Key Art (The Surge 2)

Eigentlich mag ich keine schwierigen Spiele – ich zocke, weil ich mich entspannen will, nicht, um frustriert meinen Controller in die Ecke zu schleudern oder in meine Tastatur zu beißen. Super Meat Boy besitze ich zwar in der Collector’s Edition, gespielt habe ich es trotzdem kaum. Um Cuphead habe ich einen Bogen gemacht und die Dark Souls-Spiele reizen mich überhaupt nicht – auch wenn das zugegebenermaßen eher an der Optik und am Setting liegt. Irgendwie finde ich diesen graubraunen Texturmatsch auf die Dauer einfach öde. Trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb?) habe ich The Surge 2 eine Chance gegeben – und hatte jede Menge Spaß.

Die Story: dystopisches Sci-Fi-Chaos

Aber der Reihe nach: Wer sich jetzt fragt, warum jemand, der kein Souls-Spiel länger als 30 Minuten gezockt hat, ausgerechnet Bock darauf hatte, The Surge 2 zu testen, muss sich über die Unterschiede zwischen From Softwares Schnetzelserie und dem deutschen Soulslike klar sein. Denn anders als Dark Souls und auch Bloodborne setzt The Surge 2 auf einen anderen, in gewisser Hinsicht sterileren Look, vor allem aber – und das war und ist für mich ein wesentliches Verkaufsargument – spielt der Titel in einem Sci-Fi-Szenario.

Während sich Deck13 beim Vorgänger mit der Story noch zurückhielt, haben die Entwickler diesmal etwas mehr Fleisch zwischen die Brötchenhälften gepackt – auch wenn das eher schmeckt wie ein Pattie aus Erbsenprotein denn wie ein richtiger Rindfleischburger. Zwar sind die Dialoge im Spiel vertont und die Sprecher machen einen halbwegs ordentlichen Job. Man findet hier und da Audiologs, die man sich auf Knopfdruck beim Spielen anhören und dadurch mehr über unsere Umgebung erfahren kann. Insgesamt kommt die Hintergrundgeschichte von The Surge 2, die sich mit den Folgen der Technisierung für die menschliche Gesellschaft beschäftigt, aber arg konfus und in Teilen auch ziemlich dünn daher. Nach der Charaktererstellung finden wir uns im Gefängnis von New Jericho wieder – und verstehen erst mal genau wie unser Charakter nur Bahnhof. Die Story entfaltet sich langsam, bleibt aber durchweg verwirrend und macht meiner Meinung nach zu wenig aus den eigentlich interessanten Themen, die sie anschneidet.

Laseraugen (The Surge 2)

The Surge 2 belohnt Spieler, die am Ball bleiben, die durchhalten, Frust ertragen.

Das Gameplay: Schlag, Treffer, Ausweichen

Aber apropos konfus: Auch das Gameplay von The Surge 2 könnte insbesondere Genre-Neulinge anfangs leicht überfordern und verwirren, was primär der Tatsache geschuldet ist, dass das Spiel recht wenig erklärt. Zwar bekommen wir immer wieder Texteinblendungen zu Gesicht, die uns verraten, welche Taste wir für welche Aktion nutzen können.

Wie die einzelnen Spielsysteme ineinandergreifen, dass wir den ersten Bossgegner erst angreifen sollten, wenn wir uns ein paar Levelaufstiege ergrindet haben und dass wir die Ausweichen-Fähigkeit erst kurz vor eben jenem ersten Boss freischalten, irritiert anfangs etwas. Wer sich aber mit den Menüs und der Steuerung ein wenig auseinandersetzt, findet sich dann doch schnell zurecht – hier ist eben ein wenig Eigeninitiative gefragt.

Wer sich allerdings erst einmal zurechtgefunden hat, merkt schnell, dass The Surge 2 eine rundum durchdachte Spiel-Erfahrung bietet. Der eigentliche Gameplay-Loop besteht im Wesentlichen darin, dass wir an einer zuvor freigeschalteten Med Bay starten, ein paar Gegner töten, Tech-Schrott (das Äquivalent zu den Seelen aus Dark Souls und die Währung im Spiel) und Items aufsammeln und wieder zurück zur Med Bay laufen, um unsere gesammelte Währung abzugeben, aufzuleveln und unsere Ausrüstung zu verbessern.

