Nahaufnahme (Gears 5)

Am 26. Juli 1994 meinte es das Schicksal gut mit mir. Der Videospielhändler meines Vertrauens hatte bereits Super Metroid im Regal – zwei Tage vor dem offiziellen Release! Ich durfte das Meisterwerk noch vor meinen Freunden spielen und sie tagelang mit Spoiler-Drohungen erpressen. Heute wäre das nicht mehr so einfach. Mittlerweile haben wir Online-Zwang und Spielverpackungen, die Downloadcodes statt Datenträgern enthalten. Bekommt man ein Spiel verfrüht in die Finger, lässt es sich nur noch selten vor dem offiziellen Release-Termin zocken.

Damit wären wir schon beim Thema: Warum ist es manchmal so schwer, den korrekten Veröffentlichungszeitpunkt eines Titels herauszufinden?

Digitale Vertriebsplattformen wie Steam, Epic Games Store oder Microsoft Store sind weltweit und rund um die Uhr erreichbar. Unterschiedliche Zeitzonen verkomplizieren die Situation. Es genügt nicht mehr, nur den Veröffentlichungstag zu kennen.

Fehlermeldung (Gears 5)

Krasses Negativbeispiel: Gears 5 und der Microsoft Store. Der fünfte Teil der Gears-Reihe verwirrt die Käufer mit unterschiedlichen Angaben. Game-Pass-Ultimate-Abonnenten sollten bereits am 5. September Zugriff erhalten, während sich alle anderen bis zum 10. September gedulden müssen. Leider wird im Microsoft Store nur das Datum, aber keine Uhrzeit genannt. Ich habe am 5. September zur Mittagszeit auf den »Spielen«-Button geklickt und folgende Meldung erhalten: »Informieren Sie sich im Store über das Einführungsdatum«. Dumm nur, dass im Store eben dieser 5. September als Einführungsdatum gelistet war. Warum gibt Microsoft das Datum, aber keine genaue Uhrzeit an?

Release-Datum (Gears 5)

Furcht vor rechtlichen Konsequenzen

In Games-Foren und sozialen Medien taucht vor der Veröffentlichung großer Multiplattform-Titel immer dieselbe Frage auf: Wann genau erscheint das Spiel? Wer die Google-Suche und ein Tool zur Zeitzonenberechnung bemüht, gelangt relativ zügig an die korrekte Uhrzeit für seinen Standort. Auch die Webseite yourcountdown.to ist eine wertvolle Hilfe, zumindest bei Titeln mit weltweit einheitlichem Termin. Es sollte also für Entwickler, Publisher und Plattformbetreiber kein Problem sein, diese Informationen korrekt auf den Store-Seiten abzubilden.

Wenigstens präsentiert Steam einen Countdown, sofern die notwendigen Informationen vom Spielehersteller zur Verfügung gestellt wurden. Warum ist das immer noch nicht Standard? Liegt es am mangelnden Interesse? Ist es Faulheit seitens der Entwickler? Selbst nach ausgiebiger Recherche konnte ich keine befriedigende Antwort auf diese Frage finden. Also habe ich Experten konsultiert und ein paar interessante Aussagen erhalten.

Wojciech Duda – Software-Entwickler und Engineering Manager

»Sprechen wir von nur einer Uhrzeit weltweit, die umgerechnet werden muss, dann wäre es technisch einfach. Du musst zwar wissen in welcher Zeitzone der jeweilige Nutzer es angezeigt haben will, aber im Zweifelsfall nimmt man eben einen Default aus dem Betriebssystem. Allerdings handelt es sich um Daten, die der Publisher eingeben muss, und das bringt Extrawünsche mit sich. Ist es eine gestaffelte Veröffentlichung oder ein Global Rollout? Verschiedene Spielversionen (z. B. entschärfte Gewalt in DE)? Plötzlich hast du das Spiel mehrmals in der Datenbank – womöglich mit separaten Release-Terminen. Die Komplexität und ein relativ geringer Nutzen lassen das Feature niedrig priorisiert bleiben. Die Publisher hätten sonst schon längst Druck gemacht deswegen.«

Marian Härtel – Rechtsanwalt und Berater für die Bereiche Games, eSports & Social Media

»Warum sollten sich die Anbieter auf erhöhten Supportaufwand und im Zweifel sogar juristische Auseinandersetzungen einlassen, wenn die Zeiten nicht exakt stimmen? Foren von Nutzern sind eine Sache. Eine eventuell rechtsverbindliche Aussage des Stores eine andere!«

Leeloo Minai – Community Manager, Producer und Localization Specialist

»Zum einen werden die Daten bei Steam ja durch die Entwickler vorgegeben – Steam kann also schon mal nicht daran rühren – zum anderen stelle ich mir gerade den Aufwand, die Kosten, Nerven und irgendwie auch (Zeit-) logistischen Probleme vor, die Möglichkeit einzuräumen, nicht nur ein Datum, sondern auch eine Uhrzeit anzugeben, als auch dieses für alle möglichen Zeitzonen zu ermöglichen. Wobei es dafür sicher einen Algorithmus gibt, der das Letztere automatisiert. Muss dann halt trotzdem noch alles festgelegt und eingegeben werden. Und dann sollte man es auch noch genau einhalten. Nicht so spaßig. Und dann interessiert es auch kaum irgendwen – wenn wir mal ehrlich sind.«

Von dieser Seite hatte ich das gar nicht betrachtet. Würde man die genaue Uhrzeit im Store an die große Glocke hängen und das Spiel (aus welchem Grund auch immer) drei Stunden zu spät freischalten, gäbe es sofort 39.9484 Negativbewertungen und ebenso viele Beschwerden von empörten Käufern. Interessant finde ich, dass die meisten Befragten keine plausible Antwort hatten, außer »Das interessiert sowieso kein Schwein.« Ist das wirklich so? Ich habe eine Twitter-Umfrage gestartet und das Ergebnis sah nach 24 Stunden folgendermaßen aus.

Von 108 Stimmen möchten lediglich 56 % nicht nur den Tag, sondern auch die Uhrzeit der Veröffentlichung wissen. Das sind zwar mehr als die Hälfte, aber ich hätte die Zahl tatsächlich höher geschätzt. Wie seht ihr das? Must have oder total uninteressant?