Key Art (Destiny 2: Festung der Schatten)

In diesem Test geht es zwar um das neue Add-on Festung der Schatten, aber weil es MMO-typisch ins Gesamterlebnis eingebettet wurde und sich mit seinem Release viele grundlegende Mechaniken verändern, ist der Artikel auch ein aktuelles Zwischenfazit zu Destiny 2. Dabei sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Destiny 2 (Hauptspiel, inklusive Year-One-DLCs) jetzt Free to Play und somit gratis für PC, PS4 und Xbox One verfügbar ist. Kostenpflichtig sind lediglich die Erweiterungen Forsaken und Festung der Schatten sowie kosmetische Ingame-Items.

Ich muss zugeben, dass ich Destiny in den vergangenen Monaten kaum noch gespielt habe, obwohl ich Fanboy der ersten Stunde bin. Auf Raid sowie PvP habe ich keinen Bock und die meisten Solo-Herausforderungen glänzen nicht mit Kreativität, sondern mit eintönigen Wiederholungen: »Töte 50 Feinde mit Granaten, erledige im PvP-Modus 100 Hüter mit Präzisionstreffern, sammle 100 Materialien auf dem Merkur und kille 10 Bosse in der Strike-Playlist, um eine neue Waffe zu erhalten, die total langweilig aussieht. Keine Bange, denn für günstige fünf Euro erhältst du einen Waffenskin, der die Knarre richtig sexy macht!«

Göttliches Gunplay

Viele meiner Mitspieler sprangen ebenfalls vor Monaten ab und deshalb ist der Release von Festung der Schatten ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte von Destiny. Kann diese Erweiterung das Feuer in unseren Herzen neu entfachen oder ist Festung der Schatten der letzte Sargnagel für das Franchise? Okay, das ist vielleicht etwas überspitzt formuliert, denn zum Release am ersten Oktober waren über 200.000 Spieler gleichzeitig online. Destiny 2 ist nach wie vor supererfolgreich und natürlich generiert der Free2Play-Move viele neue Fans. Kein Wunder, denn Einsteiger erhalten ein kostenloses Grundpaket, das über 100 Stunden erstklassige Baller-Action bietet.

Eris (Destiny 2: Festung der Schatten)

Genau genommen zelebriert Festung der Schatten die Wiederverwendung alter Inhalte geradezu.

Tatsächlich ist es dieses hervorragende Grundgerüst, das Destiny 2 so geil macht. An Steuerung, Handling und Gunplay gibt es nichts zu rütteln. Die Auseinandersetzungen haben ordentlich »Bums«, das Trefferfeedback ist extrem befriedigend und auch die unterschiedlichen Charakterklassen lassen kaum Wünsche offen. Man merkt einfach, dass Bungie das Shooter-Handwerk perfekt beherrscht. Allerdings hat die Destiny-Serie schon seit jeher ein Problem mit neuen Inhalten und Erweiterungen, die zu wenig Umfang bieten. Bei jedem Release lautet der Tenor der Kritiker: »Zu teuer und zu wenig Neues!« Viele Spieler gaben Activision die Schuld dafür und dementsprechend groß war die Hoffnung, dass nach der Trennung alles besser wird.

Ganz ehrlich: Bungie liefert mit Festung der Schatten ein innovationsarmes Recycling-Produkt, und zwar ganz ohne Activisions schädlichen Einfluss. Genau genommen zelebriert Festung der Schatten die Wiederverwendung alter Inhalte geradezu. Das beginnt schon beim neuen/alten Schauplatz, denn der Mond ist Veteranen bereits aus Destiny 1 bekannt. Große Teile der Umgebung und auch die meisten Gegner wurden übernommen. Die Erklärung dafür ist, dass wir Hüter mit unseren Albträumen konfrontiert werden oder so ähnlich. Ja, die Story ist nach wie vor lachhaft, verschwurbelt und dadurch eher nebensächlich.

Anfangs fand ich es geil, Locations und Bosse aus Destiny 1 neu zu erleben. Nach über 30 Stunden ist von der anfänglichen Begeisterung für die »neuen« Inhalte nicht mehr ganz so viel übrig. Ich bin ziemlich hin- und hergerissen. Der Mond war schon im Erstling meine favorisierte Umgebung und auch für die Hive-Fraktion habe ich eine große Schwäche. Das Design der Mond-Bewohner unterstreicht die gruselige Atmosphäre perfekt und ich hätte mit dem Recycling weniger Probleme, wenn Bungie an anderer Stelle mehr Neues wagen würde. Nach vier Tagen mit Festung der Schatten habe ich kaum frische Waffen oder Ausrüstungsgegenstände erhalten. Stattdessen wurde ich regelmäßig mit Krempel belohnt, den ich bereits seit Monaten besitze. Für Neueinsteiger ist das weniger problematisch, denn sie merken ja nicht, dass sie mit alten Inhalten abgespeist werden. Alte Hasen könnten sich aber ziemlich verarscht fühlen.

