Collage (Diablo 2)

Scheinbar jeder Publisher wühlt fieberhaft in der Mottenkiste, um noch ein paar Euros aus altbekannten Marken zu pressen. Das sorgt in der Spielergemeinde immer wieder für Diskussionen. Gerade jüngere Konsolenspieler finden Remakes und Remaster geil, weil sie dadurch Zugriff auf Klassiker erhalten, die lange Zeit nur für alte Systeme erhältlich waren.

Mein Neffe hat vor zwei Monaten zum ersten Mal Tony Hawk’s Pro Skater gespielt und steckt seitdem in derselben Suchtspirale, die mich 1999 gefangen hielt. Seine Mutter hasst mich dafür.

Ich habe kürzlich einen Schrank ausgemistet und dabei alte SNES-Module entdeckt. Am liebsten hätte ich sie sofort in den Slot des Super Nintendo Entertainment Systems versenkt, um mich auf einen stabilen Nostalgie-Trip zu begeben.

Allerdings besitze ich die Konsole gar nicht mehr und der verlötete Batteriespeicher der Module ist mit 99,9 % Wahrscheinlichkeit längst tot. Remaster und Neuauflagen sind für mich die einzige Möglichkeit, noch einmal in den Genuss solcher Oldies zu kommen.

Innovationsbremse?

Viele Spieler sehen das anders und bezeichnen den Remaster- und Remake-Boom als Innovationsbremse. Ein Argument, das sie dabei immer wieder verwenden: Wer am laufenden Band alte Spiele aufwärmt, hat weniger Zeit, neue Titel zu entwickeln. Das trifft aber nur bedingt zu, denn häufig kümmern sich externe Studios um solche Neuauflagen.

Ein anschauliches Beispiel dafür ist das Unternehmen Bluepoint Games, das sich komplett auf Portierungen, Remaster und Remakes älterer Titel spezialisiert. Das texanische Studio hat unter anderem Shadow of the Colossus, Demon’s Souls und Metal Gear Solid einen neuen Anstrich verpasst.

Von mir aus müsste kein einziges neues Spiel mehr veröffentlicht werden.

Es gibt überall schwarze Schafe

Natürlich gibt es auch schlechte Neuauflagen, die lieblos hingerotzt wirken und dem Ansehen des Originals schaden. So hat etwa der geniale Cel-Shading-Shooter XIII 17 Jahre nach seinem Release ein grauenvolles Remake erhalten.

Das Original habe ich anno dazumal für die Zeitschrift PC Action getestet und mit einer Top-Wertung belohnt. Umso gespannter war ich auf das Remake, doch meine Hoffnungen wurden bereits in den ersten Spielminuten zerstört. XIII Remake ist voller Bugs und stellt wirklich in jeder Hinsicht eine Verschlechterung dar.

Die Entwickler machen Corona für das Fiasko verantwortlich:

»Die Pandemie hat die Produktion des Spiels auf vielen Ebenen beeinträchtigt. Die Umstellung der Teams auf Heimarbeit hat für unerwartete Verschiebungen beim Entwicklungsplan sowie dem QA-Prozess geführt.«

Wer hat jetzt eigentlich recht?

Es gibt also gute und schlechte Neuauflagen, genauso wie es Spieler gibt, die darauf stehen oder eben nicht. Mir persönlich ist ein gutes Remake lieber als ein mieses Original. Ich gehe sogar noch weiter: Von mir aus müsste kein einziges neues Spiel mehr veröffentlicht werden.

Als Grafikhure wünsche ich mir, dass stattdessen all meine Lieblingsspiele zum Launch einer neuen Konsolen- oder Grafikkarten-Generation in bestmöglicher Optik neu aufgelegt werden. Kommende Hits wie Elden Ring, GTA 6 oder Halo Infinite würde ich, ohne mit der Wimper zu zucken, gegen ein grafisch eindrucksvolles Remake von Activisions Prototype 1 + 2 eintauschen.

Eine PS5-Neuauflage des PS1-Hits Tenchu: Stealth Assassins mit fetter Raytracing-Grafik und haptischem DualSense-Feedback wäre mir lieber als Diablo 4. Gran Turismo 7? Über ein Remake von Black Rock Studios explosivem Arcade-Rennspiel Split/Second würde ich mich mehr freuen.

Artwork (Split/Second)

Aufwärmkönig »Skyrim«

Ich träume ja immer noch von einer echten Neuauflage von The Elder Scrolls V: Skyrim, komplett überarbeitet und meine GeForce RTX 3090 ausreizend. Stattdessen schiebt Bethesda eine lieblose Umsetzung nach der anderen auf den Markt, um den treuen Fans mit Minimalaufwand immer wieder aufs Neue die Kohle aus der Tasche zu ziehen.

Eigentlich darf ich mich nicht beschweren, denn niemand hat mich gezwungen, fast jede Version von Skyrim zu kaufen. Ich habe das Spiel für PS3, PS4 und PC erworben, auch die Special Edition und sogar die bescheidene Switch-Version mit unlesbar kleiner Schrift. Die Motion-Sickness verursachende VR-Edition befindet sich ebenfalls in meinem Besitz.

Nun kommt die Anniversary Edition zum zehnjährigen Jubiläum auf den Markt, natürlich als Vollpreistitel für über 50 €. Konsolenspieler mit Special Edition können für schlappe 20 € upgraden und PC-Spieler erhalten das Upgrade gratis.

Interessant ist, dass die neue Edition mit vielen Inhalten wirbt, die aus der Modding-Community stammen. Gleichzeitig scheint die Anniversary Edition mit vielen anderen Modifikationen nicht mehr kompatibel zu sein und das hat definitiv einen bitteren Beigeschmack. Zocken werde ich Skyrim aber trotzdem ein weiteres Mal, denn es ist das perfekte Spiel für die Weihnachtsfeiertage und außerdem gibts im First-Person-RPG-Genre nicht gerade viele Alternativen.

Witzig finde ich, dass eigentlich nur im Medienbereich hitzige Debatten über Neuauflagen beliebter Produkte entstehen. In der Modebranche wird erfolgreicher Kram immer wieder neu aufgelegt und kein Schwein beschwert sich darüber.

Gute Neuauflagen werden immer ihre Daseinsberechtigung haben, denn ein gutes Spiel bleibt ein gutes Spiel. Dass Demon’s Souls (PS5) eine Bereicherung für die Welt der Videospiele darstellt, kann niemand ernsthaft bestreiten.

Außerdem wachsen jeden Tag Millionen von Gamern heran, die erst durch Neufassungen einen Zugang zu kultigen Klassikern erhalten. Problematisch wird das Ganze nur, wenn ein Remake oder Remaster aufgrund mangelnder Qualität das Ansehen des Originals beschädigt.