Was lief schief bei der Entwicklung von Cyberpunk 2077? Die Demo, die CD Projekt Red auf der E3 2018 gezeigt hat, könnte bei dem desaströsen Release eine Rolle gespielt haben. Der ehemalige Kotaku- und jetzige Bloomberg-Redakteur Jason Schreier hat in einem ausführlichen Artikel die Monate vor dem Erscheinen des Spiels analysiert – und behauptet, dass die Demo »komplett gefälscht« gewesen sei.
Schreier führte Interviews mit mehr als 20 Mitarbeitern bei CD Projekt Red, mit denen er über diverse Details der Entwicklung von Cyberpunk 2077 und die Gründe für den enttäuschenden Launch des Spiels sprach.
Die 2018er-Demo habe Monate an Arbeit gekostet, die nach Meinung des Teams besser in die Entwicklung des eigentlichen Spiels geflossen wären. Das Problem an der Demo: Die zugrunde liegenden Gameplay-Systeme, die Fans in der Demo zu sehen bekamen, waren noch gar nicht fertig entwickelt. Deshalb fehlen im fertigen Spiel einige Elemente, die in der Demo auftauchten.
Die Entwickler sollen außerdem gewusst haben, dass das Spiel mehr Entwicklungszeit benötige und nie im Dezember 2020 hätte erscheinen dürfen. Offenbar arbeitete das Team bereits am Limit, als CD Projekt im Juni 2019 ankündigte, das Spiel solle am 16. April 2020 erscheinen – ein Datum, das die Entwickler laut Schreier für vollkommen unrealistisch hielten. Sie sollen geglaubt haben, das Spiel könne frühestens 2022 fertiggestellt werden und wetteten darauf, wann CD Projekt sich entscheiden würde, den Release zu verschieben.
Der Beginn der Corona-Pandemie erschwerte die Entwicklung zusätzlich. Als das Management verkündete, Cyberpunk 2077 habe Goldstatus erreicht, soll das Team noch immer mit der Beseitigung schwerwiegender Bugs beschäftigt gewesen sein.
So reagiert CDPR auf die Vorwürfe
Adam Badowski, Chef von CD Projekt Red, hat sich auf Twitter ausführlich zu Schreiers Artikel geäußert. Er schrieb konkret zu der Demo:
»Es ist schwierig, eine Messedemo zwei Jahre vor dem Release des Spiels nicht als Test der Optik oder als vertikales Stück anzusehen, aber das heißt nicht, dass sie ein Fake ist. Vergleicht die Demo mit dem Spiel. Schaut euch die Dumdum-Szene an oder die Verfolgungsjagd oder die ganzen anderen Dinge.«
»Was die Leute, die deinen [Jason Schreiers, Anm. d. Red.] Artikel lesen, nicht wissen, ist, dass Spiele nicht linear entstehen und erst ein paar Monate vor Release aussehen wie das finale Produkt. Wenn ihr jetzt die Demo anschaut, sieht sie anders aus, ja, aber dafür ist auch das ›Work in Progress‹-Wasserzeichen gedacht. Unser fertiges Spiel sieht besser aus und spielt sich besser als alles, was die Demo jemals war.«
Außerdem habe Schreier nur mit 20 Leuten gesprochen, einige auch ehemalige Angestellte, was Badowski »nicht ›die meisten‹ von mehr als 500 Mitarbeitern [bei CD Projekt Red] nennen würde«. Schreier stellte seinerseits wiederum klar, dass er CD Projekt Red vor der Veröffentlichung des Artikels um eine Stellungnahme gebeten habe, das Studio und Badowski eine Interviewanfrage aber abgelehnt hätten.
Die Fans auf Twitter reagieren jedenfalls gespalten auf Badowskis Tweet. Einige finden, CD Projekt Red solle sich jetzt einfach darum kümmern, das Spiel in Ordnung zu bringen, andere werfen Jason Schreier unnötige Dramatisierung vor und wieder andere kritisieren den exzessiven Crunch, der in dem Entwicklerstudio offenbar zum Arbeitsalltag gehörte.
CEO Marcin Iwinski hat sich derweil bereits für den katastrophalen Release von Cyberpunk 2077 entschuldigt. Ob die Fans diese Entschuldigung annehmen, dürfte letztendlich davon abhängen, ob die Entwickler diesen Worten ihres Chefs langfristig Taten folgen lassen.
Sollte es dem Team zeitnah gelingen, das Spiel in einen technisch einwandfreien Zustand zu bringen und wie versprochen gestrichene Inhalte nachzuliefern, könnte die Cyberpunk-Saga am Ende doch noch ein Happy-End erleben – ähnlich wie CD Projekt Reds erster großer Wurf, The Witcher.
Cyberpunk 2077 ist seit dem 10. Dezember 2020 für PC, PlayStation 4 und Xbox One erhältlich. Das Upgrade für PlayStation 5 und Xbox Series X|S ist derzeit für die zweite Jahreshälfte 2021 vorgesehen.