Key Art (Command & Conquer Remastered Collection)

Unaufhaltsam rollen meine rostgelben Schützenpanzer auf die Befestigungsanlagen der NOD-Basis zu. Nichts kann sie aufhalten, nicht einmal ein paar fanatische NOD-Soldaten in ihren aschgrauen Uniformen, die in ihren finalen Verteidigungsbemühungen das Visier ihrer Raketenwerfer auf die Stahlkolosse vor ihnen richten. Doch meine Panzer machen kurzen Prozess mit der lächerlichen Gegenwehr und überrollen kurzerhand die verbliebenen NOD-Schergen. Ich höre ihre Todesschreie, bevor eine vertraute Stimme das altbekannte »Ziel erreicht« quakt.

Moment mal – Todesschreie? Tatsächlich hat sich nämlich in der Remastered Collection von Command & Conquer nicht nur die Grafik verändert, sondern auch ein wesentliches Detail der deutschen Originalversion: Denn während wir im deutschen Original von 1995 gegen Cyborgs anstelle von menschlichen Soldaten kämpfen mussten, weil EA eine Indizierung des Spiels befürchtete, fallen diese Schnitte in der Remaster-Version komplett weg. Welche Rolle diese Anpassung für die Spielerfahrung mit sich bringt, und inwiefern es sich bei der Remastered Collection um eine gelungene Neuauflage des Strategieklassikers Command & Conquer handelt, verrät unser Test.

Alles neu macht … das Remaster?

Wer ein Remaster von einem Spiel entwickeln will, dass für seine Fans zu den absoluten Klassikern seines Genres zählt, steht vor einem Problem: Wie kann die Gratwanderung zwischen Originaltreue und Modernisierung gelingen? Spieler erwarten von einem Remaster nämlich nicht einfach nur ein bisschen aufgehübschte und hochskalierte Texturen, sondern einen echten Mehrwert gegenüber dem Originalspiel. Gleichzeitig darf das Remake aber nicht seine Herkunft verleugnen und muss den Charme des Originals beibehalten. Wie schlägt sich Command & Conquer in dieser Hinsicht?

Sidebar (Command & Conquer Remastered Collection)

Ein Blick auf den Inhalt der Remastered Collection und auf die Anpassungen, die die Entwickler an Command & Conquer vorgenommen haben, macht jedenfalls Hoffnung:

  • Die Collection beinhaltet Command & Conquer: Der Tiberiumkonflikt sowie Command & Conquer: Alarmstufe Rot inklusive aller Erweiterungen, der exklusiven Konsolenmissionen für das Nintendo 64 und die PlayStation, die versteckten Geheimmissionen mit Dinos und Ameisen sowie einen Karteneditor.
  • EA hat den Code des Spiels freigegeben, sodass die Remastered Collection auch Mods unterstützt.
  • Es gibt einen Multiplayer-Modus inklusive Matchmaking und Rangliste für 1v1-Partien.
  • Spieler können durch das Abschließen von Kampagnenmissionen Bonusmaterial freischalten, darunter alte Fotos des Entwicklerstudios Westwood.
  • Die Entwickler haben alle Grafiken im Spiel neu gezeichnet. Außerdem lässt sich die Ansicht zoomen.
  • Der Soundtrack wurde neu abgemischt und um ein paar Bonustracks erweitert.

Grafisch hat sich viel und gleichzeitig wenig am Remaster der beiden in der Collection enthaltenen C&C-Teile getan: Die Entwickler haben für alle Einheiten und Umgebungen neue Grafiken erstellt, die deutlich besser aussehen als die grobpixeligen Originale. Wer möchte, kann per Druck auf die Leertaste direkt zwischen alter und neuer Grafik wechseln. Der Haken an der Sache: Dadurch, dass die Grafik auf der alten Bitmap-Technik basiert, dürfen Fans keine herausragenden optischen Effekte erwarten. Das Remaster sieht ordentlich aus – aber nicht mehr.

