Verpackung (King of Tokyo Dark Edition)

King of Tokyo kam 2011 heraus und wurde überall als witziges, cartoonhaftes Haudrauf-Spiel bezeichnet. Es mache zwar großen Spaß, mangamäßig eine Stadt in Schutt und Asche zu legen und sich mit anderen Monstern bis zum bitteren Ende zu prügeln, doch so richtig ernst nehmen, solle man das Spiel bitte nicht. Es sei halt mit einem Augenzwinkern gemeint, wurde dann meist noch entschuldigend hinterhergeschoben.

Durfte man das gut finden? Ein solches Spiel konnten viele friedliche Familienspieler nicht so recht einordnen, so jedenfalls erinnere ich den Szene-Tenor vor fast zehn Jahren. Die Jury »Spiel des Jahres« ließ King of Tokyo jedenfalls links liegen. Einer der größeren Fehler des Gremiums, wie ein damaliges Mitglied Jahre später zerknirscht zugab.

Dem Erfolg des Spiels hat dies keinen Abbruch getan. Neun Jahre später ist King of Tokyo immer noch da, es gibt eine leicht überarbeitete zweite Auflage und ein Ableger, King of New York, existiert ebenfalls. Dazu kommen Promokarten, Erweiterungen und Booster-Packs. Es dürfte das erfolgreichste Spiel des Verlags iello sein. Und, diese Bemerkung sei hier erlaubt, bis jetzt sind keine Amokläufe blutrünstiger King of Tokyo-Spieler bekannt, die so in der Rolle des Gigazaur aufgegangen wären, dass sie unbedingt eine Neutronenbombe auf eine Millionenstadt werfen mussten.

Mit King of Tokyo Dark Edition erschien kürzlich eine limitierte, grafisch komplett überarbeitete Deluxe-Ausgabe des Spiels (Verlag: »eine Hommage an die größten amerikanischen Pulp-Helden«). Die Regelüberarbeitung ist so minimal, dass sie hier nicht groß nacherzählt werden muss. Neu ist, dass es jetzt eine Bosheitsskala gibt und eine Miniänderung dafür sorgt, dass Partien zu zweit viel besser funktionieren. Vor allem aber gilt nach wie vor: Man ist immer entweder in Tokio oder nicht und attackiert mit seinem Monster und den Würfeln alle, die gerade woanders sind, oder sammelt still und leise Punkte ein, um möglichst unauffällig 20 Siegpunkte (oder auch mal nur 16, ha!) zu ergattern und so zu gewinnen.

Spielszene (King of Tokyo Dark Edition)

Das macht Spaß und sorgt für ein zügiges Spiel, wenngleich es nie so Schlag auf Schlag zugeht, wie viele Texte zum Spiel suggerieren. Man überlegt schon etwas, würfelt noch mal, denkt über die zur Auswahl stehenden Karten nach. Dann geht es im Uhrzeigersinn weiter. Eine wirklich wilde Klopperei sieht anders aus. Oder liegt das einfach daran, dass ich jetzt – neun Jahre nach meinen ersten Partien – auch vor allem Familienspieler bin und mit kleinen Kindern spiele? Da geht es dann tendenziell friedlicher zu. Den Sechsjährigen gnadenlos kaputt zu würfeln und so dicke Luft am Sonntagnachmittag zu riskieren, ist auch nicht immer die beste Idee.

Also spiele ich mit angezogener Handbremse, was auch super funktioniert. King of Tokyo ist halt ein gutes Spiel, nicht bloß »ein etwas anderes«. Als solches wäre es nämlich schon längst wieder verschwunden von der Bild- und Spielfläche. Stattdessen war King of Tokyo ein großer Wegbereiter für neue Themen und Aufmachungen im Familienspiele-Bereich. Wo früher alte Römer, Adlige und Entdecker reüssierten, dürfen Spieler heute auch mal in die Rollen von trottelige Cowboys, amerikanischen Ornithologen oder Wanderern durch Nationalparks schlüpfen. King of Tokyo hat gezeigt, dass den Spielern durchaus Neues zugemutet werden darf, was sowohl für Spielmechaniken als auch für das grafische Design gilt.

SPIEL 2019 (King of Tokyo Dark Edition)
© Hendrik Breuer

Fazit: Wie immer stellt sich zuerst die Frage, ob man das Spiel braucht, wenn man eine der vorherigen Ausgaben besitzt? Nein, würde ich sagen, denn unter der coolen Verpackung steckt ja doch noch immer das klassische King of Tokyo.

Wer das Spiel noch gar nicht kennt, hat eh etwas verpasst.

Andererseits macht die Dark Edition schon viel her, sieht zeitgemäßer aus und lädt zur Wiederentdeckung des bekannten Spiels ein. Vielleicht mit ganz neuen Spielern? Wer das Spiel noch gar nicht kennt, hat eh etwas verpasst. Ich denke, King of Tokyo gehört noch immer in die meisten Spielesammlungen – gerade wenn man viel mit Kindern oder Menschen zockt, die wenig spielerfahren sind. Diese Mitspieler haben häufig besonders viel Spaß an King of Tokyo. Das hat sich seit 2011 nicht geändert.

King of Tokyo Dark Edition von Richard Garfield, iello/Hutter, 2–6 Spieler ab 8 Jahren, ca. 39 Euro.