Key Art (Paper Mario: The Origami King)

Sprung-Sprung-Sprung- und Zack! Bunte Papierschnipsel tanzen durch die Luft und buchstabieren das Wort »Exzellent!«. Mein erster Kampf in Paper Mario: The Origami King ist vorbei. Ich stelle fest: Das Timing, dass ich mir über die Jahre beim Spielen sämtlicher Paper Mario-Teile (das SNES-RPG ausgenommen) angeeignet habe, funktioniert immer noch.

Der neueste Ableger der Paper Mario-Serie bleibt in dieser Hinsicht also seinen Wurzeln treu und ich bin glücklich. Vorerst jedenfalls. Denn Paper Mario: The Origami King macht auch einige Dinge anders als die Vorgänger, und zwar nicht durchgängig im positiven Sinn. Worin genau sich The Origami King von anderen Paper Mario-Spielen unterscheidet und warum das sowohl gut als auch schlecht ist, verrate ich euch in meinem Testbericht.

Es war einmal im Pilzkönigreich …

Paper Mario: The Origami King beginnt – wie eigentlich jedes Mario-Spiel – damit, dass Mario zum Palast von Prinzessin Peach reist. Sein Bruder Luigi begleitet ihn zum Origami-Fest, das im Palast und der umliegenden Toad Town gefeiert wird. Als Mario und Luigi am Ziel eintreffen, finden sie Stadt und Palast verlassen vor. Sie betreten den Palast, um nach Peach zu suchen, begegnen aber stattdessen einem Origami-Wesen namens König Olli, der alle Bewohner des Papier-Pilzkönigreichs zu Origami falten und damit die Weltherrschaft erringen will. Dazu reißt er den Palast aus dem Boden und fesselt ihn mit Luftschlangen an einem Berg fest. Ollis Schwester Olivia will den Plan ihres Bruders vereiteln und schließt sich deshalb mit Mario zusammen, um das Pilzkönigreich zu retten.

Ihr merkt schon: Paper Mario: The Origami King hat keine besonders anspruchsvolle Story zu bieten, sondern folgt wie gewohnt dem Prinzip Wir-retten-die-Prinzessin. Das Spiel garniert die ganze Flachpapier-Origami-Rivalität fleißig mit diversen Wortspielen, die in der deutschen Übersetzung gelungen rüberkommen, manchmal aber doch etwas arg nach Schenkelklopfer klingen. Die Idee, dass die Bewohner des Pilzkönigreichs – inklusive Bowser und seiner Schergen – zu Origamis gefaltet wurden und wir sie entfalten müssen, lässt aber immerhin Raum für diverse interessante Gameplay-Ideen – und das sollte ja schließlich auch im Zentrum eines Mario-Spiels stehen.

Hügel (Paper Mario: The Origami King)

Prächtiges Papierschloss mit kleinen Schönheitsfehlern

Weil in Paper Mario: The Origami King wie aus der Paper Mario-Serie gewohnt die gesamte Spielwelt aus Papier besteht, spielt Papier an sich für das Gameplay des Spiels eine zentrale Rolle. König Olli hat den Palast von Prinzessin Peach in insgesamt sechs Luftschlangen eingewickelt, deren Enden überall im Pilzkönigreich verteilt sind und darauf warten, dass wir sie auflösen. Jede der Schlangen markiert eine von insgesamt sechs Welten, die wir auf unserer Rettungsmission bereisen.

Das klingt wie der Aufbau eines klassischen Mario-Spiels – aber an dieser Stelle enden auch schon die Gemeinsamkeiten zwischen der Jump’n’Run-Reihe und Paper Mario: Denn anders als in den klassischen Super Mario-Jump’n’Runs kann Mario zwar springen und Items einsetzen, die Kämpfe funktionieren allerdings wie in einem Rollenspiel rundenbasiert.

Wir bewegen uns also durch die weitläufige Spielwelt von Paper Mario: The Origami King und treffen immer wieder auf Origami-Gegner, die uns ans Leder wollen. Die Gegner sind in der Spielwelt verteilt und laufen auf uns zu, sobald wir uns ihnen nähern. Berühren wir sie, beginnt der eigentliche Kampf.

Das Spiel nennt die Kämpfe »Scharenschlacht«: Wir finden uns in einer runden Arena wieder, die aus Drehscheiben besteht. Die Gegner hüpfen in die Arena, woraufhin sich die Scheiben drehen. Wir müssen die Gegner dann so anordnen, dass wir sie mit unseren Attacken treffen können. Das tun wir, indem wir die Drehscheiben verschieben. Sortieren wir sie so, dass wir mit einem Angriff alle Gegner in der Arena treffen, bekommen wir einen Angriffsbonus.

