Key Art (A Total War Saga: Troy)

Ich bin perfekt vorbereitet. Meine Truppen haben die Stadt meines Feindes umzingelt und ihre Bewohner während einer mehrwöchigen Belagerung ausgehungert. Ein finaler Angriff auf die Stadtmauern wird den ausgemergelten Verteidigern ihr knochiges Genick brechen.

Doch gerade als ich zum Angriff blasen will, bricht mein großartiger Plan wie eine meerumspülte Sandburg in sich zusammen. Die Bevölkerung meiner Provinzen rebelliert, weil die Nahrung knapp wird, der Verbündete meines Gegners hat einen Agenten in eine meiner Städte eingeschleust, der die Bewohner gegen meine Herrschaft aufwiegelt, während ich mich auf die Belagerung konzentriert habe, hat sich ein ehemaliger Verbündeter erdreistet, seine Armeen an meinen Landesgrenzen zu positionieren und sich auf einen Überfall vorzubereiten, und zu allem Überfluss haben sich auch noch die Götter gegen mich verschworen.

Die Entwickler bleiben dem Prinzip der Serie *räusper* »troy«.

Verrat an allen Ecken und Enden – so oder so ähnlich kann eine Partie in Creative Assemblys neuestem Total War-Ableger TROY (mit vollem Titel: A Total War Saga: TROY) ablaufen.

Kampf (A Total War Saga: Troy)

Wer bis hierhin aufmerksam mitgelesen und bereits das ein oder andere Total War-Spiel ausprobiert hat, wird feststellen: Die Entwickler bleiben dem Prinzip der Serie *räusper* »troy«. Dass das Spiel die ersten 24 Stunden im Epic Games Store kostenlos zu haben war, ist allerdings ebenso neu wie eine Reihe von Anpassungen am Gameplay. Was es genau damit auf sich hat und ob TROY als Total War-Ableger an die ruhmreiche Vergangenheit der Serie anknüpfen kann, erfahrt ihr jetzt.

Ein typisches »Total War«-Spiel (?)

TROY unterscheidet sich auf den ersten Blick wenig von anderen Total War-Spielen: Es gibt eine Kampagnen-Karte, auf der wir ähnlich wie in Civilization unser Reich verwalten, Städte mit Gebäuden und Verteidigungsanlagen erweitern, Rohstoffe sammeln und unsere Armeen von A nach B bewegen. Treffen wir auf eine feindliche Armee oder wollen eine Stadt unseres Gegners einnehmen, können wir das Ergebnis der Schlacht automatisch berechnen lassen oder das Gefecht in Echtzeit selbst ausführen. Entscheiden wir uns für Letzteres, können wir mit etwas Geschick auch mit einer auf dem Papier unterlegenen Truppe einen Sieg erringen.

TROY bietet neben dem bekannten und bewährten Spielprinzip der Total War-Serie aber auch ein paar Neuerungen: Der trojanische Krieg liefert – nomen est omen – den historischen Hintergrund von TROY und wirkt sich signifikant auf die verschiedenen Gameplay-Mechaniken des Spiels aus.

Da wären zunächst einmal die Helden: Konnten wir in früheren Ablegern der Total War-Reihe lediglich Kommandanten für unsere Armeen rekrutieren, gibt es jetzt acht spielbare Fraktionen, von denen jede ihren eigenen Helden mitbringt – und den dürfen wir dann auch in die Schlacht führen beziehungsweise auf der Kampagnenkarte bewegen. Jeder Held besitzt besondere Eigenschaften und gehört einer Klasse an, die sich auf seine Kampffertigkeiten auswirkt. Außerdem gibt es für die Helden besondere Siegbedingungen und Boni, wenn wir bestimmte Aufgaben erfüllen (etwa, wenn wir uns mit einer Fraktion verbünden oder eine andere besiegen).

Schlacht (A Total War Saga: Troy)

Die Helden sollen in der Theorie dafür sorgen, dass sich jede Fraktion einzigartig spielt und wir unsere Taktik entsprechend anpassen müssen, wenn wir am Ende den Sieg in der Kampagne davontragen wollen. Das Ganze erinnert in der Praxis dann ein wenig an die unterschiedlichen Siegstrategien von Civilization und fühlt sich größtenteils ziemlich gut an, auch wenn die meisten Boni und Mali der Helden letztendlich eben doch nur darauf hinauslaufen, dass wir diesen Gegner besiegen oder jene Fraktion zufriedenstellen müssen und dass unser Held im Kampf bestimmte Dinge besser kann als andere. Insgesamt sorgt das Konzept aber für ein ordentliches Maß an Abwechslung und motiviert langfristig.

