Spielszene (MicroMacro: Crime City)
© Patrick Pfeiffer/Spiel des Jahres e.V.

Das Spielprinzip von Fantastische Reiche ist denkbar einfach: Sieben Karten werden an jede Person verteilt, dann geht es reihum und die Spielenden nehmen sich, wenn sie am Zug sind, eine neue Karte verdeckt vom Stapel oder offen aus der gemeinsamen Auslage. Am Ende ihres Zugs legen sie eine Karte zurück in die besagte Auslage.

Sobald die zehnte Karte abgelegt wurde, ist das Spiel auch schon vorbei und es werden Siegpunkte zusammengezählt. Das Ganze bekommen geübte Spieler locker in einer Viertelstunde hin.

Und das soll ein Kennerspiel sein? Die Jury des »Spiel des Jahres« schreibt dazu: »Fantastische Reiche garantiert trotz einfacher Regeln ein fesselndes Spielerlebnis mit Tiefgang. Das Hoffen und Bangen auf die passenden Karten verdichtet viel Emotion in kurzer Spieldauer.« Stimmt und das Spiel ist auch nicht ohne, obwohl die Regeln tatsächlich in maximal zwei Minuten erklärt sind.

Es geht also darum, die eigene Kartenhand so zu optimieren, dass die sieben Karten möglichst punkteträchtig genutzt werden. Die einzelnen Karten haben jeweils einen Basiswert, doch richtig viel bringen sie erst über Bonuspunkte ein, die mit bestimmten Karten-Kombinationen erzielt werden können. Negative Kombinationen kann es übrigens auch geben, und das nicht zu knapp.

Wer bei Fantastische Reiche erfolgreich sein will, muss eine ganze Reihe an schriftlichen Informationen verarbeiten und auch ständig Kopfrechenübungen vollziehen. Das ist nicht jedermanns und jederfraus Sache und rechtfertigt demnach eine Einordnung als Kennerspiel.

Cover (Fantastische Reiche)

Da die Spielenden, ausgehend von ihrer Starthand, nur wenige Karten austauschen können und auch nur relativ wenige Karten offen in der Auslage zu sehen bekommen, hat dieses Spiel durchaus einen hohen Glücksanteil. Ja, wer das Spiel und die Karten kennt und konzentriert spielt, ist Neulingen gegenüber klar im Vorteil. Richtig im Detail planbar ist trotzdem wenig. Opportunistisches (Pardon: taktisches!) Spielen ist gefragt.

Es gibt demnach häufiger Partien, die dadurch entschieden werden, dass eine Person ein paar perfekt passende Karten vom Nachziehstapel zieht oder gar von Anfang an auf der Hand hält. Die Schlusswertung kommt dann auch meist wie »Kai aus der Kiste« über die Spielenden. Es ist kaum vorhersehbar, wer nun gleich wie viele Punkte vorweisen kann und gewinnt wird.

Und doch denke ich, dass ein »Kennerspiel des Jahres« etwas mehr Substanz bieten sollte.

Fazit: Bei einem so kurzen Spiel wie Fantastische Reiche machen mir die genannten Kritikpunkte nicht viel aus, dafür sind die Partien tatsächlich zu interessant und kurzweilig. Und trotzdem fände ich es unbefriedigend, sollte Fantastische Reiche tatsächlich als bestes Kennerspiel des Jahrgangs ausgezeichnet werden, dafür sind mir die einzelnen Partien doch zu belanglos.

Wenn es eh in zehn, fünfzehn Minuten weitergeht mit dem nächsten Spiel, ist mir egal, ob ich gewinne oder verliere. Das ist wie bei der Highscore-Jagd in einer App: Geht es schlecht los, nehme ich das Spiel nicht mehr ganz so ernst, bringe es schnell zu Ende und versuche es erneut.

Zugegeben, das ist vielleicht nicht die richtige Einstellung und krasses Optimieren (samt der dazugehörigen Rechnerei) ist eh nichts für mich. Und doch denke ich, dass ein »Kennerspiel des Jahres« etwas mehr Substanz bieten sollte.

Fantastische Reiche von Bruce Glassco, Strohmann Games, 2–6 Personen ab 10 Jahren, 20 Euro. Es gibt zum Spiel eine kostenlose iPhone- und Android-App, die das Scoring übernimmt und absolut zu empfehlen ist.