Key Art (The Simpsons: Road Rage)

Als The Simpsons: Road Rage erschien, wusste ich: Das Spiel muss ich haben.

Es gibt Videospiele, bei denen weiß man eigentlich schon beim Release: Die avancieren über kurz oder lang zum Klassiker. Und dann gibt es Spiele, die man selbst für absolute Meisterwerke hält, die aber mal mehr, mal weniger zügig in Vergessenheit geraten – aus … Gründen. Als ich neulich beim Aufräumen meine Games-Sammlung inspizierte, stellte ich fest, dass ich viele Titel für Nintendo-Konsolen besitze, in die ich früher Stunde um Stunde meiner Freizeit versenkt habe und die ich heute noch immer sehr liebe. Aber über einige dieser Spiele redet heute niemand mehr. Ich meine damit nicht solche Kritikerlieblinge wie Beyond Good & Evil, das ja dank einer treuen Fangemeinde längst wieder aus dem Abyss des Vergessens emporgestiegen ist. Stattdessen stelle ich euch heute drei Spiele vor, die meiner Ansicht nach zu Unrecht auf dem ewigen Gaming-Friedhof vor sich hin modern – und durchaus zur ein oder anderen interessanten Retro-Session einladen.

Das bessere (?) »Crazy Taxi«

Das Taxi-Spiel Crazy Taxi gehörte zu den ganz großen Hits für Segas gescheiterte Dreamcast-Konsole. Mit seinem coolen Rock/Punk-Soundtrack, der comichaften Grafik und dem einfachen, aber genialem Spielprinzip eroberte es in kürzester Zeit die Herzen der Fans. Als das Spiel 1999 erschien, besaß ich allerdings keine Dreamcast, sondern einen GameCube. Und obwohl Crazy Taxi 2002 auch als Port für die Nintendo-Konsole auf den Markt kam, ging dieser Release irgendwie an mir vorbei. Trotzdem: Ich liebte das Spielprinzip und besorgte mir mehrfach eine Dreamcast mitsamt Spiel in der örtlichen Videothek.

Als dann im Jahr 2003 der Crazy Taxi-Klon The Simpsons: Road Rage für den GameCube erschien, wusste ich: Das Spiel muss ich haben. Eingefleischter Simpsons-Fan, der ich war, besorgte ich mir den Titel am Erscheinungstag, legte die Disc ins Laufwerk – und spielte monatelang nichts anderes mehr. Zugegeben, Road Rage kopierte ziemlich dreist das Gameplay von Crazy Taxi. Aber bei mir besaß es den Fan-Bonus und damit den ultimativen Heimvorteil.

Das Spiel verfügte sogar über eine *hust* Story. Ich zitiere von der Spielepackung:

»Mr. Burns benimmt sich wie immer und schikaniert ganz Springfield, indem er alle Busse aufkauft und horrende Fahrpreise einführt. Da müssen sich die Bewohner von Springfield schnell was einfallen lassen und ihre Autos zu Taxen umfunktionieren, um so viel Geld zu verdienen, dass sie die Busse schließlich zurückkaufen können.«

Für mich als Simpsons-Junkie bestand Road Rage aber aus mehr als einem bloßen Crazy Taxi-Klon: Denn die Entwickler hatten die Original-US-Sprecher der Simpsons verpflichtet, weshalb alle Charaktere der Serie, die man in Road Rage spielen konnte, mit flotten Sprüchen entsprechend Atmosphäre versprühten.

Road Rage geizte insgesamt wenig, wenn es um Fanservice ging: Spieler konnten diverse Charaktere freischalten, für jeden Charakter existierten wiederum verschiedene Autos aus der Serie und diverse Schauplätze wie die Grundschule von Springfield oder das Stadion der Springfield Isotopes ließen sich als digitale Kulisse erkunden.

