Key Art (Bloodstained: Ritual of the Night)

Die Castlevania-Reihe und der Name Koji »Iga« Igarashi sind untrennbar miteinander verbunden. Igas Karriere beim japanischen Videospielhersteller begann 1990, endete 2014 und bis heute bezeichnet er Symphony of the Night als das Highlight dieser langjährigen Beziehung. Mit Bloodstained: Ritual of the Night liefern er und sein Team zwar kein echtes Sequel, aber zumindest einen geistigen Nachfolger, der sämtliche Erwartungen der Igavania-Fans erfüllt (Igavania = Metroidvania mit Igas Handschrift).

Ihr beginnt das Spiel als Shardbinder Miriam, die Dämonenkristalle absorbieren und in magische Fähigkeiten verwandeln kann. Ich möchte jetzt nicht zu viel über die Story verraten, aber irgendjemand öffnet versehentlich ein Tor zur Hölle und selbstverständlich muss Miriam die Sache wieder geradebiegen. Die Geschichte wird in Zwischensequenzen und Oldschool-Dialogen erzählt, wobei euch ein paar nette Überraschungen und Wendungen erwarten. Wer keinen Bock darauf hat, darf Cutscenes und Dialoge jederzeit abbrechen. Vorbildlich!

Es ist irgendwie komisch, ein neues Spiel wie Bloodstained zu beginnen und sich trotzdem sofort wie zu Hause zu fühlen. Das Besondere ist, dass es wirklich nach Castlevania: SotN schmeckt und dennoch total frisch und eigenständig wirkt. Einige Elemente lassen sich wiederum Aria & Dawn of Sorrow zuordnen, beispielsweise die Absorption der Dämonenseelen (bzw. Kristalle). Immer wenn ihr Feinde in die ewigen Jagdgründe schickt, besteht nämlich die Chance, Kristalle zu erhalten. Diese verleihen euch magische Fähigkeiten, die genauso abwechslungsreich wie Miriams Waffen- und Rüstungsarsenal ausfallen. So könnt ihr magische Projektile abfeuern, Schilde generieren, Geister auf eure Feinde hetzen und vieles mehr.

Wenn ihr erst einmal genügend Fähigkeiten, Waffen und Ausrüstungsgegenstände beisammen habt, lassen sich richtig coole Builds realisieren. Ihr möchtet als Katana schwingender Wirbelwind durch die Welt preschen? Kein Problem. Ihr könnt aber auch Klamotten und Fähigkeiten wählen, die Miriams Fähigkeiten als Gunslinger hervorheben. Zudem lassen sich die Scherben-Skills gezielt aufleveln und eurem favorisiertem Build quasi auf den Leib schneidern. Beispiel: Wird der Projektil-Splitter aufgebrezelt, steigt nicht nur die Stärke der Projektile, sondern auch die Menge der gleichzeitig abgefeuerten Geschosse. Hinter der rollenspieltypischen Charakterentwicklung steckt also eine motivierende Mechanik, die nicht zu sperrig ausfällt und spürbare Auswirkungen aufs Gameplay hat.

Miriam (Bloodstained: Ritual of the Night)

Erkundung par excellence

Das Spielgeschehen wird aus einer übersichtlichen Seitenperspektive präsentiert, wobei ich die Grafik als zweckmäßig bezeichnen würde. Sie ist nicht total mies, aber auch nicht wirklich gut. Das ist ja meisten so, wenn kleinere Studios ihr Spiel auf allen Plattformen veröffentlichen und dabei so wenig technischen Aufwand wie möglich betreiben möchten. Das Art-Design lässt sich der Kategorie »08/15-Nippon-Fantasy« zuordnen, allerdings stolpert man hier und da tatsächlich über kreative Monster-Designs.

Was Bloodstained zu einem hervorragenden Titel macht, ist das zeitlose Gameplay. Ein perfekter Mix aus fesselnder Action, einer Prise Adventure und jeder Menge Erkundung. Überall stolpert ihr über unerreichbare Plattformen und blockierte Passagen, die bestimmte Fähigkeiten oder Gegenstände voraussetzen. Es lohnt sich also, die Welt mit offenen Augen zu erkunden, bereits besuchte Abschnitte erneut aufzusuchen und immer tiefer in die Spielwelt vorzudringen. Überall gibt es versteckte Geheimnisse, beispielsweise hinter brüchigen Wänden oder hinter spezifischen Nebenaufgaben versteckt.

Ihr schnetzelt, ballert und zaubert was das Zeug hält, sammelt tonnenweise Loot, craftet daraus neue Ausrüstung und so weiter. Außerdem erntet ihr Nahrungsmittel, die zu Mahlzeiten kombiniert, nicht nur eure Gesundheit wieder auffüllen, sondern Charaktereigenschaften dauerhaft verbessern können. Ihr lasst Samen pflanzen, um Gemüse anzubauen, könnt verlorene Erinnerungsstücke zurückgewinnen, um daraus einen Friedhof zu errichten und das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Anspruchsvoll, aber nicht zu schwer

Immer wieder fordert Bloodstained eure grauen Zellen heraus und es gab tatsächlich ein paar Momente, die mich ratlos zurückließen. »Wo geht es jetzt weiter? Was habe ich übersehen? Warum geht die fucking Tür nicht auf?« Wer aufmerksam spielt und regelmäßig die praktische Karte aufruft, findet aber stets eine Lösung – auch wenn es manchmal etwas länger dauert. Praktischerweise stehen überall in der Welt Bücherregale herum, die wichtige Hinweise enthalten. Die darin versteckten Wälzer verraten euch unter anderem Kombos und Special-Moves (z. B. ↓ ↘ → X) oder Informationen über Miriams nächste Aufgabe.

Ich liebe dieses Spiel, dabei war ich im Vorfeld echt skeptisch

Das Kampfsystem ist ebenfalls sehr motivierend, die Feinde stets fordernd, aber es wird niemals unfair. Es gibt fette Bosse, nicht zu unterschätzende Mini-Bosse und jede Menge Standardgegner mit unterschiedlichsten Verhaltensweisen. Die Feinde droppen spezifischen Loot, darum wisst ihr irgendwann ganz genau, wo ihr benötigte Tausch- oder Crafting-Zutaten bekommt. Sämtliche Komponenten des Gameplays greifen wie Zahnräder ineinander, die perfekt aufeinander abgestimmt wurden. Darum muss man auch kein Castlevania-Fan sein, um sich hier bestens unterhalten zu fühlen.

Fazit: Ich liebe dieses Spiel, dabei war ich im Vorfeld echt skeptisch. Die ersten Bilder und Videos versprachen nichts Gutes und viele Kickstarter-Backer sprachen bereits von einer totalen Fehlinvestition. Offensichtlich haben die zahlreichen Verschiebungen Bloodstained sehr gutgetan. Es ist anspruchsvoll, aber niemals sperrig und immer, wenn ich nur mal ein halbes Stündchen zocken will, bleibe ich gleich mehrere Stunden hängen. Ich werde erst ruhen, wenn ich wirklich jede Ecke erforscht und alle Geheimnisse enthüllt habe!