Eine weitere Neuerung von TROY ist der sogenannte Göttliche Wille. Die antiken Götter Hera, Zeus, Ares, Apollon, Athene, Poseidon und Aphrodite nehmen nämlich wie in Homers Ilias direkten Einfluss auf die Geschehnisse im Spiel – und wer es schafft, sich ihrer Gunst zu versichern, bekommt mächtige Boni. Wir können die einzelnen Götter verehren, zu ihnen beten und ihnen Opfer bringen, um unsere Gunst in vier Stufen zu steigern. Je höher unsere Gunst ausfällt, desto mächtigere Boni erhalten wir. Wer sich die Gunst eines Gottes gesichert hat, kann sie aber auch wieder verlieren: Denn wenn wir die Verehrung eines Gottes vernachlässigen, sinkt die Gunststufe mit der Zeit wieder.

Leider hat Creative Assembly bei der Gestaltung der Boni nur wenig Kreativität an den Tag gelegt und sich auf solche Effekte konzentriert, die zum Beispiel die Bewegungsgeschwindigkeit unserer Armee um X Prozent erhöhen oder sie bei Belagerungen länger durchhalten lassen. Zwar ergeben die Boni im Gesamtkonzept des Spiels durchaus Sinn, schöner wäre es aber gewesen, wenn wir mehr als nur die üblichen X-macht-Y-um-soundsoviel-besser-Punkte bekommen hätten.

Die dritte Neuerung von TROY betrifft das Wirtschaftssystem: Statt zwei (Nahrung und Gold) gibt es jetzt fünf Ressourcen (Nahrung, Gold, Holz, Bronze und Stein). Jede dieser Ressourcen erfüllt einen bestimmten Zweck. Nahrung und Gold benötigen wir etwa für unsere Armee, Holz und Stein für den Bau von Gebäuden und Gold dient zum Handel mit Ressourcen und das Bezahlen von Agenten. Die Entscheidung der Entwickler, das Spektrum der Rohstoffe zu erweitern, hat dem Spielprinzip merklich gutgetan: Erstens merken wir schneller, wenn in unserem Reich irgendwo etwas schiefläuft. Unsere Armee rebelliert? Dann haben wir sie entweder nicht ausreichend bezahlt (unser Bronzevorrat geht zur Neige) oder ihnen ist das Essen ausgegangen. Unsere Bevölkerung ist unzufrieden? Bauen wir mit Holz und Stein einfach Gebäude wie die Taverne, um ihre Stimmung zu verbessern.

Karte (A Total War Saga: Troy)

Der zweite Vorteil: Wenn wir in unserer Stadt neue Gebäude errichten möchten, können wir das unabhängig von der Rekrutierung neuer Truppen tun, weil sich beides aus unterschiedlichen Rohstoff-Töpfen bedient. Außerdem können wir in TROY sogenannte Königliche Erlasse aktivieren, die uns bestimmte Rohstoffe in größerem Umfang in die Vorratskammern spülen.

Der dritte Vorteil des neuen Wirtschaftssystems hängt schließlich mit der Kampagnen-Karte zusammen: Jede Stadt, die wir unserer Provinz im Laufe des Spiels einverleiben, verfügt über ein bestimmtes Rohstoffvorkommen. Unser Nachbar hat eine Stadt auf einer seltenen Goldmine gebaut? Dann müssen wir die wohl erobern, Bündnis hin oder her. Alternativ versuchen wir, uns die Stadt per Diplomatie unter den Nagel zu reißen und unserem Bündnispartner ein Angebot zu machen, dass er nicht ablehnen kann.

Ein Problem hat das Ressourcen-System aber doch: Weil unsere Gebäude keinen Unterhalt kosten, sammeln wir irgendwann immer größere Vorräte an Holz und Stein an. Ein Mangel an Nahrung und Bronze herrscht bald auch nicht mehr. Das macht die Verhandlungen um Rohstoffe mit unseren Verbündeten irgendwann müßig.

Alle diese Neuerungen sorgen letztendlich aber dafür, dass sich TROY angenehm nachvollziehbar spielt. Das kommt auch Neueinsteigern zugute, die sich den neuesten Total War-Teil vielleicht wegen des Kostenlos-Angebots im Epic Store gesichert haben. Probleme und falsche Entscheidungen lassen sich auf der Kampagnenkarte jetzt nämlich deutlich einfacher nachvollziehen und auch beheben als früher.

