Besucheransturm (SPIEL 2019)
© Friedhelm Merz Verlag

Dass die Brettspiel-Branche boomt, ist kein Geheimnis. Überall auf der Welt entstehen neue Verlage und Events und auch die Ausstellerfläche auf der SPIEL hat sich binnen fünf Jahren auf 86.000 Quadratmeter verdoppelt. Verglichen mit den 218.000 Quadratmetern der gamescom mag das nicht viel sein, für die analoge Spielbranche, die im vergangenen Jahr in Deutschland etwa 550 Millionen Euro umsetzte, sind die jüngsten Zuwächse allerdings bedeutend.

In diesem Jahr haben in Essen 1.200 Verlage etwa 1.500 neue Spiele vorgestellt. Das bedeutet natürlich auch, dass ich in den drei Tagen, an denen ich auf der Messe war, nur einen Bruchteil der Neuheiten genauer betrachten konnte. Davon (an)gespielt habe ich knapp zwanzig, die meisten hier erwähnten Spiele werde ich erst in den nächsten Wochen und Monaten zocken.

Brettspiele zu Videospielthemen liegen also im Trend.

Was aber sofort auffällt, ist, dass zwei der größten deutschen Verlage ganz prominent auf Brettspiel-Adaptionen von Videospielen setzen. Kosmos bringt mit Cities Skylines: Das Brettspiel ein Civ-Spiel heraus und Ravensburger eine analoge Version von Minecraft namens Minecraft: Builders & Biomes.

Brettspiele zu Videospielen gibt es zwar schon seit langer Zeit, doch oft waren diese schlecht verwurstete Lizenz-Spiele, welche spielerisch enttäuschten. Was uns für dieses Jahr Mut machen kann, ist, dass sich mit Rustan Håkansson (Cities Skylines) und Ulrich Blum (Minecraft) zwei namhafte Spieleautoren (und bekennende Videospiel-Fans!) an die Umsetzungen der Erfolgstitel gemacht haben. Das lässt auf gute Produkte hoffen!

Ein dritter Verlag, CMON, hier vertrieben durch Asmodee, hat sich zudem an eine Kartenspiel-Adaption von God of War getraut. Diese wurde von zwei erfahrenen Entwicklern, Fel Barros und Alex Olteanu, umgesetzt.

God of War: Das Kartenspiel (SPIEL 2019)
© Hendrik Breuer

Friedemann Friese, bekannt durch Funkenschlag, ist ein umtriebiger Autor, der immer mal wieder Neues ausprobiert. Mit Feuer Frei! stellt er ein Ein- bis Zweipersonenspiel vor, das augenscheinlich auf der Retro-Welle schwimmt und das Achtziger-Jahre-Arkaden-Feeling einfangen soll. Spannend sieht es aus, außerdem handelt es sich um ein sogenanntes »Fabelspiel«. Diese Art von Spielen entwickelt sich nach jeder Partie weiter, allerdings so, dass man es immer wieder zurücksetzen kann. In diesem Fall passt das System ja wie die Faust aufs Auge, so dürfte sich jede Partie wie ein neues, etwas komplexeres Level spielen.

Brettspiele zu Videospielthemen liegen also im Trend. Komischerweise gilt das nicht für analoge Spiele mit elektronischen oder digitalen Elementen. Mir ist kein neues Spiel über den Weg gelaufen, das versucht, App-Integrationen oder digitale Spielerhilfen mit einzubauen. Gelegentlich findet man zwar Apps zu Spielen, die mal etwas vorlesen oder die Regeln erklären, aber darüber hinaus passiert nichts. Das ist auch deshalb so erstaunlich, weil ja erst im Sommer mit Werwörter und Detective zwei Spiele zu »Spiel des Jahres« beziehungsweise »Kennerspiel des Jahres« nominiert waren, die Apps und Online-Datenbanken vorbildlich ins Brettspiel-Geschehen integriert hatten.

Detective war übrigens auch zum Preis »innoSPIEL 2019« nominiert, der auf der Messe an ein besonders innovatives Spiel vergeben wird. Allerdings gewann mit Ab durch die Mauer ein Familienspiel, das bereits Siebenjährige spielen können. Ab durch die Mauer wurde ausgezeichnet für den Einsatz eines dreiteiligen Magnetsystems, das in Kombination mit einem drehbaren Spielfeld Gespensterfiguren quasi »durch Mauern gehen« lässt.

Auch im Bereich der kleineren Spiele gibt es auf der Messe viel zu entdecken. Fast schon zu viel. Denn aus den Hunderten Karten- und Partyspielen, die präsentiert wurden, herauszufiltern, was besonders lustig oder spannend sein könnte, ist eine nahezu unlösbare Aufgabe. Die Fachzeitschrift Fairplay führt in jedem Jahr eine Messe-Scout-Aktion durch, bei der Leser und Interessierte gespielte Neuheiten bewerten dürfen. Dort gewann ein kleines, kooperatives Kartenspiel namens Die Crew: Reist gemeinsam zum 9. Planeten (Thomas Sing/Kosmos Verlag). Das Spiel ist definitiv einen genauen Blick wert. Ich bin leider nicht dazu gekommen, es auf der Messe anzuspielen.

Team3 (SPIEL 2019)
© Hendrik Breuer

Ein weiterer erster Hit war Team3, bei dem Dreierteams gemeinsam Plastiktürme bauen, allerdings nach dem Motto: Nichts sagen, nichts hören, nichts sehen. Ein Spieler sieht eine Karte mit dem gewünschten Turm, darf aber diese Infos nur nonverbal weitergeben an einen zweiten Spieler, der demzufolge nichts hört. Dieser versucht zu verstehen, was von der Gruppe verlangt wird, und erklärt einem dritten Spieler, dem Baumeister, was zu tun ist. Das Problem: Der Baumeister sitzt mit verbundenen Augen da. Dann muss der Turm in vier Minuten stehen. Das Spiel scheint vielen Besuchern sehr viel Spaß gemacht zu haben, mir auch.

Banana Man Goes to Work (SPIEL 2019)
© Hendrik Breuer

Kinderspiele habe ich mir in diesem Jahr kaum angesehen, an einem Spiel konnte ich allerdings nicht kauflos vorbeigehen: Banana Man Goes to Work eines mir unbekannten taiwanesischen Verlags. Das Cover ist so geil, dass ich doch stark hoffe, dass es was für meinen Dreieinhalbjährigen sein wird. Der sollte eh demnächst mal anfangen, sich über seine berufliche Zukunft Gedanken zu machen!

Die nächste Messe SPIEL findet vom 22. bis 25. Oktober 2020 in der Messe Essen statt.

Dobble High Five (SPIEL 2019)
© Hendrik Breuer