Artwork; Jesse nutzt übernatürliche Fähigkeiten (Control)

So viel schon mal vorweg: Control sieht zwar aus wie ein typisches Remedy-Spiel, doch es fühlt sich dennoch innovativ und eigenständig an. Nicht so linear wie Quantum Break und Alan Wake, dafür deutlich mehr Fokus auf der Erkundung einer verschachtelten Spielwelt. Man könnte durchaus von einem »Metroidvania Light« sprechen. Hin und wieder werdet ihr sogar mit Rätseln konfrontiert, die kniffliger sind als man es von einem Mainstream-Titel mit Millionen-Budget erwartet. Control ist außerdem von einer gewissen Schrulligkeit geprägt, die eher an kleine Indie-Produktionen erinnert. Nach zehn Jahren Microsoft-Exklusivität wirkt dieser Titel fast wie eine Art Befreiungsschlag. Als habe Remedy nur darauf gewartet, endlich wieder unabhängig zu sein.

Dass Control runder wirkt als Quantum Break und Alan Wake, könnte natürlich auch reiner Zufall sein und muss nichts mit der neugewonnenen Freiheit zu tun haben.

Ihr steuert Jesse Faden, die erstmals den Hauptsitz des FBC (Federal Bureau of Control) betritt – eine Organisation, die sich mit übernatürlichen Phänomenen beschäftigt. Gerade als dort das Chaos ausbricht, jagt sich der FBC-Director eine Kugel durch den Kopf und nun ratet mal, wer seine Nachfolge übernimmt: Jesse! Klingt ziemlich bescheuert, ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Die Geschichte startet verwirrend und die Zahl der Fragezeichen nimmt sogar noch zu. Je tiefer ihr in das Innere des Gebäudes vordringt, desto verwirrender wird der Plot. Jede Antwort, die ihr erhaltet, wirft quasi neue Fragen auf. Deshalb ist es besonders wichtig, die zahlreichen Akten, Ton- und Filmaufnahmen zu studieren, die ihr im Laufe des Abenteuers findet. Wer diese ignoriert, wird es ungleich schwerer haben, dem roten Faden zu folgen.

Anspruchsvolle Action

Jesse wird aus der Verfolgerperspektive gesteuert. Im Endeffekt müsst ihr immer tiefer ins FBC-Gebäude vordringen, um die rätselhaften Ereignisse zu entschlüsseln. Das geräumige Bauwerk ist eine kleine Semi-Open-World, durch die ihr euch frei bewegt. Damit das Gerenne nicht ausartet, lassen sich an bestimmten Stellen praktische Kontrollpunkte errichten, die als Checkpoints und Schnellreisestationen dienen. Euer aktuelles Ziel wird dabei stets auf einer simplen Übersichtskarte markiert. Wie ihr dorthin gelangt, bleibt im Großen und Ganzen euch überlassen. Für ein angenehmes Gefühl der Progression sorgen Schlüsselkarten, die Zugang zu neuen Bereichen gewähren. Euer Wirkungsbereich wächst stetig und dasselbe gilt für Jesses Aktionsrepertoire.

Jesse ist mit einer ganz besonderen Dienstwaffe ausgestattet, die sich verbessern lässt und unterschiedliche Formen annimmt. Mal funktioniert sie wie eine Pistole, dann wieder wie eine Schrotflinte und so weiter. Ein ebenso interessanter Kniff ist das Magazin, das sich nach kurzer Zeit automatisch wieder füllt. Dauerfeuer-Rambos brauchen zwar keine Munitionsknappheit zu fürchten, doch gilt es klitzekleine Pausen für die Muni-Regeneration einzukalkulieren.

