Key Art (Marvel’s Avengers)

Als vor knapp einem Monat die Closed Beta von Marvel’s Avengers an den Start ging, waren die Reaktionen der Spieler ziemlich eindeutig. Die Story-Missionen wurden ausdrücklich gelobt, doch das ganze Drumherum – also die Games-as-a-Service-Komponente – kam nicht so gut an. Langweiliger Loot und eintönige Herausforderungen dämpfen leider auch in der Vollversion unsere Freude am Endgame.

Die Umstände erinnern an BioWares Anthem, das zum Start ebenfalls mit Langzeitmotivationsproblemen zu kämpfen hatte. Kommen wir aber erst einmal zur Story, die wirklich cool erzählt wird und sich in puncto Präsentation keinesfalls vor dem PS4-Blockbuster Marvel’s Spider-Man verstecken muss.

Die Geschichte beginnt in der Bucht von San Francisco, wo ein großes Event zu Ehren der Avengers stattfindet. Die Teenagerin Kamala Khan ist riesiger Fan der Heldentruppe und lässt sich die Gelegenheit natürlich nicht entgehen. Leider werden die Feierlichkeiten vom fiesen Maskenträger Taskmaster gestört und infolgedessen, tötet eine riesige Explosion nicht nur Captain America, sondern auch viele Zivilisten. Gleichzeitig wird Strahlung freigesetzt, die einfachen Menschen gefährliche Superkräfte verleiht.

Das Chaos regiert und die einstigen Helden werden plötzlich als Bedrohung angesehen. Die Avengers werden aufgelöst, Tony Starks Imperium zerschlagen und Kamala Khan verfügt plötzlich über Gummigliedmaßen. Als treuer Fan versucht sie, ihre Lieblingshelden wieder zusammenzuführen und den Rest verrate ich aus Spoilervermeidungsgründen nicht.

Hulk (Marvel’s Avengers)

Originalgetreue Umsetzung

Es ist bestimmt nicht einfach, einen beliebten Superhelden in das Korsett einer Videospiel-Figur zu pressen. Er darf nicht zu mächtig sein, sonst fehlt die spielerische Herausforderung, doch zu wenig Power lässt in schwach und uninteressant wirken. Bei Marvel’s Avengers war die Herausforderung für die Entwickler immens, da gleich mehrere Superhelden spielbar sind. Zum Beispiel Captain America, Thor, Iron Man, Black Widow, Ms. Marvel und der Hulk.

Iron Man ist flügge und mit Kanonen ausgestattet, während der Hulk mit großer Sprungkraft und roher Gewalt punktet. Black Widow kann sich unsichtbar machen, ihre Feinde mit Pistolenkugeln perforieren und Thor verlässt sich auf seinen treuen Hammer. Jeder unserer Helden spielt sich anders, verfügt über eigene Special-Moves, Kombos und freischaltbare Skills.

Dass Marvel’s Avengers dennoch wie aus einem Guss wirkt, muss man den Entwicklern hoch anrechnen. Das Kampfsystem ist nicht sonderlich kompliziert, bietet aber durch die freischaltbaren Perks und Fähigkeiten genug Abwechslung. Das Verteilen von Backpfeifen geht schnell in Fleisch und Blut über, aber auch sonst gestaltet sich die Spielmechanik recht einsteigerfreundlich.

Captain America (Marvel’s Avengers)

Die Hauptkampagne überzeugt durch ihre packende Inszenierung, die mit brachialer Action und vielen epischen Momenten gespickt ist. Zudem wird die Action laufend durch selbstlaufende Szenen aufgelockert, die nahtlos mit dem Gameplay verschmelzen und eine kinotaugliche Atmosphäre zaubern. So wirkt etwa die Keilerei zwischen Hulk und Abomination einfach nur fett und wuchtig. Es mangelt aber nicht an entspannten Momenten, zum Beispiel, wenn ihr erstmals eure Basis erkundet oder in der Wildnis nach versteckter Ausrüstung sucht.

Marvel-Fans können sich dabei auf viele alte Bekannte und noch mehr versteckte Anspielungen freuen. Allerdings hätten wir uns bei der Feindesschar etwas mehr Abwechslung gewünscht, denn meistens haut man charakterlose Robo-Heinis und Söldnern aus dem Klonlabor zu Klump. Apropos geklont: Abseits der Hauptkampagne gibt es jede Menge zu tun, schließlich handelt es sich bei Marvel’s Avengers um ein Service-Game, das die Spieler über Monate oder Jahre an den Controllern fesseln möchte. Problem: Herausforderungen, Aufgaben und Umgebungen wiederholen sich ständig.

Wenn man zu viert spielt, machen diese anspruchslosen Scharmützel zumindest eine Zeit lang Spaß, aber als Solist hatte ich nach zwei Stunden Endgame keinen Bock mehr. Daran ist auch der langweilige Loot schuld, denn ihr werdet zwar mit neuer Ausrüstung zugeschüttet, aber das neue Zeug ist meist nur ein klein wenig besser als der bereits ausgerüstete Kram. Während man in Destiny 2 oder Anthem bestimmte Missionen freiwillig immer wieder spielt, um einen besonderen Gegenstand zu ergattern, lässt mich der Loot in Marvel’s Avengers komplett kalt.

Fazit: Marvel’s Avengers bietet eine spitzenmäßige Kampagne, die nicht nur Marvel-Fans, sondern alle Freunde spektakulärer Hochglanz-Action begeistern wird. Die unterschiedlichen Charaktere sorgen für abwechslungsreiche Fights und auch der Erkundungsfaktor kommt nicht zu kurz.

Marvel’s Avengers bietet eine spitzenmäßige Kampagne.

Ist man mit dem »Hauptspiel« durch, geht dem Spiel aber schnell die Luft aus. Vielleicht hätte man sich die Games-as-a-Service-Idee und das enttäuschende Loot-Drumherum lieber sparen und einfach nur ein richtig gutes Superhelden-Abenteuer für Solisten auf die Beine stellen sollen. Ich hoffe jedenfalls, dass es Square Enix gelingt, das Endgame zu verfeinern und interessanter zu gestalten.

Marvel’s Avengers ist am 4. September 2020 für PC, PlayStation 4 und Xbox One erschienen.