Key Art (Age of Empires II: Definitive Edition)

Pünktlich zum 20. Geburtstag von Age of Empires II veröffentlicht Microsoft eine weitere Neuauflage des altgedienten Strategiespiels, das Fans gerne und oft als bestes Strategiespiel aller Zeiten preisen. Nachdem es 2013 bereits schon einmal eine überarbeitete Fassung von AoE 2 gab, die die Community allerdings ob fehlender neuer Inhalte mit Verachtung strafte, soll die Definitive Edition jetzt die Wogen glätten und die Gunst der Fans zurückgewinnen – quasi als Wegbereiter für das kommende Age of Empires IV.

Ich hatte mich eigentlich darauf eingestellt, für die Definitive Edition von Age of Empires II einen schönen Verriss schreiben zu können. Davon ausgehend, dass Microsoft vermutlich ein ähnlich mageres Paket abliefern würde wie mit der 2013er HD-Edition, hätte an dieser Stelle eigentlich stehen sollen: Die Definitive Edition von AoE 2 ist Abzocke und ihr Geld nicht wert. Test zu Ende. Doch es kam anders.

Als langjähriges Fangirl der AoE-Serie (der erste Teil gehörte zu den wenigen halbwegs aktuellen Spielen, die vor 20 Jahren noch auf meinem alten 486er PC liefen, den zweiten Teil zockte ich Stunde um Stunde bei einem Kumpel im Netzwerk) begegnete ich der Definitive Edition zunächst mit Skepsis. Ich ging davon aus, dass Microsoft wohl nur noch mal Kasse mit altem Wein in neuen Schläuchen macht und vielleicht ein wenig die Werbetrommel für AoE 4 rühren wollte. Nachdem ich jetzt aber einige Stunden mit der zweiten Neuauflage verbracht habe, kann sich sagen: Microsoft hat mich eines Besseren belehrt, zumindest teilweise.

Aber der Reihe nach – werfen wir zunächst einmal einen Blick auf die Änderungen und Neuerungen der Definitive Edition:

  • überarbeitete Grafik inklusive 4K-Auflösung, verbesserten Effekten und Zoom-Funktion
  • orchestraler Soundtrack mit Remaster
  • Erweiterung »Die letzten Kahne« mit drei neuen Kampagnen (Zeit der Mongolen) und vier zusätzlichen Zivilisationen (Bulgaren, Litauen, Kumanen, Tataren)
  • neue Tutorial-Missionen
  • überarbeitete KI (Computergegner »schummeln« nicht mehr, sondern müssen die Karte genau wie die Spieler erst selbst erkunden)
  • optional angepasstes Interface (gezogene Rahmen wählen auf Wunsch nur Kampfeinheiten aus, Äcker und Reusen aktualisieren sich automatisch, Warteschlangen für das Bauen neuer Einheiten)

Diese Neuerungen klingen auf dem Papier schon ziemlich interessant und umfangreich, entpuppen sich in der Praxis aber als echte Spielspaßgoldgrube.

Belagerung (Age of Empires II: Definitive Edition)

Viele kleine Anpassungen

Anstatt Age of Empires II von Grund auf neu aufzubauen und langjährige Fans vor den Kopf zu stoßen, haben sich die Entwickler darum bemüht, den Flair des Originals aufrecht zu erhalten – und das, obwohl die Original-Assets des Spiels als verschollen gelten und das Team dessen Grafik tatsächlich komplett neu gestalten musste.

Microsoft hat bei der Definitive Edition von AoE 2 auf jeden Fall an den richtigen Grafikstellschrauben gedreht: Die Gebäude und der Look des Spiels gleichen dem Original, allerdings gibt es jetzt ein paar coole Effekte. Gebäude stürzen ein, wenn wir sie zerstören, die hervorlodernden Flammen sehen tatsächlich realistisch aus und auch die Beerenbüsche haben ein kleines optisches Update spendiert bekommen.

