in Halo Infinite.

Ihr möchtet die Gegner auf Distanz halten, um sie einen nach dem anderen mit dem Scharfschützengewehr auszuschalten? Kein Problem! Ihr springt lieber mitten ins Getümmel und rotzt Feinden mit der Schrotflinte ins Gesicht? Nur zu! Falls ihr zu den Spielern gehört, die mit Vorliebe stationäre Geschütze und Fahrzeuge bemannen, kommt ihr ebenfalls auf eure Kosten.

Halo Infinite lässt euch (fast) immer die Wahl und belohnt jeden Playstyle, was durch Ausrüstungsgegenstände wie den Bewegungsmelder, Schubdüsen und einen aufstellbaren Schutzschild unterstrichen wird. Mit dem Bewegungsmelder erkennt ihr selbst unsichtbare Gegner in der Umgebung und der Schutzschild entschärft kritische Situationen auf Knopfdruck.

Das Geballer ist zweifellos der absolute Wahnsinn, denn die abwechslungsreichen Waffen und Gegner lassen selbst das tausendste Gefecht noch frisch und spannend wirken.

Fazit: Ich habe noch nicht einmal die ganzen Fahrzeuge oder spannenden Boss-Kämpfe erwähnt, aber irgendwann muss ich ja zum Ende kommen. Meine erste Durchspielsession hat etwa 22 Stunden gedauert und ich habe wirklich jede Sekunde davon genossen.

Halo Infinite verfügt über einen beinahe makellosen Kern, doch das Drumherum lässt stark zu wünschen übrig. Die Story lasse ich außen vor, denn ehrlich gesagt, blicke ich da seit 15 Jahren nicht mehr durch. Die große, offene Spielwelt transportiert aber vor allem eines: Ideenlosigkeit.

Das Geballer ist zweifellos der absolute Wahnsinn, denn die abwechslungsreichen Waffen und Gegner lassen selbst das tausendste Gefecht noch frisch und spannend wirken. Greifhaken gab es schon in anderen Spielen, dennoch ist den Entwicklern damit ein Geniestreich gelungen, der die Spielmechanik auf ein neues Level hievt. Ich möchte ihn jedenfalls nicht mehr missen.

Die grafische Qualität schwankt zwischen gut und sehr gut, während die Sound-Kulisse auf ganzer Linie überzeugt. Halo Infinite klingt absolut fett und wird allen Besitzern einer potenten Surround-Anlage ein breites Grinsen aufs Gesicht zaubern.

Halo Infinite ist am 8. Dezember 2021 für PC, Xbox One und Xbox Series X|S erschienen.