Maske (A Total War Saga: Troy)

Das bedeutet aber nicht, dass der Schwierigkeitsgrad oder die Komplexität des Spiels abgenommen hätten, im Gegenteil. Wer wie ich im oben genannten Beispiel nicht aufpasst und sich nur auf einen Aspekt oder ein Gebiet der Karte konzentriert, bekommt schnell die Quittung für die Vernachlässigung der anderen Aspekte seines Reiches. Trotzdem verzeiht TROY gerade auf den unteren Schwierigkeitsgraden recht großzügig Fehler, was Neulingen sehr zu Gute kommt.

Die Echtzeitschlachten, die in einem echten Total War freilich nicht fehlen dürfen, weisen hingegen keine nennenswerten Neuerungen auf, weshalb ich nur kurz auf sie eingehe. Die Auswahl an Einheiten, die wir in die Schlacht schicken dürfen, ist wegen des historischen Settings etwas beschränkt und besteht hauptsächlich aus diversen Variationen von Infanterie. Neu sind immerhin die mythologischen Einheiten, von denen wir aber nur wenige auf einmal in die Schlacht führen dürfen.

Ansonsten bleibt alles beim Alten: Wir versuchen, unsere Einheiten nach dem Stein-Schere-Papier-Prinzip gegen die Truppen unserer Feinde in Position zu bringen, das Gelände auszunutzen und Hinterhalte zu legen, um in scheinbar auswegloser Unterlegenheit das Blatt doch noch zu wenden und den Sieg davonzutragen. Wer schon einmal einen Ableger der Total War-Reihe gespielt hat, weiß, was ihn erwartet und findet sich hier schnell zurecht. Aber auch Neueinsteiger feiern schnell erste Erfolge auf dem Schlachtfeld – hier kommt dem Spiel ausnahmsweise die etwas eingeschränkte Einheitenauswahl zugute.

»TROY« erfüllt die technischen Erwartungen

Ein Echtzeitstrategie-Spiel wie TROY braucht normalerweise keine Hammergrafik mit Raytracing. Schnelle Action findet – wenn überhaupt – auf dem Schlachtfeld statt, ansonsten steht gemütliches Taktieren auf der Kampagnen-Karte im Vordergrund. Grafisch macht TROY hier überall eine gute, aber nicht überragende Figur. Die Animationen der Charaktere wirken ziemlich hölzern, Münder bewegen sich nicht beim Sprechen und die Landschaftstexturen auf der Hauptkarte kommen teilweise verwaschen daher.

Berg (A Total War Saga: Troy)

Ähnlich sieht es in den Echtzeitschlachten aus: Wer auf dem Schlachtfeld direkt an die einzelnen Einheiten heranzoomt, findet sich schnell im Gewusel grobtexturierter Klonkrieger wieder. Leichen und Waffen, die am Boden liegen bleiben, wirken mitunter wie platte 2D-Fremdkörper und heben sich kaum vom Terrain ab, wenn unsere Truppen über sie drüberlaufen. Immerhin bleibt TROY dafür aber moderat, was die Hardwareanforderungen anbelangt und lässt sich auch auf schwachbrüstigeren System ruckelfrei und in annehmbaren Grafikdetails spielen. Der Sound und die deutsche Sprachausgabe wissen ebenfalls zu gefallen – hier muss niemand zwangsläufig auf das englische Original umschalten.

Fazit: A Total War Saga: TROY ist das, was man eine solide Fortsetzung eines etablierten Konzepts nennen könnte: TROY erfindet das Rad nicht neu, bringt aber ein paar durchaus interessante Ergänzungen am Gameplay ins Spiel, die sich andersartig genug anfühlen, dass auch Serienveteranen einen Blick riskieren können.

A Total War Saga: TROY ist das, was man eine solide Fortsetzung eines etablierten Konzepts nennen könnte.

Beinharte Fans dürften sich das Spiel ohnehin direkt kostenlos zum Release geholt haben und machen mit TROY absolut nichts falsch. Wer bislang mit dem Total War-Prinzip nichts anfangen konnte, den wird auch TROY nicht überzeugen können. Wer aber bislang vielleicht einfach nur aufgrund des Settings (Japan, Warhammer) bisherige Teile links liegen gelassen hat, sollte TROY definitiv eine Chance geben – das Szenario ist prädestiniert für epische Schlachten, Verrat und Eroberungskriege. Außerdem verschafft der für Veteranen vielleicht schon fast zu leichte Schwierigkeitsgrad gerade Neueinsteigern einen hervorragenden Einstieg in die faszinierende Welt der Total War-Reihe.

A Total War Saga: TROY ist am 13. August 2020 für PC erschienen.