Key Art (Wasteland 3)

Meine Truppe befindet sich in einer felsigen Schlucht. Ich kann ein feindliches Camp erspähen. Handelt es sich dabei um die fiesen Banditen, die eine Gruppe Zivilisten entführt haben? Meine Scharfschützen könnten schon mal damit beginnen, einen Gegner nach dem anderen auszuschalten, während ich mich nähere. Doch dann entdecke ich links von mir den Eingang zu einer Art Höhle. Eventuell finden sich darin ein paar coole Waffen, die den Angriff aufs Camp erleichtern würden.

Kaum setzen meine Leute einen Fuß hinein, werden wir bereits von Monstern attackiert. Da sie relativ eng zusammenstehen, lasse ich sie mit dem Flammenwerfer grillen. Es ist die perfekte Waffe, um mehrere Feinde mit nur einer Aktion zu schwächen. Da jedem Team-Mitglied nur eine Handvoll Aktionspunkte zur Verfügung stehen, sollte man jede Gelegenheit für Gruppenschaden nutzen.

Nachdem die Viecher platt sind, gehe ich mit meinen Leuten vorsichtig weiter. Leider finden wir keine wertvolle Ausrüstung, dafür entdecken wir ein Computer-Terminal auf einer Anhöhe direkt über dem Camp. Zufälligerweise habe ich einem Team-Mitglied beim vergangenen Stufenaufstieg genau die richtigen Nerd-Skills verpasst. Ich lasse das also Ding hacken und Sekunden später werden diverse Bad Guys von einer fetten Strahlenkanone pulverisiert.

Das hilft mir enorm, denn die Typen haben es faustdick hinter den Ohren. Einer von ihnen ist ein Beastmaster, der Raubtiere kommandiert. Ich lasse meine Scharfschützen auf der Anhöhe, denn von dort haben sie alle Gegner perfekt im Visier. Mit dem Vorschlaghammer schwingenden Nahkampfspezialisten stürze ich mich direkt ins Getümmel. Der Beastmaster wird weggesnipert, die Biester mit dem Hammer zermatscht und den Rest erledigt die automatische Strahlenkanone. Geiseln allerdings kann ich nicht entdecken.

Kämpfen macht durstig (Wasteland 3)

Als ich den Bereich nach Loot absuche, stolpere ich über eine Grube mit verkohlten Leichen, was wiederum den Verbleib der entführten Zivilisten erklärt. Sie wurden alle hingerichtet und verbrannt. Lucia Wesson, eine Begleiterin meines Teams, ist am Boden zerstört. Ihre Familie gehörte zu den Entführten und jetzt ist jede Hoffnung auf ein Wiedersehen zerstört. Als wir kurze Zeit später den Verräter stellen, der für die ganze Sauerei verantwortlich ist, stachele ich Lucia auf. Eigentlich ist sie eine gütige Person, doch ich bringe Sie dazu, das miese Schwein zu erschießen und qualvoll verbluten zu lassen.

Nur für Erwachsene

Der etwas zu lange Einleitungstext macht zwei Dinge klar: Erstens ist Wasteland 3 ein extrem abwechslungsreiches Endzeit-Taktik-RPG, das euch jede Menge spielerischer Freiheiten gewährt, und zweitens ist es hundertprozentig auf Erwachsene zugeschnitten. Nicht nur, weil es ziemlich brutal ist und sich gerne mal einer deftigen Ausdrucksweise bedient. Es sind vor allem alte Säcke wie ich, die vom rauen Charme und der Oldschool-Mechanik dieses Titels abgeholt werden. Die rundenbasierten Taktik-Scharmützel sind anspruchsvoll, die Erkundung der trostlosen Welt konfrontiert euch mit unzähligen Rätseln sowie merkwürdigen Figuren und vieles wirkt ungeschliffen oder total albern.

Was ich mit albern meine? Ihr könnt Gegner mit gelben Schneebällen bewerfen, die nach Pipi riechen und diverse Statusveränderungen verursachen. Außerdem erwartet euch im Skill-Baum eine Toaster-Reparatur-Fähigkeit, die tatsächlich nur kaputte Toaster repariert. Wobei man erwähnen sollte, dass sich die Toaster-Reparatur als ziemlich lohnenswerte Beschäftigung entpuppen kann …

Während die Spielwelt des Vorgängers von sandigen Wüstenumgebungen dominiert wurde, verschlägt es euch in Wasteland 3 nach Colorado, wo es kalt und eisig ist. Dort helft ihr einem ebenso unterkühlten Patriarchen dabei, seine rebellischen Nachkommen zusammenzutreiben. Jeder seiner drei Sprösslinge hat sich nämlich einer anderen bizarren Vereinigung angeschlossen und ich will ja nicht zu viel verraten, aber es sind Reagan-Anbeter sowie hispanische Killer-Clowns dabei.

