Key Art (Ghost Recon Breakpoint)

Ich habe mich in den vergangenen Tagen mit diversen Freunden sowie Kollegen über Ghost Recon Breakpoint unterhalten und die einhellige Meinung lautet: Das Spiel macht tausend Dinge falsch und trotzdem eine Menge Spaß. Meine Notizen, die ich beim Zocken ins Handy getippt habe, sind mehrere Seiten lang und fast ausschließlich negativ. Ich hätte diesen Artikel viel früher schreiben können, doch Breakpoint fesselt mich seit beinahe 40 Stunden an den Controller. Warum spiele ich weiter, wenn es so schlecht ist?

Beginnen wir von vorne. In Ghost Recon Wildlands war ich mit einer Truppe KI-Kameraden in Bolivien unterwegs, während mich der Story-Modus von Breakpoint ganz alleine auf eine fiktive Insel namens Auroa schickt. Die Insel ist Hauptsitz des Forschungsunternehmens Skell Technologies und beheimatet Produktionsstätten für hochmoderne Technologien. Das Eiland gerät in die Hände von Cole D. Walker (John Bernthal), der den Hightech-Kram (z. B. Drohnen) für seine Zwecke missbraucht. Walker war mal Ghost Leader und somit einer von den Guten, doch er fühlte sich vom System verraten und schlägt jetzt mit seinen »Wolves« zurück. Unsere Aufgabe lautet, dem Ex-Kollegen das Handwerk zu legen und die Insel Auroa lebend zu verlassen.

Apropos: Das auffälligste Merkmal der Insel ist ihre Leblosigkeit. Abseits von Stützpunkten, Fabrikgelände und Forschungseinrichtungen trifft man kaum Zivilisten. Auroa fühlt sich nicht wie eine glaubhafte, organische Open World an, sondern eher wie ein künstlich angelegter Shooter-Vergnügungspark. Man stolpert alle paar Meter über verlassene Höhlen, Hütten und Ruinen, die lediglich existieren, um Loot-Kisten und Sammel-Items zu beherbergen. Damit die Erkundung der Insel nicht langweilig wird, ist die Karte mit roten Flecken gesprenkelt, die gegnerische Einheiten repräsentieren. Alles auf dieser Insel scheint nur zu existieren, damit unser Held jemanden abknallen oder etwas einsammeln kann.

Das auffälligste Merkmal der Insel ist ihre Leblosigkeit.

Viel Feind, viel Yeah?

Breakpoint konfrontiert uns mit unterschiedlichen Arten von Gegnern. Es gibt Standardgegner, die uns nur in größerer Zahl gefährlich werden. Sie sind simples Kanonenfutter, das nach dem Ableben Loot und Ammo hinterlässt. Ganz anders sieht es mit Cole D. Walkers Veteranen-Truppe aus, denn die »Wölfe« teilen richtig gut aus und stecken viel ein. Auch Drohnen, welche uns zu Lande, zu Wasser und in der Luft das Leben schwer machen, können sehr widerstandsfähig sein. Manche entpuppen sich als regelrechte Kugelschwämme und das wirkt irgendwie unpassend. Einerseits möchte Ghost Recon Breakpoint ein taktischer Militär-Shooter sein, der smartes Vorgehen und Präzision belohnt, doch sobald diese futuristischen Kampfmaschinen auftauchen, geht jegliche Subtilität flöten. Dann heißt es nur noch draufhalten und das Beste hoffen. Eigentlich ist das nichts Gutes, aber ich muss gestehen, dass ich diesen Stilbruch unterhaltsam finde. Es fühlt sich so an, als würde sich Ghost Recon zwischendurch in Borderlands oder Gears of War verwandeln.

Die Gegner gehen in Deckung, kommunizieren miteinander und bilden Flanken, doch sie reagieren nicht unbedingt smart. Man kann feindliche Stützpunkte komplett säubern, in dem man hinter Türen wartet und einen Gegner nach dem anderen ausknipst. Die KI-Idioten stürmen durch die Tür in den Raum und lassen sich ganz entspannt abknallen. So etwas habe ich seit Goldeneye für Nintendo 64 nicht mehr erlebt. Man findet die Schwächen der K.I. relativ schnell heraus, deshalb empfehle ich, die ersten beiden Schwierigkeitsgrade zu ignorieren, um die Herausforderung auf einem motivierenden Niveau zu halten.

Auf Achse im Loot-Paradies

Auroa lässt sich per pedes und mit den unterschiedlichsten Fahrzeugen erkunden. Motorräder, bewaffnete Jeeps, Boote, Helikopter und so weiter. Ihr könnt auch mit dem Fallschirm abspringen, was gerade nachts gut funktioniert, wenn man unbemerkt ins Feindgebiet eindringen möchte. Ich bin kaum herumgefahren, denn ein Großteil der Fläche ist bewaldet und auf den Straßen sind viele Gegner unterwegs. Um zügig von A nach B zu kommen, habe ich entweder Helikopter oder die Fast-Travel-Funktion genutzt. Letztere ergibt aber erst Sinn, wenn man genügend Lagerfeuer entdeckt hat, die als Schnellreisepunkte dienen. Hier könnt ihr außerdem Items craften, Vehikel aus dem Fuhrpark ordern und eure Charakterklasse wechseln.

