Lootbox (Overwatch)

Familienministerin Giffey hat ihre Reform des Jugendschutzgesetzes bereits im Vorfeld als digitalpolitische Erfolgsgeschichte gefeiert, während der Verband der deutschen Games-Branche eine weniger euphorische Meinung vertritt.

Der Gesetzesentwurf wurde vom Bundestag verabschiedet und bereits vom Bundesrat abgesegnet. Die neuen Regelungen sollen spätestens zum 1. Mai 2021 in Kraft treten.

Betrachtet man das Ganze objektiv, wirken die »Verschärfungen« eher harmlos – um nicht zu sagen: lasch und inkonsequent.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey

»Kinder und Jugendliche werden besser geschützt, weil Anbieter von Spielen oder sozialen Netzwerken zu altersgerechten Voreinstellungen verpflichtet werden. Verstöße werden in letzter Konsequenz mit Bußgeldern geahndet. Und Eltern, pädagogische Fachkräfte, die Kinder und Jugendlichen selbst bekommen klare Orientierung, etwa durch einheitliche Alterskennzeichnungen.«

»Jugendschutz im 21. Jahrhundert bedeutet Schutz, Orientierung und Durchsetzung – auch im Internet. Das ist ein Riesenfortschritt für den Kinder- und Jugendschutz in Deutschland.«

Felix Falk, Geschäftsführer »game – Verband der deutschen Games-Branche e. V.«

»Mit dem Jugendschutzgesetz verpassen CDU/CSU und SPD ihre Chance, den Jugendmedienschutz in Deutschland endlich in das Digitalzeitalter zu überführen. Statt das Dickicht aus Regelungen und Zuständigkeiten zu verringern und mehr Klarheit sowie zeitgemäße Regeln für Kinder, Eltern und Anbieter zu schaffen, werden Komplexität und Unsicherheit jetzt sogar noch zunehmen.«

Das Familienministerium glaubt also, den Jugendschutz verbessert zu haben, während der Verband der deutschen Games-Branche die Neuerungen für eine Verschlimmbesserung hält. Betrachtet man das Ganze objektiv, wirken die »Verschärfungen« eher harmlos – um nicht zu sagen: lasch und inkonsequent.

Insofern verstehen wir das Gejammer der Games-Branche, denn Anbietern von Videospielen beschert das Update einen bürokratischen sowie finanziellen Mehraufwand. Gleichzeitig ist fraglich, ob die zahnlose Novellierung in puncto Jugendschutz überhaupt irgendetwas verbessert.

Das leidige Thema: Lootboxen

Im Vorfeld wurde in den Medien immer wieder berichtet, dass der Bundestag plane, Lootboxen abzuschaffen. Auf dem Weg zur Abstimmung ging jedoch folgende wichtige Formulierung verloren: »Auch ist vorgesehen, Kostenfallen wie ›Loot Boxes‹ standardmäßig zu deaktivieren«.

Wir finden das sehr schade, denn es ist ein großer Unterschied, ob man glücksspielähnliche Elemente deaktiviert oder lediglich bei der Alterseinstufung berücksichtigt. Kurz: Lootboxen bleiben, wie sie sind, wirken sich aber zukünftig auf die Altersbewertung aus. Darüber hinaus kann diese Bewertung um sogenannte Deskriptoren erweitert werden, welche auf mögliche Interaktionsrisiken hinweisen.

Was das konkret bedeutet? FIFA 21 ist bisher ohne Altersbeschränkungen freigegeben, obwohl die Lootboxen im beliebten FIFA-Ultimate-Team-Modus ziemlich umstritten sind. Wir glauben nicht, dass EAs Fußball-Simulation zukünftig nur noch von Erwachsenen gespielt werden darf.

Wahrscheinlicher ist, dass es »ab 12 Jahren« freigegeben und mit einem expliziten Hinweis auf glücksspielähnliche Inhalte gekennzeichnet wird. Übrigens weist das europäische PEGI-Siegel (Pan European Game Information) bereits seit 2018 auf bezahlte Zufallsgegenstände hin und die abschreckende Wirkung hält sich in Grenzen.

In Holland und Belgien werden Loot-Boxen als Glücksspiel eingestuft und deshalb gesetzlich strenger reguliert. Auch außerhalb Europas gehen immer mehr Länder gegen das zweifelhafte Geschäftsmodell vor. Selbst im »Schurkenstaat« China müssen bei Lootboxen die exakten Gewinnchancen und Drop-Raten der Inhalte aufgeführt werden.

Wobei wir uns fragen, welche »Voreinstellungen« Mobbing, Cyber-Grooming oder Hatespeech verhindern können.

Nett gemeint

Machen wir uns nichts vor. Selbst eine strenge 18er-Freigabe für Titel wie FIFA, NBA 2K, Genshin Impact oder PUBG würde minderjährige Fans nicht vom Zocken abhalten. Schließlich sind auch Call of Duty und Grand Theft Auto klar als Erwachsenenspiele gekennzeichnet, dennoch tummeln sich auf den Servern jede Menge Kids und Jugendliche.

Apropos: Das neue Jugendschutzgesetz soll die Kids nicht nur vor Lootboxen, sondern auch vor Online-Belästigung, Beleidigung und sexuellen Triebtätern beschützen. Anbieter von Online-Services werden zu entsprechenden Voreinstellungen verpflichtet, wobei wir uns fragen, welche »Voreinstellungen« Mobbing, Cyber-Grooming oder Hatespeech verhindern können.

Es dürfte erst einmal darauf hinauslaufen, dass standardmäßig nur mit Personen kommuniziert werden kann, die sich bereits in der eigenen Freundesliste befinden. Sprachfilter für anstößige Wörter werden »ab Werk« aktiv sein, um im Chat die gröbsten Sauereien zu entfernen.

Fazit: Die Games-Branche schimpft und zetert, aber letztlich entpuppt sich der Protest als Sturm im Wasserglas. Schließlich können sie sich weiterhin mit Lootboxen eine goldene Nase verdienen. Die strengste Alterskennzeichnung verpufft wirkungslos, wenn Eltern den Medienkonsum ihrer Kids nicht im Fokus haben.

Ob sich Trolle und Pädophile vom neuen Jugendschutzgesetz abschrecken lassen, ist ebenfalls fraglich. Wie sich das Ganze wirklich auswirkt, werden wir erst ab dem 1. Mai 2021 wissen, aber gravierende Veränderungen sind nach aktuellem Kenntnisstand nicht zu erwarten.