Calypso-Geschwister (Borderlands 3)

Das Spiel ist sehr cool, aber Claptrap geht mir auf die Nüsse. Der kleinwüchsige Roboter labert ohne Unterlass und seine penetrante Stimme brennt sich tief in mein Trommelfell. Trotzdem bin ich im Ödland unterwegs, um Bauteile für ihn zu sammeln. Ich fühle mich wie Dr. Frankensteins Assistent Igor, der Leichenteile besorgt, damit sein Mentor neues Leben erschaffen kann. Mir fehlt nur noch ein einziges Objekt, also folge ich brav dem Marker auf der Karte, welcher mich zu einem ziemlich seltsamen Psycho-Banditen führt. Dieser redet wirres Zeug und trägt einen Trichter auf seinem Kopf, um irgendwelche Signale zu blockieren. Glücklicherweise werden die Signalquellen ebenfalls auf der Karte angezeigt, sodass ich dem Spuk ohne nervige Suche ein Ende bereiten kann.

Jetzt aber zurück zu Claptrap. Moment mal. Was ist das für eine Höhle da vorne? Wieso leuchtet der Eingang? Während ich mir diese Fragen stelle, werde ich bereits von einem Rieseninsekt attackiert. Es ist eines von Hammerlocks legendären Monstern! Der Kampf ist nicht einfach, doch dank meiner tierischen Begleiter bringe ich das Ungetüm ohne größere Probleme zur Strecke. Von allen bisher freigeschalteten Skills, hat sich das Rudel kleiner Flugmonster als besonders nützlich erwiesen. Sie funktionieren wie lebende Zielsuchraketen, die auf Knopfdruck Tod und Verderben über meine Feinde bringen.

Das legendäre Vieh hat ordentlich Loot hinterlassen, darunter auch eine richtig geile Waffe, die explosive Pfeile verschießt. Bevor sie ihre Wirksamkeit unter Beweis stellen kann, muss ich aber erst einmal zur Sanctuary zurück, um die Claptrap-Quest abzuschließen. Die Sanctuary ist ein Raumschiff, das mich zu unterschiedlichen Planeten transportiert und als zentraler Hub dient. Hier kann ich mich mit meinen Mitstreitern unterhalten, Ausrüstung aufstocken, am Schießstand trainieren und so weiter. Ich statte Claptrap einen Besuch ab, kassiere meine Belohnung und hoffe, nie mehr von ihm zu hören. Übrigens wird der Mülleimer in Teil 3 von einem neuen Sprecher vertont, doch ehrlich gesagt habe ich keinen Unterschied bemerkt. Ich hasse ihn immer noch genauso sehr wie früher.

Perfekte Balance

Ich habe echte Probleme damit, meine Erfahrungen mit Borderlands 3 in klare Worte zu fassen. Bereits nach den ersten zehn Minuten wusste ich, dass dieses Spiel und ich sehr gute Freunde werden. Die Spielwelt, mit ihren komplett unterschiedlichen Planeten, ist angenehm abwechslungsreich und verzweigt. Die weitläufigen Abschnitte lassen mich vergessen, dass es sich im Endeffekt nur um einzelne Levels handelt, die durch Ladepausen getrennt sind. Das vertikale Level-Design bietet jede Menge Objekte, die sich erklimmen lassen und das wirkt sich auf mehrere Arten positiv aus. Von erhöhten Positionen erhält man einen besseren Überblick, kann Feinde aus sicherer Entfernung per Raketenwerfer oder Scharfschützengewehr ausschalten. Außerdem verstecken sich da oben immer wieder Kisten mit wertvollen Items.

In dieser Hinsicht ist Borderlands 3 übrigens total irre, denn kein anderes Spiel bietet mehr Loot. Destiny 2 belohnt mich ich in einer Spielstunde vielleicht mit fünf Waffen und die sind entweder Schrott oder längst in meinem Besitz. Borderlands 3 lässt in derselben Zeit etwa 30 Ballermänner springen und zehn davon sind richtig gut. So gut sogar, dass ich immer wieder ins Grübeln gerate, weil ich mich nicht entscheiden kann. Immer, wenn ich denke »Boah, die Knarre ist ja der Hammer!«, sammle ich eine neue Waffe auf, die noch fetter ist. Damit wären wir auch schon bei der nächsten Verbesserung: Das Gunplay. Es fühlt sich viel wuchtiger an als in Borderlands 2 und macht jede Auseinandersetzung zu einem absoluten Spektakel. Die unterschiedlichen Waffen und Skills entfachen ein Effektfeuerwerk, das völlig over the top ist und perfekt mit dem comichaften Celshading-Look harmoniert.