Angriff (Destiny 2: Festung der Schatten)

Willst du looten, musst du bluten

In den Story-Missionen wuchs meine Vorfreude auf neue Exotics (Loot höchster Güte) und was habe ich bekommen? Zum Beispiel die »Riskrunner«, eine altbekannte Sub-Machine-Gun und »Mida Multitool«, eine noch ältere Scout-Rifle. Das soll nicht heißen, dass Festung der Schatten keine neuen Waffen und Ausrüstungsgegenstände beinhaltet. Es sind aber wieder einmal nur sehr wenige und man muss sie sich hart verdienen. Bungie streckt das Gameplay bis zur Schmerzgrenze mit repetitiven Aufgaben und künstlich verknappten Belohnungen. Bereits in der Story-Kampagne müsst ihr Aktivitäten gleich mehrmals wiederholen, um an spezielle Rüstungsteile zu gelangen. Ohne sie lässt sich die Kampagne nämlich nicht fortsetzen. Hätte man sich den krassen Grind nicht fürs Endgame aufheben können? Im Vergleich zur Forsaken-Kampagne stinkt das Gebotene definitiv ab.

Das klingt enttäuschend, aber es gibt ein paar grundlegende Verbesserungen, die auch Veteranenherzen höherschlagen lassen. Wie bereits erwähnt, wurde das Rüstungssystem komplett überarbeitet. Die altbekannten Perks sind neuen Mods gewichen, die unserer Ausrüstung unterschiedliche Boni verleihen. Zudem verfügen Rüstungsteile über ein Energie-Level, das bestimmt, wie viele dieser Mods installiert werden können. Die Armor-Attribute wurden ebenfalls erweitert: Mobilität, Belastbarkeit, Erholung, Intelligenz, Stärke und Disziplin gilt es nun zu berücksichtigen. Die Rüstungen lassen sich also viel umfangreicher konfigurieren und noch präziser der eigenen Spielweise anpassen. Das wirkt sich in der Praxis gravierend aus, denn statt ewig nach einer guten Rüstung zu suchen, kann ich sie mir jetzt selbst auf den Leib schneidern.

Im Menü gibts zudem einen neuen Reiter namens »Seasons«. Dahinter verbergen sich zig Belohnungsstufen, ähnlich wie in Fortnite. Die einzelnen Belohnungen werden durch Erfahrungspunkte freigeschaltet und sind nicht an bestimmte Aktivitäten gebunden. Ich kann diese Belohnungen also aktivieren, ohne bestimmte Modi spielen zu müssen. Dieses simple Feature sorgt für ein tolles Gefühl der Progression und hat mich ständig motiviert weiterzuspielen. Dasselbe gilt für das »saisonale Artefakt« im Ausrüstungsschirm, welches praktische Perks bereithält und außerdem ermöglicht, das Power-Level über das Cap von 960 hinaus zu steigern.

Aufs Maul

Die neuen Final Blows dürfen nicht unerwähnt bleiben, schließlich handelt es sich dabei um coole Finishing-Moves, die geschwächten Gegnern besonders eindrucksvoll den Rest geben. Ich erledige meine Feinde am liebsten mit einem saftigen Drop-Kick. Ein smarter Kniff ist, dass sich diese Finisher mit Mods pimpen lassen. Beispielsweise gibt es eine Modifikation, die schwere Munition für das gesamte Fire-Team droppt, wenn einen Final Blow ausführt. So wie es scheint, kriegt man aber nur einen dieser Moves geschenkt. Genau wie kosmetische Items und Emotes, müssen die Finisher im Echtgeld-Store gekauft werden.

Bungie hat es aber geschafft, meine Leidenschaft für Destiny 2 neu zu entfachen.

Fazit: In Forsaken gefiel mir die Story-Kampagne zwar besser, doch das Endgame von Festung der Schatten finde ich dank Saison-Belohnungsstufen, Rüstungssystem 2.0 und Saison-Artefakt motivierender. Natürlich ist es noch zu früh, ein endgültiges Urteil zu fällen, schließlich sind nicht einmal alle Festung der Schatten-Inhalte online. So wird der Zugang zum »Garden of Salvation«-Raid erst am 5. Oktober geöffnet und auch eine komplett neue Mehrspieler-Aktivität namens »Vex Offensive« feiert dann ihr Debüt. Dass Waffen, Gegner und riesige Abschnitte der Spielumgebung einfach recycelt wurden, weckt einerseits nostalgische Gefühle, ist aber trotzdem grenzwertig. In Sachen Innovation und Kreativität wird Festung der Schatten garantiert keine Preise gewinnen. Bungie hat es aber geschafft, meine Leidenschaft für Destiny 2 neu zu entfachen und viele alte Hasen, die eigentlich keinen Bock mehr auf das Spiel hatten, tauchen ebenfalls wieder im Player-Roster auf.

Destiny 2: Festung der Schatten ist seit dem 1. Oktober für PC, PlayStation 4 und Xbox One erhältlich.