Weltkarte (Wasteland 3)

Obwohl das Entwicklerstudio inXile Entertainment mittlerweile zum Riesenkonzern Microsoft gehört, ist Wasteland 3 also genauso durchgeknallt wie seine offiziellen und inoffiziellen Vorgänger. (Es ist kein Geheimnis, das Wasteland 1 als geistiger Vater von Fallout gilt und sich beide Serien gegenseitig befruchtet haben. Wasteland 3 ist für mich nicht einfach nur ein neuer Teil der Wasteland-Reihe, sondern auch das beste Fallout-Spiel seit Fallout: New Vegas).

Bestes Ödland ever

Was Wasteland 3 vom zweiten Teil abhebt und damit zu einem besseren Spiel macht, ist das straffere Game-Design. Wasteland 2 wurde von seiner altmodischen Klischeehaftigkeit ausgebremst und manche Mechaniken waren mit voller Absicht sehr umständlich gestaltet, um den staubigen Klassikern des Genres Tribut zu zollen.

In Wasteland 2 artete bereits das Öffnen einer Kiste in Arbeit aus, weil man erst die Figuren mit den entsprechenden Fähigkeiten auswählen musste. Im dritten Teil klickt man einfach auf die Truhe und der Charakter mit dem passenden Skill kümmert sich automatisch darum. Wasteland 3 ist einfach in jeder Hinsicht knackiger, intuitiver und unterhaltsamer.

Wie bereits weiter oben erwähnt, fühlt es sich dennoch herrlich oldschool und stellenweise ungeschliffen an. Das macht sich vor allem im umständlichen und unübersichtlichen Inventar bemerkbar, aber auch in der etwas fummeligen Steuerung im Allgemeinen. Fairerweise muss man anmerken, dass sich Wasteland 3 mit Maus und Tastatur hervorragend anfühlt. Lediglich mit dem Controller wirds unpräzise und deshalb habe ich mich im Inventar oder während der rundenbasierten Kämpfe manchmal verklickt.

Was mich total abholt, ist der ausgewogene Mix aus spannender Erkundung, knackiger Rundenkämpfe und der großen Entscheidungsfreiheit. Immer wieder stolpert ihr über verschlossene Türen, Computer, Maschinen und Rätsel, die eure Neugierde wecken. Dann wären da noch die unterschiedlichen Fraktionen, die euch mit positiven oder negativen Gefühlen begegnen. Jede eurer Handlungen wirkt sich unterschiedlich auf die Bewohner der Welt aus und was Gruppe A hilft, könnte Gruppe B ziemlichen Schaden zufügen.

Ihr könnt lügen, betrügen und morden oder stets versuchen, das Richtige zu tun. Ich habe mich in der Rolle des miesen Schweins am wohlsten gefühlt, alle gegeneinander ausgespielt, Hass und Zwietracht gesät. Wasteland 3 gibt mir nicht das Gefühl, einer starren Geschichte zu folgen, sondern es lässt mich quasi meine eigene Story schreiben.

Fast hätte ich es vergessen: Den Koop-Modus konnte ich nur kurz anspielen, da ich immer noch knietief in der Einzelspielerkampagne stecke. Mein spielerischer Eindruck war ziemlich positiv, wobei die Session von Verbindungsproblemen getrübt wurde. Mal sehen, ob hier via Patch nachgebessert wird.

Von Wasteland 3 mag ich mich aber gar nicht mehr losreißen.

Fazit: Ehrlich gesagt, habe ich Wasteland 2 nie durchgespielt, denn irgendwann wurde mir alles zu mühsam und umständlich. Von Wasteland 3 mag ich mich aber gar nicht mehr losreißen, denn die Entwickler haben sämtliche Mechanismen optimiert und sinnvoll modernisiert, ohne den Oldschool-Geist der Serie zu verwässern.

Euch erwartet eine Welt voller Rätsel und Geheimnisse, interessanter Charaktere, witziger Dialoge und knackiger Kämpfe. Das unübersichtliche Inventar, die etwas schwammige Controller-Steuerung und das Fehlen einer deutschen Tonspur dämpfen meine Euphorie nur ein kleines Bisschen.

Wasteland 3 ist am 28. August 2020 für PC, PlayStation 4 und Xbox One erschienen.