Baum; Artwork (Trials of Mana)

Gleich zu Beginn ein Disclaimer: Obwohl ich Anfang der 90er Jahre in der zum Hobby-Raum umgebauten Garage meines besten Kumpels viele Stunden mit JRPGs auf dem Super Nintendo verbracht habe, konnte ich nie Hand an das originale Trials of Mana legen, weil das Spiel offiziell nur in Japan erschienen ist und ich keinen Zugang zu der japanischen Fassung hatte. Meine Testerfahrung besitzt also keine nostalgisch-verklärte Momentaufnahme vergangener Tage als Grundlage. Stattdessen habe ich das Remake von Square Enix’ Klassiker aus rein moderner Perspektive erlebt – und eine gehörige Überraschung erlebt.

Ein JRPG der (nicht ganz so) anderen Art

Die Neuauflage von Trials of Mana in Form eines 3D-Remakes bietet westlichen Fans der Mana-Serie die Möglichkeit, den Nachfolger von Secret of Mana nach dem westlichen Release des Originals im Sommer 2019 in zeitgemäßem Gewand zu genießen.

Trials of Mana gehört zwar dem Genre der JRPGs an, unterscheidet sich aber von anderen Vertretern wie Final Fantasy durch den Fokus auf ein actionbasiertes Echtzeit-Kampfsystem. Die Story von Trials of Mana gehört hingegen zum Genre-Standard: Die Handlung dreht sich um einen Baum, ein magisches Schwert, manabegabte Feen und einen Helden, der die Welt vor der Zerstörung retten muss. Das Setting erinnert damit irgendwie an The Legend of Zelda (wie auch das bereits erwähnte Echtzeit-Kampfsystem).

Rollenspiel-Fans dürfen von Trials of Mana außerdem keine tiefschürfenden Dialoge oder vielschichtigen Charaktere erwarten. Zu Beginn des Spiels entscheiden wir uns für einen Haupthelden und zwei weitere Partymitglieder, wobei wir aus insgesamt sechs Charakteren wählen. Wir erleben zunächst die Hintergrundgeschichte unseres Hauptcharakters, während die beiden anderen Helden kurze Zeit später im Verlauf des ersten Story-Kapitels zu uns stoßen. Dabei haben wir die Möglichkeit, die Geschichte dieser beiden Charaktere ebenfalls durchzuspielen. Entscheiden wir uns dagegen, bringt uns das Spiel aber trotzdem in einer kurzen Rückblende auf den Stand der Dinge. Wer also keine Lust hat, sich durch die kurzen Geschichten der anderen Partymitglieder zu zocken, verpasst nichts – ein Umstand, den ich persönlich als sehr angenehm empfand.

Duran (Trials of Mana)

Ansonsten kommt die Story für ein JRPG ungewöhnlich schnell in Fahrt und wir bekommen innerhalb der ersten Spielstunde erklärt, warum wir der auserwählte Held sind, der die Welt retten muss. Große Überraschungen hat Trials of Mana in Sachen Story aber nicht zu bieten. Die Charaktere triefen vor Klischees, aber immerhin reichte der Einstieg ins Spiel aus, um mich bei der Stange zu halten und weiterzuzocken – eine Entscheidung, die ich nicht bereuen sollte.

Liebevolles Remake eines Klassikers

Gaming-Entwickler sind in der Vergangenheit immer wieder an der würdigen technischen Umsetzung von Remakes beliebter Videospiele gescheitert – Square Enix bildet mit Trials of Mana eine rühmliche Ausnahme. Dabei war die Aufgabe, das JRPG in ein modernes 3D-Gewand zu hüllen, bestimmt kein ganz einfaches Unterfangen. Und auch wenn ich zugeben muss, dass mir der Soundtrack des Spiels nach kurzer Zeit extrem auf die Nerven ging, haben die Entwickler von Trials of Mana in Sachen Grafik und Sprachausgabe einen mehr als ordentlichen Job gemacht.

Die Grafik von Trials of Mana schafft das Kunststück einer Gratwanderung zwischen moderner Optik und dem Charme des Originals. Weil Trials of Mana auch für die Nintendo Switch erschienen ist, verfügt das JRPG über eine eher mäßige technische Opulenz: Texturen wirken bei genauem Hinschauen verwaschen, es gibt Treppcheneffekte und selten laden Objekte im Hintergrund nach. Trotzdem wirkt das optische Gesamtkonzept von Trials of Mana stimmig, weil die Entwickler sich für eine Cartoongrafik entschieden haben, die sehr gut zum Setting passt und an Dragon Quest XI erinnert. Ich habe während meines Tests mit der PlayStation-Version übrigens keine merklichen Framerate-Einbrüche feststellen können. Die Ladezeiten bewegten sich die ganze Zeit über in einem angenehm kurzen Rahmen.

Keine Zufallskämpfe? Danke, Square!

Wer mit dem Gameplay von Trials of Mana nicht vertraut ist, muss wissen: Das JRPG verzichtet auf Zufallskämpfe. Damit fehlt dem Spiel eines meiner persönlichen größten Hassobjekte eines Genres, das ich ansonsten sehr zu schätzen weiß. Dass Trials of Mana darüber hinaus auch noch auf Echtzeitkämpfe setzt, lässt mein Gamer-Herz nur noch höher schlagen.

