Key Art (Nioh 2)

Team Ninjas Action-Rollenspiel Nioh war ein Fest für Masochisten und die Fortsetzung ist nicht unbedingt schwerer, aber ein wenig komplizierter. Nicht nur, weil der Held jetzt ein Halbdämon ist, der seine Form ändern und fette Specials auslösen kann. Der Einstieg gestaltet sich zäh und es dauert einige Stunden, bis man alles verinnerlicht hat. Gerade Neulinge könnten sich beispielsweise von der wechselbaren »Kampfhaltung« überfordert fühlen.

Wie im Vorgänger lassen sich die Combat Stances (hoch, mittel und niedrig) jederzeit per Knopfdruck wechseln. Die niedrige Haltung ist für Anfänger empfehlenswert, weil sie ein flüssigeres Ausweichen ermöglicht, dafür sind die Angriffe schwächer. In der mittleren Kampfhaltung kämpft man langsamer, dafür gibts mehr Schaden. »High Stance« ist für erfahrene Spieler, die starke Attacken als beste Verteidigung ansehen. Das ist jetzt sehr einfach ausgedrückt, denn tatsächlich gibt es für jede Waffe und für jeden Gegner eine besonders wirksame Haltung. Man muss sich nicht zwingend damit beschäftigen, aber wer sich die Zeit nimmt und das Haltungssystem meistert, erlebt ein deutlich einfacheres Abenteuer.

Typische Nippon-Mythologie

Die Geschichte von Nioh 2 liefert anspruchslose Samurai-Fantasy, aber das Setting ist auf jeden Fall interessant. Im 16. Jahrhundert verschwimmen die Grenzen zwischen unserer Welt und dem Reich der Dämonen. Bösartige Monster spazieren plötzlich durchs feudale Japan und es liegt an euch, ihnen Einhalt zu gebieten. Kurz: Ihr wandelt durch eine Fantasy-Version der Sengoku-Ära und hackt auf asoziale Kreaturen ein.

Das Ganze ist übrigens keine offene Spielwelt wie in Dark Souls, sondern in Missionen und abgeschlossene Levels unterteilt. Das hat Vor- und Nachteile. Einerseits wirkt das Erlebnis fokussierter, auch weil sich einzelne Aufgaben wiederholen lassen. Andererseits entsteht nie das Gefühl eines großen Ganzen, weil man nur einzelne Schauplätze besucht.

Frau (Nioh 2)

Euren Helden dürft ihr mithilfe eines umfangreichen Charakter-Editors zusammenbasteln. Muskulatur, Alter, Gewicht, Nase, Augenfarbe, Schminke – selbst die Hörner eurer Dämonenform lassen sich modifizieren. Anschließend stürzt ihr euch ins Getümmel und erlebt – je nach Genre-Erfahrung – einen herausfordernden Einstieg oder eine erniedrigende Abreibung. Schon in den ersten dreißig Minuten trefft ihr auf Gegner, die euch mit einem Schlag töten können. Wir sprechen hier nicht von fetten Bossen, sondern von stinknormalen 08/15-Heinis, die euch überall über den Weg laufen. Ihr werdet quasi von der ersten Sekunde an gefordert, sämtliche Mechaniken und Möglichkeiten einzusetzen.

Schon in den ersten dreißig Minuten trefft ihr auf Gegner, die euch mit einem Schlag töten können.

Es gilt neun Waffentypen und drei Kampfhaltungen zu meistern, die unterschiedliche Kombinationen und eigene Skill Trees bieten. Wobei ihr nicht wirklich jede Waffe im Schlaf beherrschen müsst. Es geht eher darum, alles auszuprobieren und die Waffen zu identifizieren, die am besten zu euch passen. Die Dämonenform des Helden wartet ebenfalls mit einem eigenem Fähigkeitenbaum auf. Außerdem gibts tonnenweise Loot und jedes Item kann sich gravierend auf den eigenen Spielstil auswirken. Ihr seid ständig damit beschäftigt, Ausrüstung, Skills und Kampfhaltungen zu optimieren. Man kann stundenlang am Charakter feilen, Waffen upgraden und Ausrüstungssynergien analysieren. Allerdings sind die Entwickler dabei über das Ziel hinausgeschossen, denn ihr ertrinkt geradezu in nutzlosem Plunder und seid ständig damit beschäftigt, Schrott zu zerlegen, um Platz im Inventar zu schaffen.