Wie es sich für ein Ubisoft-Spiel gehört, ist die komplette Insel mit Missions-Markern, Fragezeichen und Points of Interest übersät. Besonderes Augenmerk sollte man auf die Kistensymbole legen, denn sie können wertvolle Waffen und Ausrüstung enthalten. Je besser eure Waffen und Kleidung sind, desto mehr Schaden könnt ihr austeilen und einstecken. Ballermänner lassen sich selbstverständlich verstärken und mit Mods ausrüsten. Kurz: Man gerät schnell in eine Suchtspirale, denn hinter jedem Fragezeichen auf der Karte könnte sich die perfekte Knarre verbergen.

Kurz: Pay2Win-Inhalte!

Krass: Ghost Recon Breakpoint bietet Microtransactions, die sich nicht auf kosmetische Items beschränken. Für Echtgeld bekommt ihr dicke Waffen, Ausrüstung und Booster, die das Spiel einfacher machen. Kurz: Pay2Win-Inhalte! Ubisoft hat einige davon zum offiziellen Release wieder entfernt. Wahrscheinlich, um einen größeren Shitstorm zu verhindern. Genau genommen sind die meisten Bezahlinhalte sowieso nutzlos, den sie sorgen lediglich dafür, dass unser Held mehr Treffer verträgt oder höheren Schaden verursacht. Warum sollte ich Geld für so etwas ausgeben, wenn ich in den Optionen ganz einfach den Schwierigkeitsgrad senken und somit denselben Effekt erzielen kann? Wenigstens haben die Microtransactions keine Auswirkungen auf den PvP-Modus, denn hier sind sämtliche Werte vordefiniert.

Wo wir gerade bei PvP sind: Ghost Recon Breakpoint bietet einen »Sabotage«-Modus, mit Vierer-Teams und Bombenstandorten à la Counter-Strike. Genauso kurzweilig und belanglos fühlt sich der »Elimination«-Modus an. Quasi Team-Deathmatch mit Battle-Royale-Anleihen. Der PvP-Teil ist als unterhaltsame Abwechslung zum Story-Modus gedacht und als kurzer Spaß für zwischendurch durchaus zu gebrauchen. Der Raid war zum Testzeitpunkt leider noch nicht freigeschaltet, dafür haben wir die Kampagne sehr ausgiebig im Koop-Modus gezockt. Zu viert wird Breakpoint herrlich chaotisch und das meine ich durchaus positiv. Im Koop spielt sich das Ganze komplett anders und die Fahrzeuge nehmen wieder eine größere Rolle ein. Wer übernimmt das Steuer? Wer klemmt sich hinter das Bordgeschütz? Wer schleicht sich auf den Stützpunkt und warum gibt mir niemand Feuerschutz?

Sanitäter (Ghost Recon Breakpoint)

Ich weiß, dass dieser Test keinen Sinn ergibt, weil ich so viele grundlegende Dinge kritisiere und das Spiel trotzdem mag.

Menüs aus der Hölle

Fahren, rennen, schleichen, ballern – all das geht unkompliziert von der Hand und fühlt sich einfach gut an, aber sobald man das Menü aktiviert, wird die Bedienung zur Katastrophe. Es ist schlecht strukturiert, extrem umständlich und teilweise verwirrend. Ich weiß nicht mehr, wann ich zuletzt so ein schreckliches Menüsystem ertragen musste. Wenn ich nur daran denke, wird mir ganz schwindlig und das ist keine Übertreibung.

Fazit: Ich weiß, dass dieser Test keinen Sinn ergibt, weil ich so viele grundlegende Dinge kritisiere und das Spiel trotzdem mag. Sicher ist nur, dass ich mit dem Vorgänger Ghost Recon Wildlands überhaupt nichts anfangen konnte. In Breakpoint macht es einfach Spaß, ballernd und lootend durch die Gegend zu ziehen, neue Ausrüstung und Skills freizuschalten. Gerade der Koop-Modus hat uns extrem gut unterhalten und für viele Lacher gesorgt. Wenn wir solo spielen, schicken wir uns ständig Whatsapp-Nachrichten, um über die komplizierten Menüs, strunzdumme Gegner und Bugs zu lästern. Warum können wir trotz der gravierenden Mängel nicht von diesem Spiel lassen? Vielleicht, weil es im Grunde ums Sammeln und Jagen geht – zwei wichtige Trigger für mein männliches Affenhirn.

Tom Clancy’s Ghost Recon Breakpoint ist am 4. Oktober 2019 für PC, PlayStation 4 sowie Xbox One erschienen und wird im November außerdem als Starttitel für Google Stadia veröffentlicht.