Key Art (Biomutant)

Puh. Ich muss zugeben, mir ist es schon lange nicht mehr so schwergefallen, einen Test für ein Videospiel zu schreiben wie im Fall von Biomutant. Das hat gleich mehrere Gründe. Erstens finde ich, dass das Spiel vor dem Release zu Unrecht gehyped wurde – und jetzt dementsprechend tief fällt.

Zweitens wollte ich den Titel wirklich mögen, auch wenn ich geringe Erwartungen hatte und mir klar war, dass Biomutant wohl kaum mit einem Zelda oder Assassin’s Creed mithalten würde können.

Die Entwickler von Biomutant mussten nach dem Release viel Kritik einstecken, sowohl von Spielern als auch von Seiten der Presse. Ich finde diese Kritik teilweise unfair. Einige Magazine haben das Spiel in Preview-Artikeln regelrecht über den grünen Klee gelobt und ihren Lesern den Mund damit wässrig gemacht, was für ein innovatives und interessantes Konzept uns mit Biomutant erwartet.

Dabei haben sie völlig vergessen, wie klein und unerfahren das Entwicklerteam ist, das hinter dem Spiel steht. Ich finde es deshalb ungerecht, Biomutant erst derart zu hypen, wie es hierzulande reihenweise passiert ist, nur um dann festzustellen, dass das Spiel nicht das leistet, was man sich erhofft hat.

Die überwältigend positiven Previews wenige Wochen vor Release in Kombination mit den vernichtenden Verrissen nach dem Erscheinen von Biomutant sind schlicht nicht in Ordnung – sowohl den Entwicklern als auch den Spielern gegenüber.

Man hätte doch zumindest ahnen können, dass der Hype vielleicht nicht gerechtfertigt war. Das deutete sich schon früh an, als THQ Nordic bekannt gab, dass das Team noch mehr Zeit für die Fertigstellung benötige. Als wir erfuhren, dass die Entwickler gar nicht mit dem überwältigenden Interesse an ihrem Spiel gerechnet hätten, das nach der Veröffentlichung des ersten Trailers auf sie einprasselte. Als wir ewig nichts von dem Spiel hörten.

Maul (Biomutant)

Ich habe dementsprechend keine großen Erwartungen an Biomutant gestellt. Ich habe mir aber erhofft, dass dieses Open-World-Abenteuer ein kleines, aber feines Beispiel dafür werden könnte, wie ein Spiel von einem unbekannten, unerfahrenen Entwicklerstudio abseits ausgetretener Genrepfade durchaus Spaß machen kann.

Ich wollte keinen überbordenden Feature-Katalog mit drölfzig Waffen, unterschiedlichen Charakterklassen, Entscheidungen und einer lebendigen, offenen Spielwelt. Ich wollte eine coole Metzelei mit abgedrehten Charakteren in einer kreativen Umgebung. Doch nach dem Testen von Biomutant weiß ich, dass ich genau das nicht bekommen habe, weil der Hype den Spielspaß (zumindest teilweise) getötet hat.

Die Grafik – Last-Gen, aber trotzdem stimmig

Fangen wir nach dieser langen Vorrede aber zuerst einmal damit an, was Biomutant gut macht – und das ist die Grafik. Ja, wir bekommen hier nicht das hübscheste Spiel aller Zeiten serviert, schließlich erschien das Spiel auch nur für den PC und die Last-Gen-Konsolen PS4 und Xbox One. Trotzdem merkt man Biomutant an, dass die Entwickler die Charaktere und die Spielwelt mit viel Liebe gestaltet haben.

Die Spielwelt wirkt insgesamt stimmig und aus einem Guss, wobei die Comic-Grafik über manche technische Schwäche hinwegtäuscht. Matschige Texturen, Kantenflimmern und mangelnde Umgebungs- oder Charakterdetails fallen deutlich weniger ins Gewicht als bei einem betont realistischen Grafikstil.

Ein weiterer Pluspunkt: Mir sind beim Testen keine Abstürze, Ruckler oder Clippingfehler aufgefallen – die Entwickler haben also ein technisch sauberes Spiel abgeliefert, das auch auf schwächeren PCs durchaus rund läuft. Das ist mitunter auch keine Selbstverständlichkeit mehr.

Die Story – Standardkost, aber ist das so schlimm?

Dass die Story von Biomutant nicht gerade vor kreativen Ideen strotzt, haben diverse Tests dem Spiel stark angekreidet. Es stimmt durchaus, dass die Geschichte kaum über ein »Du-musst-die-Welt-retten-weil-isso« hinauskommt. Aber braucht Biomutant wirklich eine Story auf dem Niveau von Star Wars: Knights of the Old Republic?

Mechanische Hand (Biomutant)

Die Open World steht doch im Mittelpunkt des Spiels, da will ich Spaß haben. Wenn die Prämisse ist, dass ich diese Welt retten soll, dann reicht mir das aus. Ich brauche für das, was Biomutant ursprünglich sein wollte oder was ich von diesem Spiel erwartet habe, nämlich einen Open-World-Abenteuerspielplatz, keine tiefgehende Geschichte mit wandelbaren Charakteren, Entscheidungen a lá The Witcher und einem Blick in menschliche Abgründe.