Obwohl Road Rage sechs verschiedene, freischaltbare Level besaß, interessierte mich vor allem der erste, in dem man in Evergreen Terrace startet und Passagiere von der Grundschule zur Kirche oder vom Kwik-E-Markt zum Donut-Shop und zurück befördert. Ich machte mir einen Spaß daraus, meine eigenen Highscores zu schlagen und meine Mitfahrer so abzusetzen, dass ich gleich einen neuen Passagier aufnahm, ohne Zeit zu verlieren.

Obwohl The Simpsons: Road Rage sich gut verkaufte (immerhin gingen in England mindestens eine Million Exemplare über die Ladentheke), bekam das Spiel nie einen Nachfolger und geriet – wie auch die übrigen Games dieses Artikels – in Vergessenheit. Dabei lohnt sich Road Rage auch heute noch: Der Titel erschien neben dem GameCube auch für PC (Windows), PlayStation 2 und Xbox und lässt sich dank seiner Comic-Grafik spielen, ohne dass man bleibende Augenschäden befürchten müsste. Wer also Lust auf etwas Simpsons-Action bekommen hat, sollte sich Road Rage nicht entgehen lassen.

Key Art (Jet Force Gemini)

Meine Mutter war – warum auch immer – von Jet Force Gemini total begeistert.

Rares unbekanntes Meisterwerk

Wer heutzutage über die einstige Kult-Spieleschmiede Rare spricht, denkt zuerst an Klassiker wie Donkey Kong Country, Perfect Dark oder vielleicht noch Conker’s Bad Fur Day. Dass Rare im Jahr 1999 auch das Action-Spiel Jet Force Gemini veröffentlichte, weiß heutzutage kaum noch jemand. Dass der Titel in Vergessenheit geriet, erscheint rückblickend umso erstaunlicher, weil IGN das Spiel im Jahr 2000 auf Platz 20 der 25 besten N64-Videospiele aller Zeiten wählte.

Vielleicht erinnert man sich mittlerweile nicht mehr an Jet Force Gemini, weil das Spiel für eine Nintendo-Konsole nicht nur in Sachen Gameplay, sondern auch beim Setting ungewohnte Pfade beschritt. Bei JFG handelt es sich nämlich nicht etwa um ein Jump’n’Run, wie wir es sonst von Rare kennen, sondern um einen Third-Person-3D-Action-Shooter, der trotz knuffiger Charaktere ziemlich brutal daherkommt.

Wenn ich heute an JFG zurückdenke, verbinde ich das Spiel vor allem mit zwei Erinnerungen: Erstens war meine Mutter – warum auch immer – von JFG total begeistert. Und zweitens fand ich es stellenweise unheimlich frustrierend, insbesondere bei den eingestreuten Sprungpassagen. Trotzdem habe ich JFG geliebt, weil es mit seinem Weltraum-Setting, dem tollen Soundtrack und dem auf seine Weise auch belohnendem Schwierigkeitsgrad eine für Nintendo-Spiele einzigartige Mischung verkörperte.

Konkret erinnere ich mich daran, dass ich bereits in einem der ersten Level kläglich versagte, weil ich es nicht schaffte, einen Abgrund zu überwinden. An anderer Stelle scheiterte ich gefühlte hundertmal in einer riesigen Fabrik mit Maschinen und Sprungrätseln, bei denen man über mit Fallen gespickte Förderbänder einen Weg in den nächsten Raum finden musste.

Neben dem Setting und dem Gameplay mit Shooter-Fokus bestand eine Besonderheit von JFG darin, dass man nicht einen, sondern drei Charaktere steuerte – die Helden Juno und Vela sowie deren Hund Lupus. Das Trio geraten mit ihrem Raumschiff zum Planeten der Tribals, die sich im Krieg mit den bösen Insektenwesen des tyrannischen Herschers Mizar befinden. Ziel des Spiels ist es, die Tribals zu retten und Mizar zu besiegen. Während wir anfangs nur Juno steuern dürfen, stehen uns später auch Vela und Lupus zur Verfügung, zu denen wir im Laufe des Spiels immer wieder wechseln.

