Key Art (Watch Dogs: Legion)

Bei Watch Dogs: Legion ist der Name Programm, denn statt einen oder zwei Helden zu präsentieren, lässt euch das Spiel eine ganze Stadt rekrutieren. Ihr könnt buchstäblich jede Person auf der Straße für eure Organisation DedSec anheuern, wobei bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Beispielsweise gilt es, Daten aus einem streng bewachten Gebäude zu entwenden, bevor sich ein Computerspezialist dazu entschließt, bei euch mitzumachen.

Ihr könnt sogar einen Skill freischalten, der es ermöglicht, Mitglieder feindlicher Gruppierungen anzuwerben und dann wirds richtig interessant. Mit eurem allmächtigen Smartphone lassen sich nämlich nicht nur unterschiedlichste Gerätschaften, sondern auch Personen scannen. So erhaltet ihr weitere Informationen, zum Beispiel über deren Kommunikation oder Tagesablauf.

Der Rekrutierungskram ist echt smart gelöst, da jede Person über spezifische Skills und Ausrüstung verfügt. Ein Richter sorgt dafür, dass inhaftierte DedSec-Mitglieder schneller aus dem Knast kommen. Die richtige Uniform macht wiederum die Erkundung feindlicher Einrichtungen zum Spaziergang. Es gibt Rekruten, die sich schneller in Computer hacken, Feinde hypnotisieren können oder besonders gute Nahkämpfer sind.

Feuergefecht (Watch Dogs: Legion)

Das Rekrutierungssystem bringt frischen Wind in das serientypische Open-World-Gameplay, wobei die Sache einen großen Haken hat: Ihr baut nicht wirklich eine emotionale Bindung zu den Figuren auf, da sie in Watch Dogs: Legion nur Mittel zum Zweck sind.

Zwar verfügen die Charaktere über eine Hintergrundgeschichte, doch eigentlich sind sie nur Werkzeuge auf zwei Beinen. Dafür gibt es erstmals eine Permadeath-Option. Wird diese aktiviert, verschwinden Truppenmitglieder für immer, wenn sie das Zeitliche segnen. Das erhöht den Nervenkitzel etwas, schließlich möchte man ein fähiges Team-Mitglied nur ungern verlieren.

Erlaubt ist, was gefällt

Wer die Vorgänger gespielt hat, wird sich sofort heimisch fühlen. Nach wie vor stehen nicht Geballer oder Verfolgungsjagden im Mittelpunkt, sondern Hacker-Skills, die eure Experimentierfreude belohnen und für ein abwechslungsreiches Spielerlebnis sorgen. Jede Mission bietet verschiedene Lösungswege und da euch Charaktere mit unterschiedlichsten Skills zur Verfügung stehen, fühlen sich auch wiederkehrende Standardaufgaben stets frisch an.

Beispiel: Ihr sollt in einem Gebäude geheime Daten herunterladen. Spaziert ihr als Waffenexperte mit der Schrotflinte durch den Vordereingang, um euch bis zum Server-Raum zu ballern oder hackt ihr die Sicherheitssysteme und schleicht unbemerkt ins Ziel? Ihr könntet auch auf dem Rücken einer Transportdrohne aufs Dach fliegen und anschließend mit einem kleinen Spinnenroboter durch den Lüftungsschacht eindringen.

Tower Bridge (Watch Dogs: Legion)

Abseits der Story-Missionen gibt es ebenfalls eine Menge zu tun. Keine andere Open World ist mit dermaßen vielen Aktivitäten und Möglichkeiten vollgestopft wie das fiktive London in Watch Dogs: Legion. Ihr könnt Fußball oder Darts spielen, Sammel-Quests absolvieren, Stadtteile befreien, Verbrecher zur Strecke bringen, Wände mit Graffiti-Kunst besprühen oder Pakete ausliefern. Die Karte ist in typischer Ubisoft-Manier mit Icons sowie Markern gespickt und hinter jedem dieser Symbole wartet eine Aufgabe.

Leider sind die meisten Gebäude nur Kulisse und lassen sich nicht betreten, aber wenigstens spielt sich nicht alles auf dem Boden ab. Das Gameplay ist »vertikaler« und so gibt es in luftigen Höhen immer wieder etwas zu entdecken. Mal verstecken sich sogenannte »Techpunkte« auf dem Dach eines Gebäudes oder motivierende Schalterrätsel, die euch Zugang zu wertvollen Sammelgegenständen verschaffen. Die Punkte sind besonders wichtig, um Fähigkeiten zu aktivieren oder zu erweitern.

Lebendige Spielwelt

Da die Geschichte von Watch Dogs: Legion in der nahen Zukunft angesiedelt ist, wirkt die Spielwelt deutlich futuristischer als das echte London. Selbstfahrende Autos sowie Überwachungskameras bestimmen das Straßenbild, überall sind große und kleine Flugdrohnen unterwegs. Weil so ziemlich alles computerisiert ist, bieten sich mannigfaltige Interaktionsmöglichkeiten. Ihr könnt die Kontrolle über Fahrzeuge übernehmen und diese in Straßensperren rauschen lassen oder ihr hackt euch in Überwachungssysteme, um eure Mitmenschen auszuspionieren.

Für den Test stand uns die PC-Version zur Verfügung, welche auf zwei unterschiedlichen Systemen gespielt wurde. Mit RTX 3090 konnten wir aus dem Vollen schöpfen, Raytracing komplett auf Anschlag stellen und von einer angenehm flüssigen 4K-Darstellung profitieren. Die schwächere RTX 2080 TI geriet mit denselben Maximaleinstellungen gehörig ins Stottern, aber das war ja nicht anders zu erwarten. Ohne Raytracing lief das Spiel auch auf diesem System ruckelfrei.

Die grafische Qualität ist insgesamt sehr gut, allerdings wirken Figuren und Objekte aus nächster Nähe etwas detailarm. Man merkt also, dass Watch Dogs: Legion vor allem für die »alte« Hardware-Generation entwickelt wurde.

Wo sonst kann ich als klapprige Oma auf dem Rücken einer Transportdrohne durch London fliegen und Kisten abwerfen, um Bad Guys auszuschalten?

Fazit: GTA 5 bietet wuchtigere Schießereien, eine anspruchsvollere Fahrphysik und das besser polierte Gesamtbild. Okay, Watch Dogs: Legion fühlt sich stellenweise etwas holprig und glitchy an, aber dem Spielspaß tut das keinen Abbruch. Wo sonst kann ich als klapprige Oma auf dem Rücken einer Transportdrohne durch London fliegen und Kisten abwerfen, um Bad Guys auszuschalten?

Zumal mich die vielen kleinen Rätsel und das ausufernde Rekrutierungssystem auch nach zwei Dutzend Spielstunden an den Bildschirm fesseln. Wer auf Realismus Wert legt, ist hier an der falschen Adresse, aber noch nie war die Floskel »Open-World-Spielplatz ohne Grenzen« so treffend wie hier.

Watch Dogs: Legion ist am 29. Oktober 2020 für PC, PlayStation 4 und Xbox One erschienen. Außerdem wird es am 10. November 2020 für Xbox Series X|S und am 19. November für PlayStation 5 veröffentlicht.