Fahrzeug (Paper Mario: The Origami King)

Die Sache hat allerdings ein paar Haken: Wir dürfen die Scheiben nicht beliebig oft verschieben, sondern bekommen nur eine vorher festgelegte Zahl an Zügen um die Scheiben zu drehen. Außerdem läuft im Hintergrund ein Timer, sodass wir nicht unendlich lange überlegen können, wie wir die Gegner am besten anordnen wollen. Wir dürfen aber Münzen ausgeben, die wir überall in der Spielwelt finden, um den Timer zu verlängern. Toads, die auf den Rängen rund um die Arena sitzen und die wir an diversen Orten im Spiel retten können, geben uns zusätzlich Hilfestellung: Gegen eine kleine Münzen-Gebühr feuern sie uns an und werfen beispielsweise Gegenstände auf unsere Feinde, die diesen Schaden zufügen.

Haben wir die Gegner angeordnet, beginnt der Angriff – und hier fühlen sich Paper Mario-Veteranen direkt wie Zuhause: Wir können Gegner mit Items bekämpfen, auf sie springen oder sie mit unserem Holzhammer plätten. Um unseren Angriff zu verstärken, setzen wir unsere Fähigkeit im richtigen Moment ein. Das Blocken gegnerischer Attacken funktioniert nach demselben Prinzip.

Trotzdem haben mich am Kampfsystem von Paper Mario: The Origami King ein paar Dinge gestört.

Insgesamt wirken die Kämpfe in Paper Mario: The Origami King erfrischend anders und doch vertraut. Ich habe mich schnell zurechtgefunden, weil das Spiel auf dem bekannten Paper Mario-Schema aufbaut und das neue Drehscheiben-System ausführlich erklärt. Spieler können außerdem recht früh im Spiel ein Kampfstudio in Toad Town freischalten, wo sie das Attacken-Timing und das Anordnen der Gegner in aller Ruhe üben können.

Trotzdem haben mich am Kampfsystem von Paper Mario: The Origami King ein paar Dinge gestört – und zwar so sehr, dass mir der ein oder andere Rage Quit nicht erspart blieb. Da wäre zuallererst der Timer. Ein bekannter deutscher Spielejournalist hat mal gesagt: Zeitdruck macht (fast) kein Spiel besser. Und das trifft auch auf Paper Mario: The Origami King zu.

Die Idee, rundenbasierte Kämpfe mit einer Art Schieberätsel zu kombinieren, klingt eigentlich ziemlich cool. Weil das Verschieben der Gegner aber nun mal ein Rätsel ist, das ein bisschen Hirnschmalz erfordert, setzt der Timer den Spieler unnötig unter Druck. Der Timer besitzt keinerlei Vorteil, er macht das Spiel nicht besser – und ich frage mich, warum ein derartiges Element in einem Titel, der sich betont einsteigerfreundlich gibt, überhaupt existiert.

Mario (Paper Mario: The Origami King)

Ein weiteres Problem ist die Dauer der Kämpfe: Die Animationen ziehen sich teilweise endlos hin, sodass ich irgendwann einfach keine Lust mehr auf die x-te Schergenschlacht gegen Origami-Gumbas hatte. Weil die Gegner aber in jedem Gebiet wieder neu erscheinen, sobald Mario es einmal verlassen hat, müssen wir mitunter immer wieder gegen dieselben Gegner kämpfen, wenn ein Ausweichen oder die Flucht aus dem Kampf gescheitert ist. Das nervt auf Dauer.

Das dritte Manko der Kämpfe wog für mich persönlich am schwersten: Denn während ältere Paper Mario-Spiele wie Die Legende vom Äonentor (GameCube) ein Levelsystem besaßen, verzichtet The Origami King in der Tradition von Colour Splash und Sticker Star auf derartige Rollenspiel-Elemente. Dadurch entfällt für mich ein zentraler Motivationsfaktor der Kämpfe: Warum soll ich überhaupt gegen die ohnehin viel zu schwachen Origami-Gumbas antreten, wenn ich am Ende nur Münzen bekomme, die ich dann wiederum fast ausschließlich für das Verlängern eines ohnehin überflüssigen Timers einsetze?

