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Sinkende Verkaufszahlen, finanzielle Verluste im dreistelligen Millionenbereich, enttäuschte Aktionäre – für die Einzelhandelskette GameStop sieht es derzeit nicht besonders rosig aus. Die Folgen der Verlagerung von Gamesverkäufen in den digitalen Bereich inklusive des neuen Fokus auf Abomodelle wie Game-Pass und Stadia nagen merklich am Lebensbaum des US-Unternehmens. Dabei gehörte GameStop bis vor wenigen Jahren noch zu den ganz Großen der Branche und verzückte an der Börse mit hervorragenden Quartalsergebnissen.

Doch was führte eigentlich zum Auf- und Abstieg des Einzelhändlers? Und kann GameStop sich mit einer neuen strategischen Ausrichtung noch retten? Wir gehen diesen Fragen auf den Grund.

Die Anfänge: vom Bankrott zu Barnes & Noble

Der Ursprung von GameStop lässt sich auf einen Software-Händler namens Babbage’s aus Tucson, Arizona zurückführen, der im Jahr 1984 eröffnete. Babbage’s verkaufte vor allem Spiele für Atari- und Nintendo-Konsolen, bis es sich 1994 mit der Firma Software Etc., einem weiteren Software-Händler, zur NeoStar Retail Group zusammenschloss.

Trotz der Renaissance, die Videospiele als Konsumgut während der 1990er Jahre erlebten, ging es mit NeoStar Retail ziemlich schnell bergab: Mehrere CEO-Wechsel und sinkende Verkaufszahlen resultierten in der Bankrott-Erklärung des Unternehmens im September 1996. Daraufhin kaufte Leonard Riggio, Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender der Bücherkette Barnes & Noble, die insolvente Firma für 58,5 Millionen US-Dollar – und schloss rund 200 der insgesamt 308 Filialen von NeoStar.

Der Deal entpuppte sich für Riggio, der NeoStar auflöste und eine neue Firma unter dem Namen Babbage’s Etc. gründete, als Glücksgriff: Nachdem Babbage’s 1999 insgesamt 30 Filialen unter der neuen Marke GameStop in diversen US-Einkaufszentren eröffnet hatte, kaufte Barnes & Noble das Unternehmen Babbage’s für 215 Millionen US-Dollar im Oktober 1999. Wenige Monate später erwarb Barnes & Noble außerdem den Videospielhändler Funco und das Gaming-Magazin Game Informer. Funco erhielt im Dezember 2000 schließlich den Namen GameStop, als das es im Februar 2002 an die Börse ging. Der Grundstein für den Erfolg eines der größten und einflussreichsten Einzelhandelsunternehmen der Videospielbranche war gelegt.

2004 bis 2016: die goldenen Jahre

Nach einer anfänglichen Konsolidierungsphase begann der Aufstieg von GameStop in der Welt: Das Unternehmen kaufte mehrere andere Einzelhändler mit Standorten in Europa, Kanada, Australien und Neuseeland sowie mit BuyMyTronics, einen Online-Marktplatz für Elektronikartikel in den USA. Ein Großteil der aufgekauften Läden erfuhr ein Rebranding unter der Marke GameStop – eine Strategie, die später noch für Probleme sorgen sollte.

Doch zunächst ging der Plan der GameStop-Strategen auf: Als global vertretener Retailer konnte sich das Unternehmen als eigene Marktmacht behaupten. Exklusivdeals mit Publishern wie beispielsweise besondere Vorbestellerboni waren die Folge – und stießen bei der Videospielcommunity nicht immer auf Gegenliebe.

Store in Maple Grove, Minnesota (GameStop)
© melissamn/Shutterstock.com

Zweites Standbein und wesentlicher Grund für den großen Erfolg GameStops war dann das am Markt einzigartige Angebot gebrauchter Videospiele und Konsolen sowie deren Ankauf. GameStop machte mit besonderen Aktionen und Bonusprogrammen auf sich aufmerksam und lockte immer mehr Konsolen-Fans in die eigenen Filialen, die sich von Angeboten wie den berühmten 9,99ern locken ließen.

Dabei profitierte das Unternehmen auch von der Bequemlichkeit der Kunden: Wer drei gebrauchte Spiele zu GameStop bringt, bekommt ein aktuelles neues Spiel für vermeintlich schmale 9,99 Euro – weil GameStop aber nur bestimmte Gebrauchtitel annimmt und nicht etwa zehn Jahre alte Fifas und Co., lohnt sich der Deal aus finanzieller Sicht vor allem für GameStop und weniger für die Kunden. Allerdings macht GameStop es den Kunden besonders einfach, Spiele einzutauschen – wer also schnell ein neues Spiel für kleines Geld kaufen möchte, bringt seine durchgezockten Games vielleicht lieber in eine Filiale des Einzelhändlers, als sie mühsam selbst auf eBay oder Amazon Marketplace zu verkaufen.

Der Abstieg: Digitalverkäufe und die Folgen

Doch das Erfolgsrezept der GameStop-Filialen war und ist den Publishern der Gaming-Branche ein Dorn im Auge. Schließlich entgehen ihnen Verkäufe und damit Umsätze, wenn Spieler ihre Games nicht im normalen Retail-Handel, sondern gebraucht bei GameStop erwerben. Der zum Teil daraus resultierende Trend zu Digitalverkäufen und Spiele-Abos entzieht dabei dem klassischen Einzelhandel die Geschäftsgrundlagen – aber wegen des einstmals boomenden Gebrauchtgeschäfts, das einen Großteil der GameStop-Umsätze verantwortet, trifft er das US-Unternehmen besonders hart.

