Key Art (Mafia: Definitive Edition)

Auch wenn die Definitive Editions von Mafia 2 und 3 nichts Gutes erahnen ließen, habe ich mich sehr auf das Remake des Erstlings gefreut. Wie würde es sich anfühlen, nach 18 Jahren wieder durch Lost Heaven zu cruisen? Werde ich die Neuauflage als Fanboy überhaupt objektiv bewerten können?

2002 war ich als Redakteur beim Nintendo-Only-Magazin N-Zone beschäftigt. Während ich Disney Sports Snowboarding für den Game Boy Advance testen musste, vergnügten sich meine Kollegen von PC Action mit der Review-Fassung des genialen Open-World-Meisterwerks Mafia. Mein Neid war grenzenlos und ich umso glücklicher, als einige Wochen später meine Version im Briefkasten lag.

Ich verbrachte Wochen mit dem Spiel, obwohl es abseits der rund 15-stündigen Kampagne kaum etwas zu tun gab. Heute sind Open Worlds mit unzähligen Nebenmissionen und Herausforderungen gespickt, aber die fiktive Stadt Lost Heaven diente lediglich als verschwenderische Kulisse. Anders als GTA 3 fühlte sich Mafia nicht wirklich wie ein Open-World-Spiel an, denn statt spielerischer Freiheiten bot der Story-Modus vor allem Missionen mit klar abgesteckten Grenzen.

Kurz und knapp: Fans des Originals werden begeistert sein.

War dieser krasse Fokus aufs Wesentliche beabsichtigt oder fehlte Illusion Softworks einfach nur die Zeit, um mehr Gameplay-Inhalte zu integrieren? Jahre später konnte ich einem der Entwickler genau diese Frage stellen, doch seine Antwort fiel sehr unbefriedigend aus: »Es gibt immer Dinge, die es nicht ins fertige Spiel schaffen. Ob aus Zeitgründen oder weil sie nicht den Qualitätsstandards entsprechen.«

Little Italy (Mafia: Definitive Edition)

Gemischte Gefühle

Kurz und knapp: Fans des Originals werden begeistert sein. Es ist so, als würde man nach vielen Jahren an den liebsten Urlaubsort zurückkehren. Das Geile ist, dass Story und Gameplay nicht 1:1 umgesetzt, sondern hier und da etwas modifiziert wurden. So wirkt das Spiel auch für alte Hasen erfrischend.

Apropos: Der knackige Original-Schwierigkeitsgrad ist noch vorhanden, aber es stehen nun diverse Einstellungsmöglichkeiten zur Verfügung, die das Gangsterleben erleichtern. So dürft ihr bestimmen, wie anspruchsvoll die Fahrzeugsteuerung ausfällt oder ob die Polizei auch bei einfachen Verkehrsdelikten eingreifen soll. Das ist zwar löblich, aber wer alles entschärft, reduziert auch den Spielspaß signifikant.

Ich habe etwas herumprobiert und mich letztlich für den Original-Schwierigkeitsgrad und die anspruchsvolle Fahrzeugsteuerung entschieden. Das Verhalten der Polizei habe ich entschärft, weil ich keinen Bock habe, für das Überfahren einer roten Ampel bestraft zu werden.

Die Kampagne dreht sich um Tommy Angelo, der eigentlich als Taxifahrer arbeitet und durch mehr oder weniger unglückliche Umstände in der Mafia landet. Ihr erlebt Tommys »Karriere« innerhalb der Salieri-Familie und selbstverständlich ist der Weg nach oben mit vielen Leichen gepflastert. Die Geschichte wird in Rückblenden erzählt, während Tommy mit einem Cop in einer Bar sitzt und die Vergangenheit Revue passieren lässt.

Kampf (Mafia: Definitive Edition)

2002 konnten mich Erzählweise und Story wirklich begeistern, denn im Videospielbereich gab es seinerzeit kaum etwas Vergleichbares. Heute fallen mir eher die krassen Zeitsprünge innerhalb der Geschichte auf. Gerade war Tommy noch ein simpler Handlanger und fünf Minuten später gilt er bereits als aussichtsreichster Kandidat für Don Salieris Nachfolge. Bin ich heute zu anspruchsvoll oder war ich 2002 zu anspruchslos?

Ein Fest für Fans

Ich befinde mich auf einer Farm, während ein heftiges Unwetter tobt. Blitze und peitschender Regen sorgen für echte Weltuntergangsstimmung. Ich kann keine Gegner sehen, schleiche aber trotzdem in geduckter Haltung von Deckung zu Deckung. Eine unheilvolle Stimmung liegt in der Luft und ich spüre, dass gleich etwas Heftiges passieren wird. Die Spannung ist kaum auszuhalten und die realistische Darstellung des Sauwetters äußerst beeindruckend.

Zumindest war das vor 18 Jahren so, denn mittlerweile sind realistische Tag/Nacht-Zyklen sowie glaubhafte Wettereffekte praktisch Mindeststandard. Als Liebhaber des Originals finde ich es dennoch cool, diese geschichtsträchtige Szene in einem modernen Gewand neu zu erleben. Das Remake vermischt sich mit meinen Erinnerungen und dadurch entsteht ein extremer Nostalgie-Flash.

Nehme ich die Fanboy-Brille ab, um das Remake objektiv zu betrachten, fällt das Urteil nicht ganz so positiv aus. Die Schießereien steuern sich etwas unrund, den meisten Waffen fehlt der nötige Bums und den Nahkampf würde ich sogar als Katastrophe bezeichnen. Ihr drückt im richtigen Moment die »Konter«-Taste und spult dann immer wieder die gleiche Dreier-Combo ab. Dazu kommt noch, dass sich Gegner und NPCs ziemlich dämlich beziehungsweise unglaubwürdig verhalten. Besonders auffällig wird das, wenn man das Treiben auf der Straße betrachtet. Passanten bewegen sich wie Roboter, die Mimik der meisten Nebenfiguren ist arg begrenzt und alles wirkt einen Tick zu steif.

Fazit: Das Original gehört definitiv in meine All-Time-Top-10 und die Definitive Edition ist für mich wie eine abgefahrene Zeitreise, die Vergangenheit und Gegenwart vermischt. Als Fanboy könnte ich nicht glücklicher sein. Neulinge sollten aber wissen, dass Mafia: Definitive Edition in vielen Bereichen nicht mit aktuellen Blockbustern mithalten kann.

Als Fanboy könnte ich nicht glücklicher sein.

Es ist objektiv betrachtet immer noch ein gutes Spiel, aber je mehr Zeit ihr damit verbringt, desto offensichtlicher werden die Altersspuren. Außerdem litten die von uns getesteten PS4- und PC-Versionen unter zu spät eingeblendeten Objekten. Gerade auf langen, geraden Straßen tauchen Fahrzeuge manchmal aus dem Nichts auf. In seltenen Fällen lassen sich auch schwebende Fahrzeuge und Fußgänger beobachten.

Mafia: Definitive Edition ist am 25. September 2020 für PC, PlayStation 4 und Xbox One erschienen.