Glücklicherweise hat Jesse neben ihrer Dienstwaffe auch übersinnliche Fähigkeiten im Gepäck. Diese erinnern entfernt an die Zeitkräfte aus Quantum Break und sind optisch besonders eindrucksvoll in Szene gesetzt. Wenn ihr beispielsweise per Telekinese eine Kiste anzieht und diese anschließend mit Schmackes durch die Gegend schleudert, reagiert alles physikalisch korrekt. Fensterscheiben werden durchschlagen, Jalousien zerfetzt, Möbel umgeworfen und elektrische Geräte demoliert. Je schwerer und größer das entsprechende Objekt, desto heftiger der Schaden. Ihr lernt zudem sehr schnell, die Umgebung mit in die Kämpfe einzubeziehen. Schießt ihr etwa auf Behältnisse mit leicht entflammbarem Inhalt, genügt ein Schuss, um gleich mehrere Gegner effektvoll auszuschalten.

Die Mischung aus Ballern und Telekinese-Power macht die Auseinandersetzungen sehr dynamisch und zugleich taktisch anspruchsvoll. Wer sich geschickt anstellt, lässt regelrechte Kombos vom Stapel und pflügt durch die Gegner wie Luke Skywalker zu seinen besten Zeiten. Tatsächlich fühlt man sich hin und wieder etwas übermächtig, deshalb hätten wir uns zusätzliche Schwierigkeitsgrade gewünscht. Spieler, die ihre Umgebung sehr gründlich erkunden und dabei viele Upgrades einsacken, könnten sich mit der Zeit unterfordert fühlen.

Artwork; Jesse vor Tor (Control)

Nach zehn Jahren Microsoft-Exklusivität wirkt dieser Titel fast wie eine Art Befreiungsschlag.

Die Welt entdecken

Nicht nur die bereits erwähnten Schlüsselkarten vergrößern die Spielwelt. Es gibt auch Fähigkeiten, Charaktere und Story-Meilensteine, die neue Wege zugänglich machen. In fast jeder Ecke finden sich Upgrades und Sammel-Items, die euren Entdeckerdrang belohnen. Klar sind dem optischen Abwechslungsreichtum durch die zweckmäßige Architektur des Behördenkomplexes Grenzen gesetzt, aber langweilig wirkt die Umgebung trotzdem nicht. Zumal euch die übersinnliche Story immer wieder in abgefahrene Zwischenwelten entführt.

Die Mischung aus temporeicher Action, spannender Erkundung und einer wirklich abgefahrenen Geschichte, verleiht Control einen ganz eigenen Charakter. Allerdings gibt es auch Dinge, die wir nicht so toll finden. Es ist zwar schön, dass die Karte so schlicht gehalten ist, allerdings hätten wir uns zumindest die Möglichkeit gewünscht, zwischen den unterschiedlichen Arealen und Ebenen umschalten zu können. Als ebenso nervig empfanden wir einige ungünstig platzierte Checkpoints, die Jesse nach ihrem Ableben zwingen, lange Wege erneut abzulatschen.

Gerade die PC-Version von Control wirkt optisch sehr schön, was nicht nur am leistungshungrigen Raytracing liegt. Figuren und Spielwelt glänzen mit einem hohen Detailreichtum, viele Umgebungsobjekte lassen sich zerstören und in Sachen Effektvielfalt wird auch eine Menge geboten. Außerdem konnten wir in die PS4-Version reinspielen, welche leider mit regelmäßigen Ruckelattacken zu kämpfen hat, so bald auf dem Screen richtig die Post abgeht.

Fazit: Control ist endlich mal wieder ein richtig gutes Einzelspielerabenteuer. Das Action-Adventure mit Mystery-Fokus und Metroidvania-Anleihen konnte uns wirklich bis zum Schluss fesseln. Die abgefahrene Story schießt hier und da übers Ziel hinaus, aber zumindest möchte man stets wissen, wie die Geschichte weitergeht. Wichtige Info zum Schluss: Die deutsche Synchronisation ist eine Katastrophe und einem Spiel dieses Kalibers absolut unwürdig. Auch ohne Fremdsprachenkenntnisse solltet ihr Control lieber auf Englisch mit deutschen Untertiteln genießen.

Control ist am 27. August 2019 für PC, PlayStation 4 und Xbox One erschienen.