Vorher-nachher-Vergleich (Command & Conquer Remastered Collection)

Ich muss aber zugeben, dass mich die Zwischensequenzen und Missionsbriefings etwas enttäuscht haben. Die sehen nämlich teilweise wirklich grauenvoll aus. Da hätte sich Entwickler Petroglyph definitiv etwas mehr Mühe geben können, auch ohne die Videos gleich komplett neu aufzunehmen.

Alte Stärken, alte Schwächen

Die Remastered Collection ändert erwartungsgemäß nichts am Gameplay von Command & Conquer. Es gibt keine neuen Einheiten und keine Änderungen am Balancing oder an den Missionen der Single-Player-Kampagne. Das ist gut, weil es eine maximal mögliche Originaltreue garantiert. Aber es führt auch dazu, dass insbesondere erfahrene Strategiefans den C&C-Teilen doch recht schnell ihr Alter anmerken.

Ein paar Neuerungen gibt es aber trotzdem:

  • Wir können mehrere Einheiten desselben Typs im Bild per Doppelklick auf einmal auswählen.
  • Die Bauleiste zeigt mehr herstellbare Einheiten und Gebäude an.
  • Wir können den Zustand beschädigter Einheiten und die Kapazität von Silos und Raffinerien dauerhaft anzeigen lassen.
  • Es gibt Warteschlangen für Gebäude.

Weil EA außerdem Mod-Support für die gesamte C&C Remastered Collection erlaubt, können Fans über den Steam Workshop diverse hilfreiche (und zukünftig vermutlich auch sinnfreie oder lustige) Mods herunterladen, um fehlende Komfortfunktionen nachzurüsten. Es existieren schon jetzt Modifikationen, die beispielsweise das Bauen von Mauern und Sandsackwällen erleichtern, zusätzliche Zoom-Optionen hinzufügen oder den Nahkampf für Infanterie reaktivieren. Vielleicht wird es in Zukunft auch Mods mit neuen Missionen geben, die eines der größten Versäumnisse der Remastered Collection ausbügeln.

Fazit: Ich habe Command & Conquer seinerzeit geliebt, gesuchtet – und vor allem auf dem Nintendo 64 gespielt. Meine Eltern besaßen damals, als das Spiel erschien, einen alten 486er-PC mit 8 MB RAM, auf dem mein geliebtes C&C einfach nicht wirklich rund laufen wollte. Die N64-Version war meine Rettung, zumindest dann, wenn ich C&C nicht zusammen mit einem befreundeten Nachbarsjungen in dessen Hobbykeller über das lokale Netzwerk zocken konnte.

Command & Conquer fühlt sich in der Remastered Collection genauso an »wie damals«.

Ihr merkt schon: Ich verbinde jede Menge nostalgischer Erinnerungen mit Command & Conquer. Die Remastered Collection ist deshalb wie für mich gemacht: Allein das Intro, die grobpixeligen Zwischensequenzen, die Ansagen der Computerstimme und der schlecht geschauspielerte Commander Sheppard zaubern mir ein breites Grinsen aufs Gesicht. Dass ich das Spiel jetzt auch endlich ohne Schnitte in der Originalfassung zocken und die Grafik per einfachem Tastendruck zwischen Alt und Remastered wechseln kann, macht mein ganz persönliches Retro-Erlebnis perfekt: Command & Conquer fühlt sich in der Remastered Collection genauso an »wie damals«.

Aber genau da liegt auch das Problem des Remasters: Wer C&C früher nie gespielt hat, bekommt ein Echtzeitstrategiespiel serviert, dem man sein Alter an diversen Stellen doch deutlich anmerkt. Trotzdem: Habt ihr diese beiden Klassiker des RTS-Genres bislang verpasst, bietet die Remastered Collection mit der durchaus ordentlichen grafischen Überarbeitung die perfekte Gelegenheit, diese Nostalgie-Perle nachzuholen. In diesem Sinne, »Einsatzziel erreicht«, liebe Entwickler.

Command & Conquer Remastered Collection ist am 5. Juni 2020 für PC erschienen.