Darüber hinaus haben die Entwickler einiges an der Benutzeroberfläche verändert, größtenteils zum Positiven: Die Ressourcenanzeige am oberen Bildschirmrand meldet jetzt nicht nur die Menge geernteter und abgebauter Güter, sondern auch die Menge an Dorfbewohnern, die wir der jeweiligen Ressource zugeteilt haben. Dadurch sehen wir auf einen Blick, wo wir vielleicht noch mit Arbeitskraft nachlegen sollten.

Weitere nützliche Detailänderungen beinhalten eine Bau-Warteschlange (sprich, wir können jetzt mehrere unterschiedliche Aufträge in eine Warteschlange einreihen), das automatische Erneuern von Feldern und Reusen (ausreichende Ressourcen vorausgesetzt) und eine aufgeräumte Minimap mit zusätzlichen Layern.

Wikinger (Age of Empires II: Definitive Edition)

Kampagne und Völker

Neben den verschiedenen Neuerungen an Optik und Gameplay bietet die Definitive Edition von AoE 2 aber wie bereits erwähnt auch drei neue Kampagnen sowie vier neue Völker. Die neuen Kampagnen drehen sich um die Epoche der Mongolenkriege und lassen uns in die Rolle dreier unterschiedlicher Nomadenstämme beziehungsweise ihrer Anführer schlüpfen.

Die Kampagnen spielen sich wie gewohnte Age of Empires-Kost und eignen sich auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad »Standard« auch für RTS-Einsteiger. Anders als etwa in Warcraft 3 spielen sich die einzelnen Missionen recht gemächlich und erfordern das AoE-typische Aufbauen einer Wirtschaft vor der eigentlichen militärischen Auseinandersetzung.

Vor jeder Mission bekommen wir die gewohnte gezeichnete Bildfolge inklusive einer Erzählung der historischen Hintergründe zu sehen. Die Erzählung ist ebenso wie die Dialoge der Charaktere innerhalb des Spiels vertont. Allerdings bleibt die (deutsche) Vertonung hinter dem Charme des Originalspiels zurück – die Sprecher können qualitativ nicht mit ihren Vorgängern mithalten und sprechen auch nicht mit Akzent, sodass ein wenig vom Charme etwa bei der Kampagne von Johanna von Orleans (»Ein ’inter’alt! Überall burgundische Soldaten!«) verloren geht.

Trotzdem dürften die drei Kampagnen Fans von Age of Empires II durchaus zufriedenstellen, zumal alle Missionen zusammen ein ganz ordentliches Maß an Spielzeit zu bieten haben. Weil die neuen Völker zusätzlich Abwechslung ins Spiel bringen und sich mit ihrem Fokus auf Reiterei angenehm in die Riege der bereits vorhandenen Zivilisationen einfügen, steht interessanten Multiplayer-Partien und dementsprechend jeder Menge weiterem Spielspaß nichts entgegen.

Microsoft beweist mit der Definitive Edition, wie ein Remaster eines Gaming-Klassikers aussehen muss. Das Entwicklerteam hat dem Spiel ein mehr als ordentliches Facelifting verpasst und nicht einfach nur die Texturen höher aufgelöst, sondern die gesamte Grafik verschönert, ohne den Stil des Originals zu verraten. Hinzu kommen diverse Detailverbesserungen bei KI, Benutzerinterface und Steuerung, die das Spiel um einiges komfortabler machen, sowie neue Inhalte (Kampagne, neue Völker).

Zwar gefällt mir nicht alles an der Neuauflage, die meisten Kritikpunkte fallen aber in die Kategorien Geschmackssache oder Meckern auf hohem Niveau. Dass die Sprachausgabe nicht an die Kampagnen des Originalspiels herankommt und vor allem nicht an aktuelle AAA-Titel, kann ich der Definitive Edition ebenso verzeihen wie die kleineren Fehler im Text oder die meiner Ansicht nach hässliche Schrift der Textboxen im Spiel.

Vor dem Hintergrund, dass Age of Empires II: Definitive Edition schmale 20 Euro kostet und alle bisher erschienenen sowie ordentliche neue Inhalte und Verbesserungen mitbringt, macht kein Echtzeitstrategie-Fan mit dem Kauf etwas falsch. Und AoE-Veteranen schon gar nicht.

Age of Empires II: Definitive Edition ist seit dem 14. November 2019 für PC erhältlich.