Wandgemälde; Moze (Borderlands 3)

Gearbox ist mit Borderlands 3 wirklich ein ganz großer Wurf gelungen – trotz diverser Bugs und uncooler Antagonisten.

Selbst die Fahrzeuge machen in Borderlands 3 eine tolle Figur. Die Steuerung der Vehikel ist zwar immer noch etwas schwammig, aber es fühlt sich einfach gut an, durch die Gegend zu rasen, Banditen sowie Monster zu überfahren und sich mit anderen Verkehrsrowdys zu bekriegen. Dass sich die fahrbaren Untersätze aufrüsten und auch optisch verändern lassen, macht das Ganze doppelt so schön. Allerdings sollte man nicht dauernd auf Rädern durch die Spielwelt flitzen, weil man sonst viele versteckte Ecken übersieht. Tatsächlich lassen sich viele Abschnitte nur zu Fuß erreichen. Hin und wieder stolpert man sogar über kleine Rätsel, wie beispielsweise … nein, das verrate ich lieber nicht.

Üble Geschwister & cooles Koop-Gameplay

Erinnert ihr euch noch an Handsome Jack? Das war ein spitzenmäßiger Bösewicht! Wie genial er wirklich war, merkt man erst, wenn man mit den Calypso-Geschwistern Troy und Tyreen konfrontiert wird. Die neuen Fieslinge wirken geradezu lächerlich und uncool. Sie sind fast so nervig wie Claptrap, aber vielleicht ist das sogar beabsichtigt. Schließlich handelt es sich bei den Calypsos um Influencer, die ihre Eskapaden gerne auf Video festhalten und als Stream ins galaktische Web laden. Kleinere Bugs trüben den Spielspaß ebenfalls. Die PC-Version läuft nur rund, wenn man DirectX 12 deaktiviert und selbst dann ist man nicht vor Abstürzen sicher. Seltsam: Im Skill-Menü gibt es einen Bug, der mich daran hindert, bestimmte Fähigkeiten zu markieren. Die PS4-Version ist mir ebenfalls zweimal abgeschmiert, zudem gab es immer wieder Mikro-Ruckler. Ich hoffe einfach mal, dass diese Probleme zeitnah gefixt werden.

Key Art; Blau (Borderlands 3)

Was gibt es noch zu meckern? Man könnte noch die Karte kritisieren, die zwar relativ simpel aussieht, aber in der Bedienung zu umständlich ist. Außerdem scheinen manche Gegner blind und taub zu sein. Trotz dieser Mankos spielt sich Borderlands 3 ganz ausgezeichnet und mit menschlichen Mitspielern erreicht die Gaudi fast schwindelerregende Höhen. Zumal der Loot entsprechend zum jeweiligen Spieler-Level skaliert. Es lohnt also auch für erfahrene Zocker, mit Anfängern in die Schlacht zu ziehen. Die unterschiedlichen Charakterklassen sind sehr gut ausbalanciert und ihre spezifischen Fähigkeiten ergänzen sich im Koop-Game ausgezeichnet. Im Skill-Menü der neuen Kammerjäger kann man sich herrlich austoben und perfekte Builds zusammenstellen.

Fazit: Viel flacher Humor, zahllose Waffen, verbesserter Koop, erstklassiges Geballer und mehr oder weniger coole Charaktere. Auf dem Papier wirken die Zutaten von Borderlands 3 gar nicht mal so beeindruckend, doch dieses Spiel ist mehr als die Summe seiner Teile. Es wischt mit allen Loot-Shootern da draußen den Boden auf. Wir haben bereits über 30 Stunden auf der Uhr und noch lange nicht das Endgame erreicht. Mit diesem Spiel werden wie also noch sehr lange Spaß haben. Gearbox ist mit Borderlands 3 wirklich ein ganz großer Wurf gelungen – trotz diverser Bugs und uncooler Antagonisten.

Borderlands 3 ist am 13. September für PlayStation 4, Xbox One und PC erschienen.