Frau wirft sich in den Kampf (The Surge 2)

Verlassen wir die Med Bay dann wieder, beginnt das Spiel von vorn, denn alle Gegner befinden sich anschließend wieder an ihren angestammten Plätzen. Wir metzeln uns also bis zur nächsten Med Bay durch, sobald wir uns stark genug dazu fühlen. Wer stirbt, steigt an der zuletzt besuchten Med Bay erneut ein, verliert aber den seit dem letzten Speichern gesammelten Tech-Schrott. Allerdings können wir diesen wieder zurückholen, wenn wir innerhalb eines Zeitlimits den entsprechenden Orb am Ort unseres Ablebens einsammeln.

Zusätzlich cool: Die Level verfügen über diverse Verästelungen, dunkle Ecken und versteckte Abkürzungen, die wir durch Erkunden entdecken können. Dabei finden wir nicht nur kürzere Wege zurück zum Speicherpunkt, sondern auch nützliche Items, die in Kisten darauf warten, dass wir sie einsammeln.

The Surge 2 gelingt schließlich ein Spagat, an dem andere Spiele schon krachend gescheitert sind: Das Spiel bleibt stets fordernd, ohne zu frustrieren – und setzt dabei quasi auf einen dynamischen Schwierigkeitsgrad: Denn wer an einer Stelle nicht weiterkommt, kann sich einfach bis zum nächsten Levelaufstieg grinden und pro Level je zwei Attributspunkte auf die Werte Gesundheit, Ausdauer und Energie (Akkukapazität) verteilen.

Dadurch dürfen wir solange grinden, bis wir unsere Gegner locker aus den Latschen hauen – und weil sich die Levelaufstiege wirklich motivierend anfühlen, macht der Grind auch noch Spaß. Wer sich die Kämpfe aber schwerer machen möchte, levelt eben seltener auf, speichert seltener seinen Tech-Schrott zwischen und stirbt gegebenenfalls häufiger.

Die Technik: kein Meisterwerk

Wer sich aufmerksam durch die Spielwelt von The Surge 2 bewegt, stellt schnell fest, dass hinter dem deutschen Soulslike kein hochklassiges AAA-Budget im Stil eines Assassin’s Creed steckt. Die Charakteranimationen wirken hölzern, hier und da fallen die Umgebungen mit matschigen Texturen auf – Kartons haben in Nahaufnahmen manchmal gropixlige Beschriftungen -, und Treppcheneffekte sorgen für ein kantiges Design.

Trotzdem hat sich Deck13 bei der Gestaltung der Spielumgebung merklich Mühe gegeben und die einzelnen Level durchaus abwechslungsreich gestaltet. Die Optik der Rüstungen, der Gebäude und der Gegner passt und wirkt kreativ auf das Sci-Fi-Szenario abgestimmt. Beim Sound ergibt sich ein ähnliches Bild: Die Musik plätschert im Hintergrund, nimmt vor und in Bosskämpfen dann aber ordentlich an Fahrt auf und bietet mit schroffen Metal-Klängen eine angemessene Kulisse für die teils bockschweren Auseinandersetzungen. Die deutsche Synchronisation empfand ich hingegen eher als zweckmäßig. Ich habe zwar schon deutlich schlimmere Sprecher und Dialogregie erlebt (ja, ich meine dich, Homefront) – aber auch hier merkt man dem Spiel sein schmales Budget an.

Fazit: The Surge 2 hat mich in vielerlei Hinsicht an Piranha Bytes’ Rollenspiel ELEX. Das deutsche Soulslike enttäuscht zwar bei der Story und den Nebenquests im Vergleich zu dem komplexeren RPG, aber ansonsten ähneln sich beide Spiele insofern, dass sie nach einem etwas verwirrendem, vielleicht auch frustrierenden Einstieg gehörig Fahrt aufnehmen. Sowohl ELEX als auch The Surge 2 belohnen Spieler, die am Ball bleiben, die durchhalten, Frust ertragen.

Wenn man in The Surge 2 langsam stärker wird, auflevelt und vormals noch schwierige Gegner plötzlich mit ein paar geschickten Manövern aus den Sci-Fi-Latschen haut, ohne selbst einen Treffer zu kassieren, fühlt sich das einfach unfassbar befriedigend an. Dass The Surge 2 technisch an manchen Stellen vielleicht etwas roh und kantig daherkommt, hat mich dabei kaum gestört. Ähnlich wie eben auch ELEX machen die ohne Zweifel vorhandenen Ecken The Surge 2 zu einem echten (Geheim-)Tipp für alle diejenigen Gamer, die einen holprigen Anfang nicht scheuen und dafür das exzellente Gameplay dieses ungeschliffenen Diamanten genießen wollen.

The Surge 2 ist am 24. September 2019 für PC, Xbox One und PlayStation 4 erschienen.