An einem Freitag, Anfang Oktober 1999, stand ich in einem Videospielgeschäft, weil mir langweilig war und ich Geld in der Tasche hatte. Leider konnte keines der neuen Spiele mein Interesse wecken und die Import-Version von Resident Evil 3: Nemesis hatte der Shop noch nicht auf Lager. Also nahm ich die Beratung des Verkäufers in Anspruch. Sein Vorschlag: »Kauf Tony Hawk’s Skateboarding. Das ist der absolute Hammer. Wenn es dir nicht gefällt, kommst du heute Abend zurück und bekommst dein Geld wieder.« Für mich war Skateboarding ein Hobby für verwöhnte Kinder mit zu weiten Hosen, aber mangels Alternativen nahm ich den Deal an.
Keine 30 Minuten später rotierte die Disc im Laufwerk meiner PlayStation und was danach kam, weiß ich nicht mehr genau. Ich erinnere mich nur noch daran, am Sonntag eine Geburtstagsfeier geschwänzt zu haben, um das gesamte Wochenende mit Tony Hawk’s Skateboarding verbringen zu können. Es handelt sich übrigens um keinen Schreibfehler, denn die PAL-Version wurde in weiten Teilen Europas unter diesem Titel vertrieben. Die weltweite Namensgleichheit wurde erst mit Tony Hawk’s Pro Skater 2 eingeführt.
21 Jahre später sitze ich skeptisch vor dem Bildschirm, während Tony Hawk’s Pro Skater 1 + 2 auf der Festplatte installiert wird. Macht das heute immer noch Spaß? Das Genre hat sich weiterentwickelt und Titel wie Skater XL oder Session: Skateboarding Sim Game wirken im Vergleich wie hochkomplexe Simulationen.
Es ist wirklich wie früher, nur viel, viel geiler.
Ich mache es kurz: Meine anfängliche Skepsis ist der Begeisterung gewichen, denn ich habe mittlerweile fast 15 Stunden mit dem Spiel verbracht. Es ist wirklich wie früher, nur viel, viel geiler. Immer noch dauert jede Runde zwei Minuten und diese sind vollgepackt mit spannenden Herausforderungen.
Um neue Skate-Locations freizuschalten muss eine bestimmte Zahl von Herausforderungen gemeistert werden. »Erreiche 50.000 Punkte mit einem einzigen Trick«, »Führe 5 Wallgrinds aus«, »Sammle alle S-K-A-T-E-Buchstaben«, »Finde das versteckte Tape« und so weiter. Man gerät sofort in eine »Einen Versuch noch!«-Schleife, die im schlaflose Nächte münden kann.
So muss Remake
Das Geniale ist, dass sich Tony Hawk’s Pro Skater 1 + 2 genauso anfühlt wie früher und dennoch modernen Ansprüchen genügt. Das beginnt schon bei den Skatern, denn neben den Original-Veteranen, skaten acht »Neue« um die Wette. Selbst Tony Hawks Sohn Riley hat es ins Spiel geschafft. Die Song-Liste wurde ebenso erweitert wie die Fähigkeiten und Herausforderungen.
Veteranen stolpern dabei immer wieder über Kleinigkeiten, die sie aus späteren Serienteilen kennen. Es handelt sich also um ein Remake der ersten beiden Spiele, doch das Gameplay bietet einige Verbesserungen, die mit Teil 3 und 4 ihren Weg in die Serie fanden.
Die großen Stärken sind nach wie vor eine mega-intuitive Steuerung und ein ausgeklügeltes Level-Design, das zu kreativen Experimenten einlädt. Während sich ein Titel wie Skater XL dem Realismus verschreibt, macht die Tony Hawk’s Pro Skater-Serie das Unmögliche möglich. Hat man einen Skater ordentlich aufgelevelt, sind Jumps und Spins möglich, die kein Sterblicher jemals ausführen könnte. Genau deshalb macht das Ganze so viel Laune und es gibt nichts Befriedigenderes, als eine Herausforderung zu meistern, die man vor einigen Stunden noch für unschaffbar hielt.
Auch was die unterschiedlichen Spielmodi betrifft, lässt sich Tony Hawk’s Pro Skater 1 + 2 nicht lumpen. Es gibt eine Offline- und Online-Mehrspieler-Komponente, die wirklich Laune macht und auch über längere Zeit motivieren dürfte.
Außerdem könnt ihr nicht nur eigene Skater entwerfen, sondern komplette Skate-Parks aus dem Boden stampfen. Großes Lob verdient der Skate-Shop, weil er tonnenweise Ausrüstung bereithält, ohne mit Mikrotransaktionen zu nerven. Ihr könnt also alles mit der Währung freischalten, die ihr im Spiel durch eure Leistungen verdient.
Was mich sehr überrascht hat, waren die zahlreichen Komfort-Optionen, die es euch erlauben, die Spielerfahrung den eigenen Vorlieben anzupassen. Wer die verbesserten Kontrollen nicht mag, wählt einfach die Originalsteuerung. Die ständigen Stürze eures Skaters nerven euch? Kein Problem, die lassen sich einfach abschalten. Der Spezial-Balken soll immer gefüllt bleiben? Ein Klick genügt.
Ich liebe dieses Spiel, obwohl ich noch nie auf einem Skateboard stand.
Fazit: Jedes Element in Tony Hawk’s Pro Skater 1 + 2 wurde verfeinert, um die Qualität des Originals zu übertreffen. Es handelt sich nach wie vor um ein Fun-Game, ohne Simulationsanspruch und genau deshalb finden auch Nicht-Skateboarder Gefallen daran. Ich liebe dieses Spiel, obwohl ich noch nie auf einem Skateboard stand.
Grund zu meckern gibt es dennoch: Warum sind die Levels immer noch so menschenleer? Früher konnten sich die Entwickler hinter der schwachbrüstigen PS1-Hardware verstecken, aber die Locations des Remakes hätte man ruhig mit mehr Leben füllen können.
Apropos: Es gibt zwar insgesamt 17 Levels, doch eigentlich hat man nach ein paar Stunden alles gesehen. Dann geht es für Solisten nur noch darum, alle Herausforderungen zu meistern, aber glücklicherweise stehen ja noch die Multiplayer-Modi zur Verfügung. Endlich wieder gemeinsam auf der Couch mit geteiltem Bildschirm um die Wette skaten und wer allein ist, steigt eben online aufs Brett!
Tony Hawk’s Pro Skater 1 + 2 ist am 4. September 2020 für PC, PlayStation 4 und Xbox One erschienen. Eine Version für Nintendo Switch ist sehr wahrscheinlich, wurde aber noch nicht offiziell angekündigt.