Artwork; Dämon (Nioh 2)

Metzeln mit maximaler Präzision

Der effektive sowie präzise Einsatz von Waffen und Werkzeugen ist nur die halbe Miete. Wer nicht möchte, dass sich Standard-Fights ewig in die Länge ziehen, muss sich für jeden Gegnertypen eine passende Strategie zurechtlegen. Wäre es bei diesem Monster nicht besser, erst einmal mit einer Fernkampfwaffe die Verteidigung zu durchbrechen? Startet ihr gleich mit einer schnellen Combo, auf die Gefahr hin, nicht mehr genug Ausdauer fürs Ausweichen zu haben? Wie lässt sich das gegnerische Ki besonders schnell dezimieren, um einen tödlichen Finishing Move vorzubereiten?

Das Kampfsystem ist methodisch, aber nicht zu verkopft. Es ist nicht nur Mathematik, sondern auch viel Gefühl dahinter. Jede Waffe hat ihren ganz eigenen Rhythmus und habt ihr euch einmal eingegroovt, wirkt Nioh 2 nur noch halb so schwer. Zumal euch die neuen Wuchtkonter in brenzligen Situationen immer wieder den Allerwertesten retten werden. Apropos: An bestimmten Stellen könnt ihr Phantome beschwören, die euch im Kampf unterstützen. Die verhalten sich nicht gerade schlau, aber zumindest ziehen sie die Aufmerksamkeit der Gegner auf sich. Außerdem lassen sich an Speicherschreinen menschliche Spieler beschwören, während ihr auf der Oberweltkarte die Möglichkeit habt, zwei Freunde zu sogenannten Expeditionen einzuladen. Das ist ganz witzig, aber der Koop-Kram ist eher nettes Beiwerk und kein zentrales Element.

Man könnte noch ewig über die eher lahme Story und die etwas eintönigen Kulissen referieren, aber eigentlich fallen diese Mängel kaum ins Gewicht. In Nioh 2 geht es einzig und allein um die Kämpfe, denn sie sind der Weg und das Ziel. Jede Auseinandersetzung, die ihr siegreich hinter euch bringt, verschafft euch ein Gefühl der Befriedigung. Vor allem im späteren Spielverlauf, wenn ihr unzählige Male an einzelnen Bossen zerschellt und trotzdem nicht aufgebt.

Ja, Nioh 2 stellt meine Frustresistenz auf eine harte Probe, aber es ist genau diese krasse Herausforderung, die das Spiel so motivierend macht.

Fazit: In meinem Test von Sekiro: Shadows Die Twice hatte ich geschrieben, dass ich nicht weiß, ob ich das Spiel trotz oder gerade wegen des hohen Schwierigkeitsgrades liebe. Exakt dasselbe trifft auf Nioh 2 zu. Team Ninjas Soulslike fordert mir wirklich alles ab, zumal die Steuerung sehr komplex ist. Ich hatte während meiner Test-Sessions mindestens fünf Nervenzusammenbrüche und ein besonders fieser Bosskampf brachte mich sogar dazu, das Spiel wild fluchend zu deinstallieren. Eine halbe Stunde später habe ich es dann erneut im PS4-Store heruntergeladen und ein paar YouTube-Tutorials studiert. Mit neu gewonnenen Erkenntnissen und einer modifizierten Ausrüstung, war der Boss nach zwei Versuchen gelegt. Ja, Nioh 2 stellt meine Frustresistenz auf eine harte Probe, aber es ist genau diese krasse Herausforderung, die das Spiel so motivierend macht.

Nioh 2 ist am 13. März 2020 für PlayStation 4 erschienen.