Schildkröte; Artwork (Trials of Mana)

Das Kampfsystem von Trials of Mana geht dabei die ganze Zeit über sehr gut von der Hand. Wir greifen Gegner mit schnellen oder starken Melee-Attacken an, weichen aus und springen – das sind die Hauptaktionstasten, die wir während des Kampfes nutzen. Darüber hinaus besitzt jeder Charakter entsprechend seiner Klasse, von denen wir uns im Lauf des Spiels für eine von mehreren pro Held entscheiden dürfen, spezifische Fähigkeiten. Letztere müssen wir aufladen, bevor wir sie benutzen können. Ergänzend dazu dürfen wir im Kampf diverse Items nutzen, etwa um uns zu heilen, Statuseffekte zu entfernen oder unseren Gegnern zusätzlichen Schaden zuzufügen.

Greifen wir einen Gegner an, reicht es aber nicht aus, stumpf auf unsere Angriffstasten zu hämmern. Jeder Gegner verfügt ebenfalls über besondere Attacken, die unsere Helden in einem bestimmten Umkreis treffen können. Das Spiel zeigt uns diesen Umkreis als leuchtendes Feld auf dem Boden an. Damit wir keinen Schaden nehmen, weichen wir mithilfe der entsprechenden Taste aus, greifen wieder an, weichen aus und so weiter, bis unser Feind im Staub liegt. Das Ausweichen lohnt sich übrigens nicht nur, damit wir in den zunehmend schwerer werdenden Kämpfen überleben, sondern auch wegen eines besonderen Bonus-Systems im Spiel: Wer es nämlich schafft, einen Gegner zu besiegen, ohne selbst Schaden zu erleiden, bekommt zusätzliche Erfahrungspunkte. Dasselbe gilt, wenn wir einen Gegner besonders schnell umhauen.

Weil wir aber nicht alleine, sondern in einer Party aus drei Helden unterwegs sind, können wir jederzeit zwischen den drei Helden wechseln – auch im Kampf. Dafür reicht ein einzelner Tastendruck. Die Möglichkeit, zwischen Helden zu wechseln, verschiedene Fähigkeiten zu nutzen und zu kombinieren, auszuweichen und die Gesundheit unserer Party zu managen, machen die Kämpfe in Trials of Mana sehr dynamisch und motivierend. Deshalb stört auch das gelegentliche Backtracking im Spiel wenig, wenn wir eine längere Strecke durch eine Höhle oder ein Waldstück zurück in eine Stadt laufen und auf dem Weg dieselben Feinde bekämpfen müssen wie auf dem Hinweg.

Neben dem gelungenen Kampfsystem gehört auch die Charaktergestaltung zu den großen Stärken von Trials of Mana. Wir können wie bereits erwähnt aus sechs Heldenklassen wählen, die jeweils acht unterschiedliche Klassen besitzen. Diese Klassen unterscheiden sich in einen hellen und einen dunklen Pfad. Haben wir uns einmal für einen Pfad entschieden, können wir diesen nicht mehr wechseln, uns aber innerhalb eines Pfades später für eine andere Klasse entscheiden. Die Klassen spielen sich sehr unterschiedlich und bestimmen, auf welcher Spielweise und welchen Fähigkeiten der Fokus unseres Charakters liegt.

Leider haben die Entwickler von Trials of Mana es versäumt, die Fähigkeiten, die wir im Verlauf des Spiels über Level-Ups erlernen können, allesamt sinnvoll und als erstrebenswerte Ziele der Charakterentwicklung zu entwerfen. Es gibt allzu oft lediglich passive Boni wie fünf Prozent mehr Rüstung, die wenig Spaß machen und ziemlich uninspiriert wirken. Zugegebenermaßen hätte sich Square mit anderen Skills aber auch ziemlich weit von der Vorlage entfernen und eine sehr große Menge unterschiedlicher Fähigkeiten neu entwerfen müssen. Deshalb kann ich dieses kleinere Manko beim Gameplay von Trials of Mana noch verschmerzen.

Unter der Haube von Trials of Mana verbirgt sich ein exzellentes JRPG, das auch heute noch begeistern kann.

Fazit: Trials of Mana hat mich im Test positiv überrascht: Als ich nach wenigen Spielminuten erst mal die Sprachausgabe auf Japanisch und die Sprache der Textboxen auf Englisch umgestellt hatte, konnte ich ziemlich schnell über die klischeebeladenen Charaktere und die 08/15-Story hinwegsehen. Denn unter der Haube von Trials of Mana verbirgt sich ein exzellentes JRPG, das auch heute noch begeistern kann.

Das griffige Kampfsystem von Trials of Mana hat mich als Hasserin von Zufallskämpfen und Rundentaktik schnell in seinen Bann gezogen. Das eingängige Gameplay ließ mich die Schwächen in der Präsentation vergessen und sorgte dafür, dass sich spätestens nach einer Spielstunde das klassische »Nur noch eine Quest«-Gefühl einstellte – und welche höhere Auszeichnung als das kann es für ein Rollenspiel noch geben?

Trials of Mana wurde am 24. April 2020 für Nintendo Switch, PC und PlayStation 4 veröffentlicht.