Key Art (F1 2020)

Das jährliche Spiel von Codemasters zur Formel-1-Saison erscheint normalerweise einige Monate nach Saisonstart. Bedingt durch Corona und den früheren Release kommt das Videospiel zur Motorsport-Königsklasse aber nahezu direkt zum (verspäteten) Startschuss. Am vergangenen Wochenende dröhnten die Motoren wieder auf, allerdings in Österreich statt Australien zum Auftakt in die Saison 2020.

Jede Menge Masken, Abstandsregeln und keine Zuschauer, auf den ersten Blick die größten Änderungen, bedingt durch die Pandemie. Auf der Strecke hat sich, zumindest an der Spitze, nichts geändert. Die beiden Mercedes fuhren einsam ihre Runden, der Doppelsieg wurde lediglich durch eine Zeitstrafe kurz vor Ende des Rennens verhindert. Gewisse Ähnlichkeiten zu F1 2020 von Codemasters lassen sich dabei nicht abstreiten.

Das eigene Team als neues Herzstück

Codemasters ruht sich bei seinem Formel-1-Spiel nicht auf den Lorbeeren aus, sondern bringt jedes Jahr einige Neuerungen mit. Neben zwei neuen Strecken ist die größte Veränderung der »My Team«-Modus. Hier können wir als 11. Team in der Formel 1 antreten, wählen dabei nicht nur den Namen unseres Rennstalls, sondern auch Farben, Logo und das Design unseres Boliden.

Wer hier aber einen Editor wie bei Need for Speed oder Forza erwartet, dürfte enttäuscht werden. Die Möglichkeiten fallen deutlich eingeschränkter aus. Gleiches gilt auch für Helm-Design und Rennfahrer-Overall.

Neben den rein optischen Punkten geht es zum Start aber auch direkt ans Eingemachte, nämlich die Kohle. Wir wählen einen Hauptsponsor, jeder hat unterschiedliche Erwartungen an uns und knüpft daran mögliche Bonuszahlungen. Wir müssen den Motorenhersteller wählen und einen zweiten Fahrer. Die beiden letzteren Optionen kosten Geld und einen Sebastian Vettel bekommen wir eher nicht.

Stattdessen setzen wir auf den aktuellen F2-Piloten Mick Schumacher und Honda als Motorenlieferanten. Schließlich wollen wir unser Team erst einmal weiterentwickeln und müssen viele Millionen in Teilentwicklung und Gebäude investieren.

Der lange Weg zum eigenen Windkanal

Sind all diese Details festgelegt, geht der Vorhang auf für den eigenen Rennstall. Eine kurze Einleitung, gefolgt von Interviewfragen markieren den Auftakt zu »My Team«. Im Kern wird F1 2020 dadurch aber kein komplett neues Spiel, denn auf der Strecke sammeln wir im Training weiter fleißig Ressourcenpunkte, die wir wiederum für Verbesserungen ausgeben können. So können wir langsam unseren Wagen konkurrenzfähiger machen, die Aerodynamik verbessern oder die Strapazierfähigkeit erhöhen.

Neu hingegen sind die sechs Abteilungen, darunter auch Personal und Marketing. Gegen Millionensummen können diese mühsam Schritt für Schritt ausgebaut werden, dass erhöht die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Upgrades, bringt mehr Kohle bei Sponsoren-Verhandlungen oder schlicht mehr Ressourcenpunkte.

Aber Achtung: Bauen wir gedankenlos unsere Einrichtungen aus, kann das Geld schnell knapp werden. Beschädigungen im Rennen lassen das Einkommen schrumpfen und wenn die Bonusziele der Sponsoren nicht erreicht werden, kann es zu Problemen kommen. Insbesondere dann, wenn die Vertragsverlängerung des zweiten Fahrers ansteht. Im Notfall können wir allerdings Abteilungen temporär stilllegen, da diese ansonsten laufende Kosten verursachen.

Windkanal (F1 2020)

Keine Management-Simulation

Zwischen den Rennen werkeln wir aber nicht nur an unseren Autos, Einrichtungen und weiteren Sponsoren-Deals, sondern legen im Kalender auch Aktivitäten fest. Reaktionstraining, Mittagessen mit dem Chassis-Team oder ein Sponsorentermin. Nicht alle Aktivitäten bringen dabei ausschließlich Vorteile, verbessern wir die Zuverlässigkeit, könnte etwa die Aerodynamik leiden. Produzieren wir ein Video, kostet uns das Geld. Daher sollte man gut überlegen, wie die Zeit zwischen den Rennwochenenden genutzt wird.

Corona hat seine Finger bei F1 2020 übrigens nicht im Spiel: Abstandsregeln, Rennen ohne Zuschauer oder sonstige Einschränkungen müssen wir nicht befürchten.

Je besser wir uns schlagen, desto mehr Anerkennung winkt uns, Gleiches gilt auch für die Teamkameraden. Auf Stufe 5 und 10 schalten wir etwa weitere Slots für Sponsoren frei, was uns jede Woche mehr Geld bringt. Vorausgesetzt wir wählen realistische Sponsoren und Ziele, die wir auch erreichen können. Keine Sorge: Teamfarben, Designs und Sponsoren-Deals wie Logo-Platzierungen können wir im Verlauf der Saison anpassen bzw. neu verhandeln.

