Key Art (Maneater)

Erinnert ihr euch noch an Ubisofts Mobile-Game Hungry Shark Evolution? Darin steuert man einen hungrigen Haifisch, der sein Überleben sichert, indem er einfach alles und jeden auffrisst. Als das Spiel 2012 veröffentlicht wurde, habe ich es wirklich in jeder freien Minute auf meinem Smartphone gezockt. Ich fand es deutlich unterhaltsamer als das grottige Jaws Unleashed, welches ich einige Jahre vorher für PS2 und Xbox testen musste. Das Gameplay von Hungry Shark Evolution war zwar monoton und hektisch, aber dadurch bestens für eine schnelle Runde zwischendurch geeignet.

Eine Konsolen- oder PC-Version, mit deutlich erweiterter Spielmechanik, war immer ein Traum von mir. Nicht nur fressen und gefressen werden, sondern auch das Meer und seine Geheimnisse erkunden. Wäre das nicht toll? Die gute Nachricht: Tripwire Interactives Maneater schlägt genau in diese Kerbe.

Ihr beginnt eure Karriere als Baby-Hai, dessen Mutter von einem fiesen Haijäger namens Scaly Pete massakriert wurde. Als sprichwörtlicher kleiner Fisch könnt ihr noch keine großen Sprünge machen. Ihr seid erst einmal dazu verdammt, mickriges Kleingetier zu fressen, um zu wachsen und bessere Fähigkeiten zu entwickeln. Dabei lassen sich viele eurer Opfer nicht auf einmal verschlingen, also hämmert ihr mehrmals auf die Fresstaste, um ihre Lebensleiste zu dezimieren. Um euch festzubeißen und die Beute ordentlich durchzuschütteln, rüttelt ihr mit dem rechten Stick, während die Fresstaste gedrückt bleibt.

Fressen oder gefressen werden

Die Steuerung hält einige Finessen bereit und erlaubt schnelles seitliches Ausweichen sowie Turboschwimmen per Schultertaste. Majestätische Sprünge? Unter die Wasseroberfläche abtauchen? Auch dafür gibt es gesonderte Buttons. In vielen Spielen gestalten sich Schwimm- und Taucheinsätze recht umständlich, doch in Maneater geht das erfreulich präzise. Zwei Dinge haben mich dennoch gestört: Befindet sich ein Gegner oder Opfer knapp unter der Wasseroberfläche, schaltet das Spiel gerne mal in den »Oberflächenmodus«. Das bedeutet, dass der Hai an der Wasseroberfläche klebt und ihr extra eine Taste betätigen müsst, um erneut abzutauchen. Ebenso nervig sind Fressfeinde, die sich in unmittelbarer Nähe unseres Hais befinden, weil man sich dann ewig nur im sprichwörtlichen Kreis dreht.

Maul (Maneater)

Ihr seid Teil der Nahrungskette und es schwimmt immer jemand herum, der größer und stärker ist. Sämtliches Getier ist entsprechend gekennzeichnet, damit ihr auf einen Blick erkennen könnt, ob ihr etwas fressen oder davon Abstand nehmen solltet. Im Laufe des Spiels wächst euer Hai auf stattliche Größe heran, um es auch mit größeren Kalibern aufzunehmen. Die Evolution ist zentraler Bestandteil des Gameplays. Je kleiner man ist, desto defensiver und zurückhaltender agiert man in Maneater. So zieht man als Baby-Hai gegen Alligatoren immer den Kürzeren und macht deshalb ständig einen großen Bogen um die hungrigen Reptilien. Hat man aber erst einmal an Körpermasse und Fähigkeiten zugelegt, bilden Alligatoren einen willkommenen Snack.

Ich will nicht lügen: Es ist einfach nur geil, als menschenfressendes Monster die Sau herauszulassen.

Kills ohne Skills

Das Fähigkeitensystem ist interessant gestaltet, aber nicht unbedingt realistisch. Unser Hai lässt sich mit Knochenplatten panzern, aber auch mit Elektrozähnen und Giftdrüsen aufrüsten, um Feinde zu vergiften oder in Schockstarre zu versetzen. Er verfügt über eine Art Sonar, das Feinde und interessante Objekte in der Umgebung hervorhebt. Meeresbiologen schütteln bei solchem Unsinn nur mit dem Kopf, aber irgendwas muss man sich als Entwickler einfallen lassen, um das Gameplay interessanter zu gestalten.

Ich will nicht lügen: Es ist einfach nur geil, als menschenfressendes Monster die Sau herauszulassen. Wenn man eine gewisse Größe erreicht, lässt sich vor allem an Badestränden ordentlich Welle machen. Ihr könnt tatsächlich an Land gleiten oder auf das Deck eines Bootes springen, um wie ein Mähdrescher durch kreischende Menschen zu pflügen. Allerdings sollten diese Ausflüge nicht zu lange dauernd, sonst droht der Erstickungstod. Natürlich bleiben derartige Massaker nicht unbemerkt und darum hängen euch ständig irgendwelche Haifischjäger an den Flossen. Die können ganz schön nerven, weil ihr gezwungen werdet, andauernd auf die Ausweichtaste zu hämmern. Da sich die Jäger häufig außerhalb des eigenen Sichtfelds befinden, ist taktisches Vorgehen nur selten möglich.

Meer tief, aber Spiel flach

Damit wären wir schon bei meinem größten Problem: die mangelnde Spieltiefe. Zwar gibt es mächtige Gegner, die euch so einiges abverlangen, aber Taktik und Intelligenz gehören nicht dazu. Vielleicht wollten die Entwickler damit unterstreichen, dass Haifische dumme Fressmaschinen sind? Auf Dauer ist das jedenfalls sehr unbefriedigend, auch wenn man regelmäßig Upgrades und Skills freischaltet. Ehrlich gesagt, hatte ich schon nach zwei Stunden keinen Bock mehr auf das Spiel. Kleine und große Kreaturen fressen, Bosse bekämpfen und ab und zu eine versunkene Sehenswürdigkeit bewundern – mehr passiert nicht. Ich war echt froh, als nach knapp siebeneinhalb Stunden endlich Schluss war.

Ich hätte mir abseits der Action mehr Erkundung und Adventure gewünscht. Beispielsweise wie in Abzû, das auch beim Environmental Storytelling mehr zu bieten hat. Zwar gibt es in der Unterwasserwelt von Maneater durchaus interessante Umgebungen, aber letztlich sind sie nur Kulisse für einen stundenlangen Fress-Marathon. Würde Maneater technische Maßstäbe setzen, dann könnte ich als alte Grafikhure über spielerische Mängel hinwegsehen. Leider ist aber auch die Optik nur Mittelmaß.

Der größte Feind in Maneater ist nicht Scaly Pete, sondern die Monotonie.

Fazit: Maneater wird in der Presse häufig als Unterwasser-GTA bezeichnet, aber der Vergleich hinkt. In GTA gibt es zahlreiche Fahrzeuge und unterschiedlichste Waffen, die das Gameplay bereichern. Es macht einen Riesenunterschied, ob ich mit Motorrad und Uzi oder zu Fuß mit einem Scharfschützengewehr unterwegs bin. Maneater spielt sich aber immer gleich. Der größte Feind in Maneater ist nicht Scaly Pete, sondern die Monotonie.

Maneater ist am 22. Mai 2020 für PC, PlayStation 4, und Xbox One erschienen. Die Nintendo-Switch-Version soll Ende des Jahres folgen.