Das Gameplay von Paper Mario: The Origami King besteht aber nicht nur aus Kämpfen: Ab und an müssen wir auch kleinere Rätsel lösen, indem wir etwa Wände oder Gegenstände mit unserem Hammer abklopfen, um versteckte Dinge zu offenbaren. Manchmal erscheint dann eine besondere leuchtende Fläche auf dem Boden, auf die wir uns stellen und dann unsere speziellen Faltarme ausfahren können. Mario verlängert dann seine beiden Arme wie eine Ziehharmonika, die wir wiederum durch Neigen der Switch beziehungsweise der Joy-Cons in die gewünschte Richtung steuern. Die Arme erlauben uns dann, an vorgegeben Stellen im Spiel Papier von den Wänden zu reißen und darunter liegende Dinge und Personen freizulegen.

Was auf den ersten Blick wie eine nette Auflockerung des Gameplays klingt, erweist sich in der Praxis aber als ziemlich holprig, weil die Steuerung der Arme ziemlich frickelig funktioniert und leider auch nicht mit den Sticks der Joy-Cons ausgeführt werden kann. Später im Spiel kommen noch weitere derartige Funktionen hinzu, die ähnlich mühsam zu steuern sind.

Mit viel Liebe zum Detail

Wo Nintendo bei Paper Mario: The Origami King allerdings alles richtig gemacht hat, ist die Technik: Das Spiel sieht einfach wunderhübsch aus und beweist wie zuvor auch schon Yoshi’s Crafted World und The Legend of Zelda: Link’s Awakening (Switch), dass es keiner top-aktuellen Hochleistungshardware bedarf, um tolle Grafik auf den Bildschirm einer portablen Konsole zu zaubern.

Die Spielwelt von The Origami King strotzt vor Details und man spürt an jeder Ecke, mit wie viel Liebe zum Detail die Entwickler sie entworfen haben. Papierblumen säumen Berglandschaften aus Pappe, auf denen Papierfetzen die Grasflächen darstellen, Mauern aus kleinen Papierklötzen mit Kleber zusammengesetzt sind und Türen oder Münzen aus Wellpappe bestehen. Die ganze Spielwelt wirkt wie aus einem Guss und unglaublich stimmig. Ich habe mich beim Spielen immer wieder dabei ertappt, wie ich an einer Ecke stehen blieb, nur um beispielsweise Graffiti von Mario und Peach an der Wand eines unterirdischen Kanals zu bestaunen oder mich in den liebevoll designeten Häusern der Toads umzusehen.

Der Sound von The Origami King steht der Grafik übrigens in nichts nach: Wie von einem Mario-Spiel gewohnt, ertönen aus den Lautsprechern je nach Gebiet passende Ohrwurm-Melodien und Varianten des klassischen Mariothemas. Wer mag, kann im Museum von Toad Town auch einzelne Schallplatten der Musikstücke freischalten, indem er alle Löcher eines bestimmten Gebiets mithilfe gesammelter Papierschnipsel repariert.

Fans sollten einen soliden Ableger erwarten, der durchaus Spaß macht, aber das Rad nicht neu erfindet.

Fazit: Ich fand die Paper Mario-Spiele immer besser als die klassischen Mario-Titel. Weil ich seit dem GameCube-Ableger Die Legende vom Äonentor der Serie verfallen bin, die Mario in eine Art Rollenspiel-Gameplay verfrachtet, habe ich mich sehr auf das neue Paper Mario für die Switch gefreut.

Leider hat das Spiel meine Erwartungen nur zum Teil erfüllt: Ja, es sieht unfassbar hübsch aus und die Liebe, die die Entwickler in ihr Machwerk gesteckt haben, strömt mir aus allen Ecken entgegen. Trotzdem hat mir das unausgegorene Kampfsystem einfach ein paar Mal zu oft den Spielspaß verleidet. Außerdem haben mir ein wenig die interessanten Quests gefehlt, die frühere Paper Marios großartig gemacht haben (beispielsweise die Storyline rund um die Falkenheim-Arena in Die Legende vom Äonentor).

Ich hatte insgesamt definitiv eine gute Zeit mit Paper Mario: The Origami King. Das beste Spiel der Paper Mario-Reihe ist es aber bei Weitem nicht. Fans sollten vielmehr einen soliden Ableger erwarten, der durchaus Spaß macht, aber das Rad nicht neu erfindet.

Paper Mario: The Origami King ist am 17. Juli 2020 für die Nintendo Switch erschienen.