Key Art; Square (Gears Tactics)

Seit 14 Jahren ballern wir in Microsofts Gears of Wars-Reihe blutrünstige Alien-Invasoren zu Matsch. Die muskelbepackten Soldaten der Coalition of Ordered Governments wirken immer extrem heroisch und uramerikanisch, auch wenn sie von unterschiedlichsten Kulturen abstammen. Einem COG-Soldier genügt es nicht, außerirdischen Demokratiefeinden mit ein paar Kugeln zu begegnen. Der Einsatz kerniger Sprüche und übertriebener Kettensägengewalt ist zwingend erforderlich. Fehlt nur noch ein »USA! USA!«-Chor, der aus den Lautsprechern tönt, während sie durch das Blut ihrer Feinde waten. Dass es Xbox Game Studios mit Gears Tactics gelungen ist, das unverwechselbare Flair der Shooter verlustfrei ins Rundenstrategie-Genre zu übertragen, verdient großes Lob.

Gears Tactics ist kein verwässerter Genre-Mix, sondern ein Paradebeispiel für intelligente Rundenstrategie mit tiefgründigen Mechaniken. Ihr agiert zwar rundenweise wie in X-COM oder Phoenix Point, dennoch fühlt sich das Gameplay sehr actionreich an. Während man in X-COM besonders akribisch planen muss, weil ein einziger Fehltritt über Sieg und Niederlage entscheiden kann, wirken die Schlachten in Gears Tactics deutlich flexibler.

Um mal eine Sport-Analogie zu bemühen: X-COM ist Boxen und Gears Tactics eher Mixed Martial Arts.

Unsere Soldaten dürfen pro Zug drei beliebige Aktionen ausführen. Zum Beispiel von einer Deckung zur nächsten spurten, dann einen Gegner unter Beschuss nehmen und abschließend die Waffe nachladen. Man kann aber auch auf der Stelle verharren, mehrmals ballern oder unterschiedliche Spezialfähigkeiten einsetzen. Um mal eine Sport-Analogie zu bemühen: X-COM ist Boxen und Gears Tactics eher Mixed Martial Arts.

Storytechnisch ist das Ganze zwölf Jahre vor dem ersten Gears of War angesiedelt. Die Hauptrolle übernimmt Gabe Diaz – ein Name, den Fans der Serie sicher schon einmal gehört haben. Gemeinsam mit anderen Überlebenden muss Gabe den Locust-Führer Ukkon zur Strecke bringen. Die Geschichte fügt der Gears-Historie keine großen Überraschungen hinzu und wird garantiert keinen Preis fürs Storytelling gewinnen.

Bosskampf (Gears Tactics)

Dafür sind die Zwischensequenzen cool inszeniert und hübsch anzusehen. Apropos: Gears Tactics ist definitiv das grafisch aufwendigste Rundenstrategiespiel da draußen und muss sich in puncto Detailreichtum nicht vor der Shooter-Vorlage verstecken.

Den Wurzeln treu geblieben

Die Entwickler haben sich eine Menge einfallen lassen, um die strategischen Schlachten so abwechslungsreich und dynamisch wie möglich zu gestalten. Freund und Feind verfügen über charakteristische Skills und für jede dieser Fähigkeiten existiert ein probates Gegenmittel. Dadurch fühlen sich manche Situationen wie wunderschön vertrackte Puzzle an. Es genügt also nicht, in Deckung zu bleiben und Gegner zu flankieren.

Manchmal ist Angriff die beste Verteidigung und stellenweise macht es sogar Sinn, den Tod eines Gegners hinauszuzögern. Versetzen wir unseren Feind nämlich in einen kritischen Zustand, können wir spezielle Finisher ausführen. Diese werden nicht nur mit Brutalo-Animationen, sondern auch mit einem zusätzlichen Aktionspunkt für unsere Mitstreiter belohnt.

Gabe (Gears Tactics)

Es fühlt sich unheimlich befriedigend an, brenzlige Situationen zu entschärfen, indem wir Aktionen geschickt kombinieren und noch einen Extra-Move herausholen. Vor allem, weil sich unsere Truppe ständig in der Unterzahl befindet. Die Gears of War-Reihe steht seit jeher für riesige Gegner-Horden und da ist es nur konsequent, diese auch in der Tactics-Variante wiederzufinden. Im Vergleich zu anderen Rundenstrategiespielen scheißt uns Gears Tactics quasi mit Gegnern zu (Verzeiht die Ausdrucksweise, aber mir fällt keine treffendere Umschreibung ein).

Auch die fetten Bosskämpfe heben das Spiel deutlich vom Konkurrenten X-COM ab. Spätestens hier wird man gezwungen, die unterschiedlichen Facetten der raffinierten Mechanik gründlich auszuloten.

Schnörkellos und geradlinig

Dass Gears Tactics abseits der Schlachtfelder nicht viel zu bieten hat, kann man negativ oder positiv bewerten. Ihr verbessert die Ausrüstung und Fähigkeiten eurer Helden, aber das wars im Großen und Ganzen. Mir persönlich gehen die ausufernde Forschung und der Basisbau von X-COM ziemlich auf den Senkel, darum begrüße ich die fokussierte Ausrichtung von Gears Tactics. Es gibt aber auch Spieler, die solche Nebenbeschäftigungen als essenzielle Bestandteile eines runden Gesamtpakets erachten.

Dass man gezwungen wird, zwischen den Story-Missionen eine gewisse Zahl von Nebenmissionen zu absolvieren, finde ich wiederum nicht so prall. Wollte man die Spielzeit künstlich strecken?

Das ausgefeilte Kampfsystem hat mich dabei sehr überrascht, weil es flexibel, aber dennoch smart und ausgeklügelt wirkt.

Fazit: In anderen Rundenstrategiespielen wird man zum Puppenspieler, der im Hintergrund die Strippen zieht. Gears Tactics fühlt sich aber viel direkter an. Ich bin quasi mittendrin, statt nur dabei, obwohl ich auch nur Befehle erteile. Das ausgefeilte Kampfsystem hat mich dabei sehr überrascht, weil es flexibel, aber dennoch smart und ausgeklügelt wirkt. Dank umfangreicher Skill-Trees lassen sich äußerst spezifische Soldaten-Builds mit krassen Offensiv- und Defensivfähigkeiten erstellen.

Im letzten Drittel geht dem Spiel aber etwas die Luft aus, da sich die Missionstypen wiederholen. Außerdem sind 69,99 € für ein PC-Spiel einfach zu teuer, darum würde ich entweder auf einen Sale warten oder an der preiswerten Beta von Xbox Game Pass für PC teilnehmen.

Gears Tactics wurde am 28. April 2020 für PC veröffentlicht. Eine Xbox-Version soll ebenfalls noch in diesem Jahr erscheinen.