Deshalb folgte ein harter Absturz auf die goldenen Jahre von GameStop: 2017 verkündete das Unternehmen einen Einbruch der Verkaufszahlen während der Weihnachtssaison 2016 um 16,4 Prozent. Als Gründe nannte das Unternehmen neben geringerer Laufkundschaft auch Preisdruck der Industrie und eine generelle Konjunkturschwäche der Gaming-Sparte. Die GameStop-Aktie hatte während 2016 bereits 16 Prozent eingebüßt und stürzte im Februar 2017 um zusätzliche acht Prozent ab, als Microsoft den Xbox Game Pass ankündigte.

Doch das Erfolgsrezept der GameStop-Filialen war und ist den Publishern der Gaming-Branche ein Dorn im Auge

Doch der eigentliche Tiefpunkt stand dem Unternehmen noch bevor: Nachdem GameStop zwischen Juni 2018 und Januar 2019 nach einem Käufer für die eigene Firma gesucht hatte, um neue finanzielle Mittel zu akquirieren, verkündete man schließlich das Scheitern dieser Suche. Der Aktienkurs fiel daraufhin um 27 Prozent auf den tiefsten Stand seit 2005. Im Februar 2019 musste GameStop dann den größten Netto-Verlust der Firmengeschichte hinnehmen: 673 Millionen US-Dollar.

Über die folgenden Monate kam es zu einer bunten CEO-Rochade, während derer mehrfach der Chef des Unternehmens wechselte. Außerdem entschied sich GameStop für eine neue strategische Ausrichtung: Der Fokus soll von Gebrauchtverkäufen zu Merchandise, eSports und Retrogaming wechseln – dazu wandelte GameStop in Kooperation mit der Design-Firma R/GA mehrere Läden in Konzept-Stores um, welche die neue Verkaufsstrategie erproben sollen.

Allerdings war es damit nicht getan, GameStops Abstieg setzte sich weiter fort: Im August 2019 mussten infolge dieser Umstrukturierung mehr als 120 GameStop-Mitarbeiter ihren Hut nehmen. Erst kürzlich verkündete das Unternehmen dann im Rahmen des aktuellen Finanzberichts für das zweite Quartal des Fiskaljahres 2019 erneut heftige Verluste: Die Verkäufe sanken um 14,3 Prozent weltweit, insbesondere Hardware-Verkäufe waren betroffen und brachen um 41,1 Prozent ein. Gebrauchtspielverkäufe sanken um 17,5 Prozent, Digitalverkäufe um 11,2 Prozent. Einzig an der Merchandise-Front konnte GameStop Positives vermelden: Accessoires-Verkäufe stiegen um 9,5 Prozent, Collectibles verzeichneten ein Wachstum von 21,2 Prozent.

Xbox Game Pass

Die GameStop-Aktie stürzte im Februar 2017 um acht Prozent ab, als Microsoft den Xbox Game Pass ankündigte.

Weil GameStop im zweiten Quartal 2019 trotzdem Verluste von mehr als 415 Millionen US-Dollar hinnehmen musste, kündigte das Unternehmen die Schließung von 200 Filialen weltweit über die kommenden zwei Jahre an. Die Geschäfte, die den wenigsten Profit abwerfen, müssen demnach weichen.

Die Zukunft: Kann sich das Unternehmen gesund schrumpfen?

Trotz dieser verheerenden Nachrichten zeigt sich GameStops CFO Jim Bell optimistisch. Die Verluste bei den Hardware-Verkäufen seien der kommenden Konsolengeneration geschuldet, so Bell. Dementsprechend hofft das Unternehmen darauf, dass die neue Xbox und die PS5 über optische Laufwerke verfügen – und GameStop nicht nur steigende Hardware- sondern auch Software-Verkäufe bescheren.

Der Wedbush-Analyst Michael Pachter verwies gegenüber Business Insider außerdem darauf, dass die Schließung von 200 Läden in 2019 die Ausgaben für den Betrieb der eigenen Stores um 20 Millionen US-Dollar senken könnte. Weil GameStop insbesondere in den USA über ein offenbar zu dichtes Netz aus eigenen Geschäften verfügt (im Durchschnitt gibt es in einem Radius von fünf Meilen drei GameStop-Läden), wird das Unternehmen langfristig über die bislang angekündigten 200 Stores weitere Standorte schließen.

Dementsprechend hofft das Unternehmen darauf, dass die neue Xbox und die PS5 über optische Laufwerke verfügen

GameStop will in den kommenden Jahren außerdem eine umfassende Restrukturierung des eigenen Betriebs vornehmen, die laut Fiskalbericht folgende Punkte umfasst:

  • Das Kerngeschäft soll effizienter und effektiver arbeiten, indem das Management die Kosten umverteilt, das Inventarmanagement optimiert und neue Produktkategorien mit hohen Gewinnmargen einführt.
  • GameStop soll zu einem Social-Hub für Gaming-Begeisterte werden, indem die Stores Loyalitätsprogramme ausbauen und bessere Nutzungserfahrungen bieten.
  • Der Relaunch von GameStop.com soll als digitale Plattform mehr Kunden erreichen und die Digitalverkäufe ankurbeln.
  • Anpassungen der Partnerschaften mit Verkäufern sollen zusätzliche Gewinnmargen erschließen.

Diese Pläne lesen sich bislang noch ziemlich schwammig und unpräzise. Zwar zeigt GameStop mit den erwähnten Concept-Stores, wie die Neuausrichtung der Franchise aussehen könnte. Ob das ausreicht, um das Unternehmen langfristig für die Zukunft der Games-Branche zu rüsten, bleibt aber abzuwarten.