Wir sind als Team also nicht an einen kleinen Sponsorenvertrag für die restliche Saison gebunden. Zusätzliche Anerkennung winkt uns, wenn wir uns gegen den, selbst wählbaren, Konkurrenten durchsetzen. Dem Teamkollegen kommt im »My Team«-Modus auch eine größere Rolle als in den letzten Jahren zu, daher können wir ihn unterstützen, etwa mit Trainingssessions. Das bringt dem Team wiederum am Ende mehr Geld und Anerkennung.

So gut all das klingt, im Kern ist F1 2020 aber weiterhin ein Rennspiel mit Simulationsansätzen und keine Management-Simulation. Daher sollte man keinen extremen Tiefgang in diesem Bereich erwarten, eine gelungene Neuheit stellt der Modus aber dennoch dar. Für F1 2021 würden wir uns allerdings mehr Tiefe wünschen, egal ob es um Verhandlungen, Darstellung der Einrichtungen oder Entwicklungen geht. Auch die Zwischensequenzen und Interviews sind spärlich gesät und nicht immer passend zum Spielgeschehen.

Ungarn (F1 2020)

Spannende Duelle bis zur letzten Kurve

Auf der Strecke hat sich in diesem Jahr hingegen wenig getan, egal ob beim Gameplay oder der grafischen Darstellung. Die Boliden sehen weiterhin sehr detailliert aus und die Steuerung funktioniert tadellos, auch mit Gamepad, dank der optionalen Hilfsfunktionen im Spiel. Die Gegner-KI können wir stufenlos anpassen, was F1 2020 auch weiterhin für Einsteiger wie Fortgeschrittene gleichermaßen interessant macht.

Reifenabnutzung und Probleme wirken sich spürbar auf den Grip und die Rundenzeiten aus und die Duelle gegen die Computerfahrer sind oft äußerst spannend. Die Rückspulfunktion sorgt dafür, dass nicht jeder kleine Fehler oder jede Berührung (unfreiwillig durch die KI) direkt zum Aus führt. Enttäuschend bleibt weiterhin die Darstellung der Rennfahrer, insbesondere der Gesichter. Hoffen wir, dass F1 2021 auf den neuen Konsolen und dem PC einen Sprung hinlegen kann.

Der neue optionale Rennstart-Assistent hinterließ bei uns aber einen etwas zwiespältigen Eindruck. Sind wir in den Jahren zuvor oft nicht perfekt gestartet und haben häufig Meter oder Plätze eingebüßt, gewinnen wir mit der Hilfestellung grundsätzlich immer einige Positionen zum Start. Für Anfänger ist das gut, alle anderen sollten diese Unterstützung aber besser abgeschaltet lassen.

Leistungsdaten und Wagen-Designs werden übrigens noch via Update angepasst und der schwarze Mercedes von Hamilton und Bottas ist so noch nicht im Spiel enthalten – zumindest in unserer Testversion.

Komplett neu ist der Gelegenheitsfahrer-Modus, dieser ist allerdings nur für Spieler interessant, die aus F1 2020 einen waschechten Arcade-Racer machen wollen. Dreher, Untersteuern, Schaden am Auto oder Strafen gibt es hier nicht. Wer also rein auf Spaß aus ist und bisher, trotz der zahlreichen Hilfsmittel im Spiel, abgeschreckt war, für den dürfte der Arcade-Modus genau das Richtige sein.

Cockpit (F1 2020)

Die Rückkehr der Splitscreen-Option

Der Splitscreen-Modus feiert nach einigen Jahren seine Rückkehr. Den normalen Karriere-Modus (bis zu 10 Jahre) gibt es weiterhin, allerdings ohne Story als Beiwerk. Dafür können wir aber optional auch eine volle Saison in der Formel 2 absolvieren. Zeitrennen, diverse Online-Modi und eSports-Events runden das große Paket ab. Auf VR-Unterstützung oder Online-Koop-Modi muss aber leider weiterhin verzichtet werden.

Insgesamt hinterlässt F1 2020 einen hervorragenden Eindruck.

Fazit: Codemasters liefert mit »My Team« einen spaßigen, aber nicht allzu tiefgängigen neuen Spielmodus, in dem wir unseren eigenen Rennstall aufbauen und gleichzeitig als einer der beiden Fahrer antreten können. Dafür büßt F1 2020 seinen Story-Modus ein, der Karriere-Modus selbst bleibt aber erhalten.

Spielerisch gab es nur kleinere Anpassungen und optionale neue Features, die Rückkehr des Splitscreen-Modus etwa und die Arcade-Option für alle die keine Lust und Geduld zum Meistern der Kurse mitbringen.

Insgesamt hinterlässt F1 2020 einen hervorragenden Eindruck, wer allerdings auf den neuen Management-Modus verzichten kann, der muss nicht zwangsläufig zum neuesten Serienteil greifen. Für F1 2021 wünsche ich mir von Codemasters daher noch mehr Management-Inhalte und spürbarere Auswirkungen im »My Team«-Modus.

Für den Test haben wir auf die PC-Version von F1 2020 zurückgegriffen. Der Titel erscheint am 10. Juli 2020 für PC, PlayStation 4 und Xbox One.