Verpackung (Feierabend)

Alle rennen zum Gewerkschaftshaus, nur nicht Klaus, der geht lieber aus. Denn so ein Blind Date kostet zwar ein paar Märker und ist nicht sonderlich erholsam, aber immerhin ist der Erfolg garantiert, und man kann sich sogar noch aussuchen, ob man einen dünnen oder dicken Partner abschleppt.

Mit diesem Partner geht es dann in der nächsten Woche in die Berge, ans Meer oder – wenn noch ein Zimmerchen frei ist – gar gleich ins Motel zum Techtelmechtel. Das, wen wundert’s, entspannt nun wirklich kolossal. Da müssen die anderen schon mehrfach den Betriebsrat anrufen, sich organisieren und ganz gezielt streiken, um ähnlich gut relaxen zu können. Man ist ja nicht zum Spaß hier.

Feierabend ist ein »After-Worker-Placement-Spiel« (Verlag) und Wettstreit darum, möglichst erholt zu sein, wenig zu arbeiten und langsam aber sicher den »kollektiven Freizeitpark« zu verwirklichen, vor dem uns Helmut Kohl immer gewarnt hat.

spielszene (Feierabend)

Anfangs allerdings liegt die »Urlaubsrepublik« (noch so ein Kohlsches Bonmot) in weiter Ferne. Unsere armen Arbeitsdrohnen müssen 70 Stunden lang in der Fabrik schuften, können sich in der kargen Freizeit kaum etwas leisten und Urlaubstage haben sie exakt: null. Der Gender-Pay-Gap ist riesig und die besten Aktivitäten, um überhaupt mal raus zu kommen, sind ein Trimm-dich-Pfad und Angeln am Weiher. Das ist doch kein Leben für den klassenbewussten Proletarier, deshalb betrinken sich die Arbeiterinnen und Arbeiter aller Länder in den Abendstunden auch am liebsten in der Kneipe – wenn sie nicht noch zu den Unglücklichen gehören, die hinter dem Tresen stehen müssen, um dort ein paar Taler extra zu verdienen.

Feierabend lebt komplett von seiner Thematik.

Nein, so kann es nicht weitergehen. Also holt man sich Unterstützung bei der Gewerkschaft und streikt mindestens einmal in der Woche. Irgendwas lässt sich immer verbessern: Mehr Lohn, den Gender-Pay-Gap schließen, die Arbeitszeit verkürzen und Urlaub, Urlaub, Urlaub. Nichts bringt einem der totalen Erholung so nahe wie drei Wochen Strandurlaub mit Partner. Doch dafür braucht man neben besagtem Partner auch noch Geld und die Unterstützung des Arbeiter-Kollektivs. Das ist dann in der entscheidenden Phase des Spiels doch wichtiger als wilde Nächte im Motel.

Feierabend lebt komplett von seiner Thematik. »Es reicht, ich geh zur Gewerkschaft!«, »Jetzt gibts einen Mega-Streik!« oder, frei nach Helge Schneider, »20 Stunden? Die können auch lang werden!« sind Sätze, die am Tisch fallen und dem Spiel Leben einhauchen. Wenn alle Mitspieler Lust auf blöden Schnack haben, fetzt das Spiel richtig. Dann schließt die Mitspielerin, die im echten Leben in der Personalabteilung arbeitet, auch mal als Allererstes den Pay-Gap, obwohl das, objektiv betrachtet, nicht unbedingt der beste Zug ist. Es gibt halt nur wenige Arbeiter-Einsetz-Spiele, die Spiel-Aktionen so anschaulich machen. Das Gesamtpaket ergibt sehr viel Sinn und lässt sich Neulingen deshalb auch besonders anschaulich erklären.

Figuren (Feierabend)

Das Spiel hat übrigens auch eine Solo-Variante, die zwar etwas fummeliger ist, aber auch gut funktioniert. Zudem kann man anhand der Solo-Regel ganz gut erkennen, welche Aktionen wichtiger sind als andere. Zum Kennenlernen des Spiels ist das sicherlich nicht verkehrt, wenngleich mir für eine Partie ohne Mitspieler einfach zu viel Material auf dem Tisch ist.

Kommen wir jetzt aber mal zur anderen Seite der Medaille. Mitspieler, die eher über die Mechanik an Spiele herangehen oder denen das Thema (beziehungsweise diese Art von Humor) einfach nicht zusagt, sehen ein einfaches Worker-Placement-Spiel, das kaum Neues bietet. Man setzt Arbeiter ein, tauscht drei Ressourcen (Erholung, Geld, Streikmarker) hin und her und rutscht auf sechs (!) Wertungsleisten herum, bis jemand 40 Erholungspunkte erreicht. Ein stressiges Wettrennen um die beste Erholung ist natürlich wieder eine der lustigen Ideen, von denen das Spiel lebt, aber spielmechanisch nicht gerade bahnbrechend. Der Grafikstil von »Maura« Kalusky ist ebenfalls seit Jahren bekannt.

Hinzu kommt, und dies ist ein wirklicher Kritikpunkt, dass das Spiel sehr viel Platz auf dem Tisch einnimmt. So clever es ist, für jeden Bereich (Gewerkschaft, Urlaub, Freizeit etc.) einen eigenen Spielplan zu haben, so unpraktisch ist dies im Handling. Es gibt auch keinen erkennbaren Grund für die sechs Spielpläne. Man hätte das Geschehen sicherlich auch auf einem klassischen, wenn auch großen Spielplan mit Vorder- und Rückseite für die unterschiedlichen Spielerzahlen gut abbilden können.

Kneipe (Feierabend)

Fazit: Dieses Spiel wird bestimmt nicht in jeder Spielgruppe zünden (siehe oben). Dabei hat Feierabend neben dem Thema, das zu einem wirklich lustigen Meta-Spiel und vielen Blödeleien einlädt, doch so einiges zu bieten.

Es ist ein äußerst klares Arbeiter-Einsetz-Spiel und kann tatsächlich als Einstieg in dieses beliebte, aber oft überfrachtete Genre dienen. Alle spielrelevanten Infos (und somit auch der aktuelle Spielstand) sind immer für alle Spieler ersichtlich. Es gibt keine geheimen Ziele, Karten mit langen Texten oder komplizierte Punkteregeln, mit denen jemand zur Endabrechnung auftrumpfen könnte.

Das Spielprinzip wurde also heruntergebrochen auf klassische Worker-Placement-Mechanismen, was Feierabend – in Kombination mit dem gelungenen Setting und der schnellen Spielzeit von einer Stunde – zu einem Spiel macht, das ich als erstaunlich frisch empfinde. Meine Mitspieler waren geteilter Meinung (siehe noch mal oben). Ich aber weiß, dass ich Feierabend auch in Zukunft noch häufiger spielen werde, nur halt mit der passenden Spielgruppe.

Feierabend von Friedemann Friese, 2F-Spiele, 1–6 Spieler ab 12 Jahren, ca. 45 Euro.