Flügelschlag ist nicht bloß eines der schönsten Brettspiele der letzten Jahre, sondern auch eines der meistverkauften und meistbesprochenen der vergangenen 18 Monate. Rund eine halbe Millionen Exemplare des »Kennerspiel des Jahres 2019« wurden weltweit bereits an den Mann und die Frau gebracht, rezensiert wurde es unter anderem in der New York Times und im Guardian. Das Spiel ist zweifelsohne ein Phänomen.
Hier geht es zu einer ausführlichen Rezension des »Kennerspiel des Jahres 2019« Flügelschlag.
Dass kürzlich die erste Erweiterung zu Flügelschlag erschienen ist, kommt da wenig überraschend. Brettspielfans erwarten bekanntlich ständig Nachschub. Außerdem wurde gerade hierzulande häufiger ein Kritikpunkt am Grundspiel geäußert: Dass es ja ganz nett sei, ein Spiel mit nordamerikanischen Vögeln zu spielen, doch dass es bestimmt noch immersiver ginge, nämlich mit europäischem Federvieh. Und schwuppdiwupp ist die Flügelschlag Europa-Erweiterung auch schon da.
81 heimische Piepmätze wie Lachmöve, Weißrückenspecht, Heckenbraunelle und Buntfuß-Sturmschwalbe kommen als neue Vogelkarten hinzu. Dazu gibt es neue Zielmarker und Bonuskarten sowie einiges Material, was im Grundspiel zu fünft schon mal knapp werden konnte. Eine lila Aufbewahrungsbox füllt die nicht zu kleine Spieleschachtel weiter auf.
Das ist alles schön und gut und wie immer extrem ansehnlich gestaltet. Was allerdings überrascht, ist, dass man dieses neue Material mit dem vorhandenen kombiniert. Spielerisch bedeutet dies, dass wir kein europäisches Refugium anlegen, sondern wohl eher einen Vogelpark mit heimischen Bewohnern und Besuchern aus Übersee. Atmosphärisch ist das vielleicht nicht ideal gelöst, doch als eingefleischter Spieler ist man ja thematisch weitaus wildere Verrenkungen gewöhnt, sodass mich das gar nicht weiter stört.
Einzig die Mathematik macht mir zu schaffen: Da wir jetzt insgesamt 251 Vogelkarten im Spiel haben und, grob geschätzt, nur 50 bis 60 davon in einer Zweierpartie auftauchen, kann es passieren, dass man einige der neuen Karten für eine ganze Weile gar nicht zu Gesicht bekommt, insbesondere wenn man noch sozial distanziert spielt. Das ist zwar gut für den Überraschungseffekt in ein paar Monaten, aber befriedigt nicht unbedingt unsere Neugier auf die neuen Elemente.
Denn auch wenn die Fähigkeiten der Vögel nicht so arg anders sind als im Grundspiel, gibt es doch einiges zu entdecken wie Rundenende-Boni und interessante Spielereien mit den Futterwürfeln. Lustigerweise kenne ich Vogelkarten, die in unterschiedlichen Reihen gleichzeitig eingesetzt werden, bislang nur aus den Berichten anderer Spieler. Diese scheuen Vögel haben sich nämlich leider in meinen Partien noch nicht aus dem Kartenstapel getraut.
Endlich muss man nicht überall nur Eier zählen, sondern kann auch mal auf andere Strategien setzen.
Neben den Vogelkarten bringen die neuen Zielplättchen die meiste Abwechslung ins Spiel. Endlich muss man nicht überall nur Eier zählen, sondern kann auch mal auf andere Strategien setzen. Denn das war ja ein zweiter großer Kritikpunkt: Dass Eier zu wichtig seien im Grundspiel und man im letzten Viertel kaum mehr etwas anderes machen würde, als Eier zu legen. Mir kommt es tatsächlich so vor, als hätten wir am Ende aller Testpartien meist weniger Eier auf unseren Spielertableaus liegen gehabt als zuvor. Dafür, so scheint mir, werden jetzt häufiger Karten weggesteckt, was leider schon immer irgendwie eine schwache Mechanik war und behelfsmäßig rüberkam.
Fazit: Die abschließende Frage lautet jetzt natürlich: Brauche ich die Flügelschlag-Erweiterung? Wer das Spiel nur ein- oder zweimal im Jahr zu Weihnachten spielt, ist eigentlich mit dem Grundspiel ausreichend versorgt. Für echte Fans aber – die, siehe oben, immer nach Neuem gieren – bringt die Erweiterung etwas Abwechslung ins Spiel und lädt zu weiterem Entdecken und Ausprobieren ein. Und richtig krass was Neues hat sich Autorin Elizabeth Hargrave dann hoffentlich für die Ozeanien-Erweiterung überlegt. Diese erscheint nämlich in diesem Jahr auch noch.
Flügelschlag Europa-Erweiterung von Elizabeth Hargrave, Feuerland Spiele, 1-5 Spieler ab 10 Jahren, 24,90 Euro.