Auch wenn sich davon heute nicht mehr allzu viel erkennen lässt, gehörte JFG bei Release Rare-typisch zu den optisch schönsten Titeln auf dem Nintendo 64. Ähnlich wie The Simpsons: Road Rage funktioniert JFG heute ebenfalls noch gut als Retro-Titel, wenn man sich denn mit dem hohen Schwierigkeitsgrad und der teilweise etwas frustrierenden Steuerung abfinden kann. Wer kein Nintendo 64 mehr zuhause stehen hat, bekommt den Titel übrigens auch als Teil der Rare-Replay-Sammlung für Xbox One.

Cover (Vigilante 8)

Wer mal wieder Lust auf ein richtig verrücktes Zerstörungs-Auto-Spiel hat, sollte Vigilante 8 eine Chance geben.

»Ich hab’s einfach drauf, Baby!«

Das letzte Spiel in unserer Liste ist – schon wieder – ein Auto-Spiel (ich gebe zu, ich habe Spiele, in denen es ums Fahren von Autos ging, immer besonders geliebt). Aber Vigilante 8 setzt einen ganz anderen Fokus als The Simpsons: Road Rage, auch wenn es ähnlich schräg und verrückt daherkommt. Bevor Vigilante 8 im Jahr 1999 für Nintendo 64 erschien, schielte ich neidisch auf die PlayStation und ihre Spielereihe Twisted Metal. Ein vergleichbares Game existierte auf der kinderfreundlichen Nintendo-Konsole nicht – doch dann brachte Activision die Alternative auf den Markt.

Ähnlich wie bei Twisted Metal handelte es sich bei Vigilante 8 um ein sogenanntes Vehicular Combat Game, sprich ein Spiel, in dem man mit Autos durch verschiedene Level fährt und mit diversen Waffen andere Autos zu Klump schießt. Garniert mit einer völlig abgedrehten Story, die sich um den ökonomischen Kollaps der USA dreht und an die ich mich kein bisschen erinnern kann, verknüpfte Vigilante 8 Autorennen auf einer offenen Karte mit absurden Schießereien und jeder Menge Action.

Jeder Charakter besaß eine eigene Story-Kampagne, in deren Rahmen man verschiedene Missionen erfüllen musste, die sich aber größtenteils nur darum drehten, möglichst schnell möglichst viele Gegner in die Luft zu jagen. Ähnlich wie bei Road Rage empfand ich auch bei Vigilante 8 größten Spaß dabei, die Steuerung des Spiels zu meistern und möglichst effektiv die Umgebung (sic!) und meine Gegner zu zerstören.

Die einzelnen Level besaßen dabei diverse Besonderheiten, die man sich zum Ausschalten seiner Feinde zunutze machen konnte. Auf der Farm-Karte ließen sich beispielsweise riesige Windräder umfahren, deren Flügel dann auf die unter ihnen entlang fahrenden Autos stürzten – wenn man Pech hatte, auch auf das eigene. Besonders cool: Im Spiel – und zwar ausschließlich in der N64-Fassung – konnte man das Alien Y inklusive seines fliegenden UFOs als spielbaren Charakter freischalten und mit ihm eine eigene Story-Kampagne erleben. Als zusätzliches Secret existierte außerdem der völlig überdrehte Märchen-Level Super Dreamland 64, für das man das Spiel mit dem Alien Y durchspielen musste.

Für mich gehört Vigilante 8 wegen seiner Vielfalt, des unglaublichen Multi-Player-Potenzials und des überdrehten Settings zu den am meisten unterbewerteten Spielen für das Nintendo 64. Zwar sieht man dem Titel sein Alter mittlerweile wirklich an, aber wer mal wieder Lust auf ein richtig verrücktes Zerstörungs-Auto-Spiel bekommen hat, sollte Vigilante 8 eine Chance geben.