Ich finde es außerdem unsinnig, Biomutant zu kritisieren, weil es einen Erzähler gibt, der die Gespräche der Figuren übersetzt. Nicht jedes Entwicklerstudio kann es sich leisten, Hunderte Synchronsprecher anzustellen, um alle Dialoge zu vertonen.

Nicht einmal Nintendo tut das – Stichwort The Legend of Zelda – und da stört es auch niemanden. Wer den Erzähler als nervig empfindet oder das Kauderwelsch der Figuren nicht erträgt, kann die Sprachwiedergabe in den Einstellungen ja auch einfach deaktivieren.

Das Gameplay – die Krux mit dem Kampfsystem

Leider hat Biomutant dann aber doch ein Problem, das mich stört und das dafür sorgt, dass die Spielerfahrung mich letztendlich doch enttäuscht zurücklässt. Wenn wir das Spiel starten, können wir einen Charakter erstellen und uns für eine Klasse entscheiden.

Zur Auswahl stehen Helden, die an Nahkämpfer, Fernkämpfer, Magier und Schurken erinnern. Allerdings spielt es keine wirkliche Rolle, wofür wir uns entscheiden, weil wir im Spielverlauf die Fähigkeiten und Waffen der anderen Klassen ebenfalls freischalten und nutzen können. Das Klassensystem wird damit obsolet.

Biomutant beweist an dieser Stelle ganz klar, dass die Entwickler zu viel wollten. Die unterschiedlichen Klassen hätte es gar nicht gebraucht. Das Spiel wäre ohne sie vermutlich sogar besser gewesen.

Ich werde deshalb das Gefühl nicht los, dass das Team hinter Biomutant sich zu sehr an Genrekonventionen geklammert hat, als sich auf ihr eigenes Ding zu konzentrieren. Nur weil Individualität mit Charakterklassen und Talentbäumen gerade im Trend liegt, heißt das nicht, dass sie jedes Spiel automatisch bereichern.

Die Menge an Klassen, Fähigkeiten und Waffen führt außerdem dazu, dass das Kampfsystem von Biomutant leidet. Mir fiel bereits während der ersten Spielminuten auf, dass die Steuerung teilweise einfach viel zu unpräzise ist. Um ordentlich Schaden an Gegnern zu verursachen, müssen wir Kombos aneinanderreihen, was mitunter aber wegen der schwammigen Angriffe gar nicht so leicht ist.

Gerade wenn uns mehrere Gegner angreifen, fällt es schwer, den Überblick zu behalten und Attacken rechtzeitig zu blocken. Weil die Gegner noch dazu teilweise echte Bullet-Sponges sind, sorgt das schnell für Frust. Auch das Entscheidungssystem mit Gut und Böse wirkt ziemlich aufgesetzt. Hier wäre also insgesamt weniger mehr gewesen: weniger Waffen und Fähigkeiten, die dafür besser funktionieren, keine Entscheidungen nur um der Entscheidungsfreiheit willen, die eigentlich gar keine ist.

Dafür funktionieren andere Teile des Gameplays wirklich gut und das Spiel führt uns behutsam in die Spielsysteme wie Crafting und Schnellreise ein. Hier macht Biomutant dann wieder etwas Boden gut, den es ansonsten durch die teils frustigen Kämpfe und die überflüssigen, aufgezwungenen Entscheidungen verliert.

Die Entwickler wollten einfach zu viel.

Fazit: Wie ich bereits in der Einleitung meines Tests geschrieben habe, ist Biomutant der eigene Hype zum Verhängnis geworden. Die Entwickler, von der unerwarteten Aufmerksamkeit für ihr Spiel angetrieben und wahrscheinlich auch überfordert, wollten einfach zu viel. Biomutant leidet deshalb an vielen Stellen an mal kleineren, mal größeren Problemen – es wurde vom Hypetrain praktisch überrollt. Das finde ich unglaublich schade.

Hätte Biomutant vielleicht etwas weniger Aufmerksamkeit generiert, hätte die Presse den Hype etwas weniger stark befeuert und hätten die Entwickler ihr Spiel dementsprechend kleiner, aber ausgefeilter gestaltet, hätte es richtig gut werden können.

Ich hoffe, dass sich die Entwickler von Biomutant nicht durch die negativen Kritiken entmutigen lassen. Ihr Spiel besitzt nämlich trotz der vielen Baustellen und Problemchen ein Grundgerüst, auf dem sich aufbauen lässt – und die Kreativität, die aus dem Design der Spielwelt sprießt, sollte nicht einfach so im Nirwana der Gaming-Branche verschwinden.

Biomutant ist am 25. Mai 2021 für PC, PlayStation 4 und Xbox One erschienen.